#„In fünf Jahren ist es vorbei mit der Weideschaf-Haltung“
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„„In fünf Jahren ist es vorbei mit der Weideschaf-Haltung““
Reinhard Heintz zückt sein Handy und zeigt Bilder eines abgenagten Gerippes. Die Knochen eines Schafs. „Gerissen von einem Wolf“, sagt der Schäfer mit belegter Stimme und zieht die Stirn in Falten. Ein Wolf in seiner Nachbarschaft im Hüttenberger Land. Wohl ein Tier auf der Durchreise, aber auch das hat Hunger und in einem Kamerunschaf eines Hobbyschäfers eine Beute gefunden. Für die Wolle seiner Rhönschafe und Coburger Füchse, beides seltene Rassen, bekommt er nur Centbeträge je Kilogramm. Das Aus für kleine Schlachtstätten im ländlichen Raum erschwert Heintz und Seinesgleichen die Direktvermarktung. Von der Bürokratie gar nicht zu reden. „Aber unser größtes Problem ist der Wolf“, sagt der Vorsitzende des Hessischen Verbands für Schafzucht und -haltung. Und er schiebt hinterher: „Wenn es keine Regulierung gibt, ist es mit der Weideschafhaltung in Hessen in fünf Jahren vorbei.“
Nun neigt Heintz, betagter Traveller-Filzhut, grüne grobgestickte Wolljacke, karierter Hemd, nicht zu Alarmismus. Vielmehr strahlt er Ruhe aus. Landwirte jammerten ja oft, sagt er mit einem verschmitzten Lächeln. Man dürfe nicht jede Unpässlichkeit zum Anlass für Beschwerden nehmen. Doch das Vordringen des Wolfs gehe zu weit. „Er wird der Weideschafhaltung das Genick brechen“, bekräftigt er, „aber wir finden kein Gehör“. Nicht in der Landespolitik und nicht bei Naturschutzverbänden.
Vier Wolfsrudel und ein Einzelgänger
Der Bestand an Wölfen in Hessen nimmt einerseits stetig zu, wie das Wolfszentrum des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie in Wiesbaden bestätigt. Andererseits ist er noch übersichtlich. 20 sesshafte Exemplare seien im vergangenen Jahr genetisch nachgewiesen worden, sieben mehr als 2021. Als Nachweis dienen Speichelreste von Wölfen an gerissenen Tieren oder Haare. Rudel gibt es demnach im Rheingau, im Stölzinger Gebirge in Nordhessen, im Kreis Hersfeld-Rotenburg und im hessisch-bayerischen Grenzland. Alles recht weit weg vom Hüttenberger Land, das mitten in Hessen liegt. Zudem sind 2022 lediglich 20 von Wölfen gerissene Nutztiere bekannt geworden. Seit Beginn dieses Jahres sind es aber schon sieben. Und: Der Wolf ist sehr mobil. Mit durchziehenden Wölfen sei in ganz Hessen jederzeit zu rechnen, heißt es beim Wolfszentrum. Zudem gibt es laut Umweltministerium neuerdings einen Einzelnachweis im Hochtaunus.
Der Landesjagdverband fordert angesichts dessen – genauso wie Heintz und der Hessische Bauernverband es tun – eine Regulierung des Bestands. Um die Weidetiere zu schützen, müssten dem Wolf Grenzen aufgezeigt werden, so die Bauernlobby. Sie will eine Obergrenze für den Bestand. Durch Abschuss? Das Wort nimmt Heintz, der auch dem Bauernverband angehört, nicht in den Mund. Wie eine Regulierung aussehen könnte, lässt er offen. Aus dem Ministerium heißt es dazu: „Derzeit stellt sich die Frage nach einer Regulierung des Wolfsbestandes nicht, da Hessen erst am Anfang der Wiederbesiedlung steht.“ Es nehme die Sorgen der Schafhalter aber sehr ernst.
Schaf die leichtere Beute als ein Reh
Ob es keine Alternativen gebe wie etwa höhere Zäune? „Die sind zu schwer“, sagt der Schäfer. Zudem kosteten sie mehr als die schon gebräuchlichen Exemplare, durch die Strom geschickt wird. Dessen ungeachtet halte ein Zaun einen Wolf im Zweifel nicht auf. „Die Vorstellung, er kommt mit seiner Nase an den Elektrozaun, kriegt eine gewischt und verzieht sich dann, stimmt nicht mit der Wirklichkeit überein.“ Der Wolf lerne rasch und mache es im Zweifel wie ein Hütehund: Er springe einfach über den Zaun. Ein Schaf ist eine leichtere Beute als ein Reh, denn Schafe bleiben angesichts drohender Gefahr wie angewurzelt stehen, während ein Reh davon läuft.
Nun weiß jeder Spaziergänger: So manche mehr oder weniger große Herde steht alleine auf einer eingezäunten Weide. Das gilt auch für Ziegen. Schäfer könnten sich zwar Herdenschutzhunde anschaffen, die nachts Wacht halten. Ein solches Tier koste aber rund 4000 Euro und müsse zertifiziert sein, sagt Heintz. Zusätzlich müsse der Halter selbst Lehrgänge besuchen und seine Sachkunde im Umgang mit solchen Hunden beweisen. Das alles summiert sich auf, zumal Schäfer wirtschaftlich ohnehin unter Druck stehen, wie das Umweltministerium bestätigt. Wie in früheren Zeiten bei den Tieren zu übernachten und im Zweifel im Falle eines Angriffs selbst einzugreifen, kommt laut Heintz nicht in Frage. Das passe nicht in den Tagesablauf, zumal viele Kollegen die Tiere im Nebenerwerb hielten.
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