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#Impfpflicht? „Was denn sonst!?“

Impfpflicht? „Was denn sonst!?“

Um kurz vor neun Uhr ringelt sich die Menschenschlange aus dem Vorraum die Treppe hinab ins Foyer und hinaus auf den Hof, einmal um das Haus herum über den Platz bis zur Straße. „Impfen ohne Termin beim Mobilen Impfteam“ hat der Landkreis Sächsische Schweiz angekündigt, und rund 300 Menschen hier hoffen am Donnerstagmorgen, eine Corona-Impfung zu bekommen. „Ich bin seit um sieben hier“, sagt eine ältere Frau, die einen der wenigen Stühle im Warteraum ergattert hat. Der Mann neben ihr berichtet, dass seine Hausärztin im Urlaub und dies sein dritter Versuch sei, an die Impfung zu gelangen. Zwei Mal schon sei er in anderen Orten weggeschickt worden, „weil der Impfstoff alle war“. Die Erfahrung teilen mehrere Wartende, als plötzlich Bewegung in die Schlange kommt. Eine Mitarbeiterin des Roten Kreuzes, das in Sachsen die Mobilen Impfteams koordiniert, eilt im blauen OP-Kittel die Treppe hinauf, schließt den Impfraum auf, verteilt Aufklärungsbögen. Sie sei kurzfristig als Ersatz eingesprungen, sagt sie. Jetzt müsse man sehen.

Stefan Locke

Korrespondent für Sachsen und Thüringen mit Sitz in Dresden.

Dabei ist schon am Morgen klar: Es wird nur für maximal die Hälfte der Leute reichen, und das liege nicht am Impfstoff, sagt Kai Kranich vom DRK. „Unsere Teams nehmen immer nur so viel mit, wie sie mit dem vorhandenen Personal an einem Tag verimpfen können.“ Rund 100 Impfungen seien die Norm, inzwischen schaffe man auch 150. Zwei Teams hat Sachsens DRK in jedem Landkreis im Einsatz, seit Ende September die Impfzentren mangels Nachfrage geschlossen wurden. Auch im Oktober habe es kaum Impfbedarf gegeben, sagt Kranich. Seit Anfang November jedoch rennten die Leute ihnen die Bude ein. Weniger die Ungeimpften, sondern vor allem Menschen, die ihre Drittimpfung, den „Booster“, erhalten wollten. Mehr als zwei Drittel Auffrischungsimpfungen und gerade mal ein Sechstel Erstimpfungen weist die DRK-Statistik seitdem aus. Auch in Heidenau heben bei der Frage nach dem Booster fast alle im Warteraum ihre Hand.

245 000 Einwohner hat der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, rund die Hälfte davon sind geimpft, zehn Prozent weniger als im ohnehin schon niedrigen Sachsen-Schnitt und 20 Prozent weniger als im deutschen Durchschnitt. „Viele haben die Haltung: Es trifft mich nicht“, sagt eine Mutter, die mit ihrem zwölf Jahre alten Sohn in Heidenau auf dessen Zweitimpfung wartet. In seiner Klasse sei er damit eine Ausnahme. Im Wartezimmer, gefühlt voller Impfbefürworter, stößt das auf größtes Unverständnis. Denn das Virus verbreitet sich heftig in der Gegend, seit Wochen zählt der Kreis zu den zehn am stärksten von der Pandemie betroffenen Regionen Deutschlands, belegte mit rund 1400 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner in sieben Tagen zeitweilig gar den Spitzenplatz. Die Krankenhäuser sind voll, und es trifft vor allem Ungeimpfte. Sie belegen 90 Prozent der Corona-Plätze auf den Intensivstationen. Auf Normalstationen gebe es auch geimpfte Patienten, sagt Steffen Schön, Ärztlicher Direktor des Klinikums der Kreisstadt Pirna. „Aber wir haben eine Gruppe an Ungeimpften, die durchweg den schlechteren Verlauf haben.“

Landrat Siegfried Walch


Landrat Siegfried Walch
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Bild: Landratsamt Traunstein

Im ebenfalls schwer betroffenen Bayern gehört der Landkreis Traunstein zu denen mit den höchsten Inzidenzen. Zuletzt 1117. Traunstein liegt im südlichen Oberbayern. Die höchste Erhebung ist das Sonntagshorn, knapp 2000 Meter, die Quote der Zweitgeimpften liegt bei 56 Prozent. Der Kreis bringt also genau das Profil mit, das Ministerpräsident Markus Söder jüngst als mitverantwortlich für hohe Corona-Inzidenzen ausgemacht hat: sehr südlich, sehr bergnah, sehr impfskeptisch. Der junge Landrat Siegfried Walch, 1984 im nahen Bad Reichenhall geboren, sagt, er habe „keine soziologischen Erkenntnisse“, aber er nennt doch mögliche Gründe für die hohen Zahlen. Den Tourismus. Oder die Nachbarschaft zum noch stärker betroffenen Österreich.

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