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#IQ-Tests werden überbewertet

„IQ-Tests werden überbewertet“

Nehmen wir den Tintenfisch. Er verfügt über mehr Neuronen als eine Maus, die wiederum nicht konzen­triert in einem Gehirn, sondern auch auf seine acht Arme verteilt sind, die hierdurch recht eigenständig agieren können. Tintenfische können durch Labyrinthe navigieren, Menschen auseinanderhalten, Gläser öffnen – sie sind sozusagen die Genies unter den Weichtieren. Über Schnecken oder Venusmuscheln ist zumindest nichts Vergleichbares bekannt. Doch wie intelligent ist ein Oktopus eigentlich?

Paul Thagard ist Philosoph und Kognitionswissenschaftler, Mitglied der Royal Society in Kanada und ehemaliger Professor an der Universität Waterloo. Geschrieben hat er nun einen munteren Band mit dem Ziel, einzuordnen und greifbar zu machen, worum es sich bei Intelligenz handelt. Dies ausdrücklich vor dem Hintergrund, dass neben Menschen nicht nur Tiere darüber verfügen, sondern auch Computer zunehmend Fähigkeiten erlangen, die wir als intelligent auszeichnen.

Unser Gehirn ist nicht mehr das Maß aller Dinge

Der Titel „Bots and Beasts – What Makes Machines, Animals, and People Smart?“ deutet den originellen Ansatz an, den Thagard verfolgt. Er gibt offen zu, dass bis heute keine Definition von Intelligenz existiert, auf die sich Fachleute verständigt hätten. Das gilt übrigens ebenso für den Aspekt des „Künstlichen“. Daher nähert sich der Autor über Beispiele, erläutert anhand von sechs „Bots“, was KI-Systeme wie Alexa, IBM Watson, Googles Übersetzungsdienst, der Netflix-Empfehlungsalgorithmus, das Programm AlphaZero oder selbstfahrende Autos sind und können. Zudem erörtert er, inwiefern sich Raben, Hunde, Delphine, Schimpansen, Bienen und eben Tintenfische intelligent verhalten. Dabei wird eines ersichtlich: Intelligenz als das zu definieren, was ein IQ-Test misst, bringt wenig.

Paul Thagard: „Bots and Beasts“. What Makes Machines, Animals, and People Smart?


Paul Thagard: „Bots and Beasts“. What Makes Machines, Animals, and People Smart?
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Bild: The MIT Press

Mit diesen Beispielen illustriert Thagard eine zunehmend wichtige Perspektive gerade auch in der Diskussion um Künstliche Intelligenz: Es geht um die Frage, wie Forscher künftig vorgehen sollten, um KI-Systeme weiterzuentwickeln: Sosehr das menschliche Gehirn eine zentrale Referenz bleibt, ist es inklusive der menschlichen Sensoriken längst nicht (mehr) das Maß aller Dinge. Fledermäuse nutzen Sonar, manche Vogel- und Fischarten können elektromagnetische Signale wahrnehmen, teilweise autonom fahrende Autos (andere gibt es noch nicht) verfügen über Lidar oder GPS und können sich ebenfalls auf anderem Wege verorten und ihre Umgebung analysieren, als das Menschen vermögen.

Das Fach lebt vom Austausch verschiedener Disziplinen

Hier stellen sich weitreichende Fragen auch für die Praxis, denn die derzeit so angesagten KI-Systeme, die als künstliche neuronale Netze oder „Deep Learning“ beschrieben werden, erkennen mithilfe höchstauflösender Kameras oder entsprechender Audio-Hardware zunehmend Farben, Formen, Töne und mithin ganz allgemein Muster, die Menschen nicht einfach sehen oder hören können. Das ist eine große Chance, wenn es darum geht, Bauteile für sicherheitsrelevante Maschinen zu überprüfen, neue Molekülkonstellationen für Medikamente zu simulieren oder Verhaltensgemeinsamkeiten zu detektieren. Es ist aber auch eine Gefahrenquelle, weil die Nutzer solcher Systeme sicherstellen müssen, dass diese wiederum nicht selbst Fehler machen.

Thagard fragt indes noch weiter. Auf Basis seiner Bots- und Beast-Beispiele diskutiert er das Verhältnis von Bewusstsein und Intelligenz, Empathie und Emotionalität. Darüber hinaus gibt er Politikempfehlungen und erinnert an zwei bedeutende Erkenntnisse der KI-Forschung aus den vergangenen Jahren: Das Fach lebt von einem steten interdisziplinären Austausch zwischen Informatikern, Neurowissenschaftlern, Biologen und anderen Spezialisten. Und der Mensch, sosehr dessen Können die KI-Pioniere nach dem Zweiten Weltkrieg im Fokus hatten, ist in vielerlei Hinsicht nicht der alleinige Maßstab, wenn es um das volle Potential geht, das Computer dereinst vielleicht entfalten ­werden.

Paul Thagard: „Bots and Beasts“. What Makes Machines, Animals, and People Smart? The MIT Press,Cambridge 2021. 312 S., geb., 27,– €.

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