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#In welchem Team spielen wir?

In welchem Team spielen wir?

Nach ihren Begegnungen in der vergangenen Woche haben die transatlantischen Partner ein besseres Verständnis davon, wo sie bei ihrem Neuanfang nach vier Jahren Trump stehen. Präsident Biden wurde zum Treffen des Europäischen Rats zugeschaltet, sein Außenminister Blinken nahm an den Gesprächen im Kreis der Nato-Partner teil. Es wurden Freundlichkeiten ausgetauscht, Gemeinsamkeiten beschworen, Prinzipien bekräftigt; zum Beispiel die Beistandsverpflichtung nach Artikel 5 der Allianz oder das Zusammenstehen im Systemwettbewerb mit den Autokratien der Welt.

Klaus-Dieter Frankenberger

Aber die Europäer und besonders die Deutschen sehen nun auch klarer, wo es Kontinuitäten gibt, die den Regierungswechsel in Washington überdauert haben, und wo die wiederbelebte Gemeinsamkeit an Grenzen stößt. Da war zum einen das Dauerstreitthema Nord Stream 2. Auch die Regierung Biden hält nichts von dem im Kern russisch-deutschen energiepolitischen Projekt.

Der Ton ist gemäßigter als in den vergangenen vier Jahren, die Kritik in der Sache ist ähnlich: Der Kreml finanziert mit den Erlösen aus dem Gasexport seine militärische Modernisierung und Aggression; mit den Leitungen schwächt er osteuropäische Länder, untergräbt er die Energieunabhängigkeit Europas. Sanktionen gegen Unternehmen, die am Bau der Leitung beteiligt sind, liegen weiterhin auf dem Tisch in Washington, zumal der Kongress für das Projekt parteiübergreifend nichts übrig hat.



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Das zweite Thema, bei dem beide Seiten nicht gänzlich vom gleichen Blatt lesen, betrifft China. Und da war es die Bundeskanzlerin, die etwas Wasser in den transatlantischen Wein goss. Merkel betonte die Wertepartnerschaft. Das aber heiße nicht, dass man in allen Punkten einer Meinung sei. Sie sprach sich für eine „europäische China-Politik“ aus – in dieser Frage gebe es mit Amerika „keine Identität“: „Das ist vollkommen klar.“ Das war Merkels Replik auf die Kritik daran, dass die EU noch vor dem Regierungswechsel in Washington und ungeachtet aller Mahnungen das Investitionsabkommen mit China geschlossen hatte.

Ist im Systemwettbewerb die Mannschaftsaufstellung dann doch nicht so klar? Die europäischen Bürger würden sich aus einem solchen Konflikt am liebsten ohnehin heraushalten. Der EU-Außenbeauftragte Borrell hatte das neulich so formuliert: „Wir wollen keine ewige Rivalität mit China, wir wollen keinen neuen kalten Krieg.“

Immerhin hatte Außenminister Blinken die europäischen Partner wissen lassen, dass die Vereinigten Staaten ihre Verbündeten in puncto China nicht zu einer Wahl „wir gegen sie“ zwingen würden. Es stehe zwar außer Frage, dass China „unsere kollektive Sicherheit und unseren Wohlstand“ bedrohe sowie die Regeln des internationalen Systems und „unsere gemeinsamen Werte“ zu untergraben suche. Das heiße aber nicht, dass Länder nicht mit China zusammenarbeiten könnten, wo das möglich sei. Blinken nannte Klimawandel und Gesundheit. Beide Felder drängen sich zwangsläufig auf.

Er hätte natürlich auch die Wirtschaft nennen können. Denn dieses Feld liegt für Europäer wie für Amerikas asiatisch-pazifische Partner so nahe wie der Klimaschutz. Nach Angaben des EU-Statistikamtes Eurostat überholte China im vergangenen Jahr die Vereinigten Staaten als wichtigster Handelspartner der EU. Während im ersten Jahr der Corona-Pandemie der Handel der EU mit dem „Rest“ der Welt zurückging, nahmen sowohl die Export nach China als auch die Importe von dort zu. Deutschland ist dabei der dominante Akteur: Es wickelte 48 Prozent des Warenaustauschs der EU mit China ab; Frankreich lag mit weniger als neun Prozent beim Export weit dahinter. Im asiatisch-pazifischen Raum ist es nicht anders. Wichtigster Wirtschaftspartner Japans und Australiens, Schlüsselpartnern Washingtons in der Region, ist China.

„Komplexe Beziehungen zu China“ – was bedeutet das?

Diese Ausrichtung auf den chinesischen Markt – anders formuliert: die wachsende Abhängigkeit davon – strahlt auf die Politik aus; und zwar nicht nur dann, wenn China vermeintliche Unbotmäßigkeit mit Boykotten ahndet. Aber es ist eben kein Selbstläufer, Partner in eine feste Koalition gegen China einzubinden. Blinken erkannte das in Brüssel insofern an, als er sagte, Washington wisse, dass unsere Verbündeten „komplexe Beziehungen zu China haben“.

Es ist diese Komplexität, die letztlich gegen Überlegungen einer umfassenden, nicht nur selektiven wirtschaftlichen Entkopplung von China und gegen ökonomische Blockbildung spricht – und damit auch einen neuen kalten Krieg weniger plausibel macht. Die Vereinigten Staaten, China und der Rest der Welt könnten sich nicht vollständig voneinander entkoppeln, wenn ihre Volkswirtschaften, Finanzmärkte und Lieferketten „irreversibel“ zusammengebunden seien, argumentieren die Politikwissenschaftler Richard Haass und Charles Kupchan.

Thomas Christensen, der an der Columbia Universität Internationale Politik lehrt, hält den „neuen kalten Krieg“ ebenfalls für eine Chimäre: Die globalisierte Welt könne nicht leicht in zwei getrennte Blöcke aufgeteilt werden; überdies führten Amerika und China nicht zwei antagonistische Allianzsysteme ins Feld, Stellvertreterkriege eingeschlossen, wie Washington und Moskau das seinerzeit getan hätten. Auch Christensen mahnt in einem Aufsatz in der Zeitschrift „Foreign Affairs“, die Regierung Biden solle ihre Partner nicht dazu zwingen, sich zwischen Amerika und China zu entscheiden.

Doch was heißt das praktisch? Die Europäer haben sich ausweislich des Investitionsabkommens für mehr Integration mit China entschlossen. Gleichzeitig verhängen sie Sanktionen gegen chinesische Funktionäre. Es ist offensichtlich: Demokratien und Autokratien liefern sich einen Wettbewerb der Systeme, in dem es Neutralität nicht geben kann. Es ist klar, in welchem Team die Europäer spielen.

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