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#„Ich habe lange vor einem solchen Drama gewarnt“

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„Ich habe lange vor einem solchen Drama gewarnt“

Der französische Regierungschef Jean Castex hat am Donnerstagmorgen in Paris eine Krisensitzung mit acht Ministern einberufen, nachdem am Vorabend mindestens 27 Menschen im Ärmelkanal ertrunken sind. Unter den Opfern, größtenteils Kurden aus dem Irak und Iran, waren auch sieben Frauen und ein kleines Mädchen. Zwei Männer überlebten in dem kalten Wasser. Sie wurden in das Krankenhaus von Calais gebracht. Innenminister Gérald Darmanin prangerte vor dem Krankenhaus die illegalen Machenschaften der Schlepperbanden an. Vier mutmaßliche Schlepper wurden festgenommen. Die Staatsanwaltschaft in Dünkirchen leitete ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung ein.

Der Tod der Migranten hat viele in Frankreich schockiert. Präsident Emmanuel Macron teilte mit, er werde nicht zulassen, „dass der Ärmelkanal zum Friedhof wird“. Der Präsident wandte sich direkt an die Regierungen Großbritanniens, Belgiens, der Niederlande und Deutschlands und appellierte an sie, „Grenzkontrollen zu verstärken und Schleppernetzwerke auszuheben“. Er forderte, die Mittel der Grenzschutzagentur Frontex „sofort“ zu erhöhen, um die EU-Außengrenzen besser zu schützen. Zudem verlangte er die Einberufung einer Dringlichkeitssitzung der betroffenen EU-Minister zur „Migrationsherausforderung“.

„Erwarten volle Kooperation“

Am Mittwochabend tauschte sich Macron mit dem britischen Premierminister Boris Johnson am Telefon aus. Im Kommuniqué des Elysée-Palasts wird von „geteilter Verantwortung“ für das Drama vor der Küste von Calais gesprochen. „Der Staatschef hat Boris Johnson wissen lassen, dass er von den Briten volle Kooperation erwartet und dass sie sich zurückhalten, eine dramatische Lage zu politischen Zwecken zu instrumentalisieren“, heißt es weiter. Die Überfahrt von Migranten aus Frankreich ist ein ständiger Streitpunkt zwischen Paris und London. Die Innenminister beider Länder wollten sich am Donnerstag dazu austauschen.

Nach Angaben der Polizei war die Migrantengruppe am Donnerstag mit einem Schlauchboot in Loon-Plage in der Nähe von Dünkirchen in Richtung der englischen Küste aufgebrochen. Ein Fischerboot alarmierte gegen 14 Uhr die Küstenwache. Frankreich setzte zwei Hubschrauber und mehrere Rettungsboote ein. Über die genaue Zahl der Opfer herrschte auch am Donnerstagmorgen noch Ungewissheit. Die Bürgermeisterin von Calais, Natacha Bouchart, sagte, sie habe seit langem vor einem solchen Drama gewarnt. Doch die Regierung habe ihre Anfragen unbeantwortet gelassen. „Mafiöse Schlepperbanden haben Calais unter Kontrolle“, beklagte die Bürgermeisterin in der Lokalzeitung „La Voix du Nord“.

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Die Republikanerin hat lange dafür gestritten, dass das wilde Flüchtlingslager „La jungle“ geräumt wird. Am 21. Oktober 2015 wurde das Lager mit Polizeigewalt aufgelöst und die Migranten in Notaufnahmeheimen in ganz Frankreich untergebracht. Doch schon wenige Wochen später kehrten die Migranten in der Hoffnung auf eine Ausreise nach Großbritannien nach Calais zurück. Der Mauerbau an der Autobahn zum Hafen sowie die umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen um den Eurotunnel haben dazu geführt, dass Fluchtversuche über Hafen oder Eurotunnel selten geworden sind.

Seit 2018 hat sich das Phänomen der „small boats“ entwickelt. Schlepper organisieren äußerst gefährliche Fluchtversuche auf kleinen Schlauch- oder Motorbooten. 98 Prozent der Migranten, die in „small boats“ die englische Küste erreichen, haben einen Asylantrag in Großbritannien gestellt, teilte die Nichtregierungsorganisation Refugee Council mit. Die meisten Migranten kommen aus dem Irak, Iran, Sudan und Syrien.

Nach Angaben des französischen Innenministers hat es seit Anfang 2021 bereits 47 000 Überfahrt-Versuche gegeben. 7800 Migranten in Seenot wurden auf dem Ärmelkanal gerettet. 1552 mutmaßliche Schlepper wurden festgenommen und 44 Schleppernetzwerke ausgehoben. Der Sportartikelhersteller Decathlon hat in seinen Filialen in Nordfrankreich den Verkauf von Schlauchbooten, Kanus und Kajaks untersagt. 600 Polizisten sind an der Kanalküste ständig im Einsatz. Doch eine lückenlose Überwachung der 330 Kilometer langen Ärmelkanalküste ist so gut wie unmöglich.

Der Vorsitzende der Flüchtlingshilfsorganisation L’Auberge de migrants, Francois Guennec, übte Kritik daran, die Schlepperbanden allein für das Drama verantwortlich zu machen. Er sagte, die Verantwortung liege bei der britischen Regierung, die den Familiennachzug ausgesetzt und alle legalen Wege der Zuwanderung versperrt habe. Die französische Regierung sei ein williger Helfershelfer dieser britischen Politik, indem sie Fluchtmöglichkeiten über den Eurotunnel und den Hafen eingeschränkt habe. „Frankreich muss den Vertrag von Le Touquet aufkündigen und mit seinen europäischen Partnern eine echte Aufnahmepolitik organisieren“, forderte Guennec. Im bilateralen Vertrag von Le Touquet ist geregelt, dass französische Beamte bereits auf französischem Staatsgebiet die Grenze Großbritanniens kontrollieren.

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