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#„Islam in Europa. 1000 –1250“ im Dommuseum Hildesheim

„„Islam in Europa. 1000 –1250“ im Dommuseum Hildesheim“

Eines der großen ungelösten Rätsel der Kunstgeschichte bleibt der Einsatz arabischer Schriftzeichen auf europäischen Kunstwerken des Mittelalters. Bis zu Donatellos Renaissanceskulpturen und weit darüber hinaus finden sich an den Borden von Madonnen- und Heiligengewändern, auf deren Nimben und Büchern, die sogenannten pseudokufischen Lettern oft unübersehbar mitten im Kunstwerk. Benannt sind sie nach der irakischen Stadt Kufa, deren ausgefeilte Schriftkunst etwa im fatimidischen Ägypten des zehnten Jahrhunderts große Mode war, wo diese Kalligraphie sogar Fassaden schmückte. Aber was sollen die arabisierenden Lettern auf christlichem Grund? Hätten die Künstler Maria und die Heiligen in die Zeitstimmung um Christi Geburt abteufen wollen, wären da nicht eher he­bräische Buchstaben auf den Gewändern infrage gekommen, die nicht schwieriger nachzuahmen sind als arabische? Wollte man vom elften bis dreizehnten Jahrhundert, als das Heilige Land von kürzeren Zwischenphasen abgesehen überwiegend dem arabischen Dominium angehörte, eine Art aktualisierter Atmosphäre durch das Pseudokufi erzeugen und so betonen, dass sich die Heilswahrheit immer wieder neu und eben auch in „Feindesland“ inkarniert?

Oder gab es dieses Feindesland für Länder, die keine Grenze zu arabisch besetztem Territorium hatten, gar nicht? Das zumindest wäre die Antwort des Hildesheimer Dommuseums in der mit Dutzenden von Prunkstücken aus dem Pariser Louvre, dem gerade neu eröffneten Musée de Cluny, dem Londoner Victoria&Albert-Museum und vielen weiteren Schatzhäusern bestechenden Schau „Islam in Europa. 1000–1250“. Ein zentrales Beispiel dieser rätselhaften Arabeskisierung christlicher Gestalten im Mittelalter ist dort ein eher unscheinbarer weißer Leinenstoff. Denn auf der kunstvoll in diversen Techniken bestickten Altardecke aus Stift Heiningen bei Wolfenbüttel von etwa 1260 überrascht weniger die Reihe von fünf Christus als Weltenrichter flankierenden Heiligen und seiner Mutter Maria als vielmehr die Darstellung von Sankt Nikolaus: Quer über das untere Ende seines Gewandes legt sich wie eine Schärpe eine Borde mit kufischen Buchstaben. Ob das geographische Wissen der Zeit so weit ging, den Heiligen als Bischof des kleinasiatischen Smyrna folkloral zünftig zu verorten?

Rechts außen steht Sankt Nikolaus mit seinem pseudokufischen Gewand: Bestickte Altardecke aus Kloster Heiningen, um 1260.





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Schatzausstellung Hildesheim
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Wo durch eine Kreuzigung ein arabisches Schriftband läuft

Eher scheint es, ähnlich der Ägyptenmode im Rom der Kaiserzeit nach Kleopa­tra, ein veritables Orientfieber in der abendländischen Kunst des Hochmittelalters gegeben zu haben. Die funkelnden Schatzwerke in den ersten beiden Sälen der Schau sprechen jedenfalls eine eindeutige Sprache: Schon auf dem Auftaktstück des „Bursen-Reliquiars“ aus dem zehnten Jahrhundert, dem ältesten Objekt des Hildesheimer Domschatzes, prangt wie ein übergroßer Fingerhut oder eine Leuchte obenauf eine ägyptische Schachfigur desselben Jahrhunderts aus reinstem Bergkristall. Zwar war das Spiel der Könige über die in dieser Zeit noch zu achtzig Prozent islamisch besetzte Iberische Halbinsel früh nach Europa gelangt, doch blieb schon der Name „Schach“ und erst recht das Spiel stets mit dem Orient und Indien verknüpft. Links von dem bizarren keilförmigen Reliquiar mit seinem aufmontierten Schach-Blaulicht und einem zusätzlichen roten Edelstein mit der eingravierten arabischen Inschrift „Muhammad ibn Ismail“ stehen dann auch sieben der schönsten abbasidischen Schachfiguren des Mittelalters in der Vitrine, daneben noch ein Set aus indischem Elfenbein. Überhaupt ist den luxuriösen Kunstwerken und Gefäßen aus mit Tieren, Rankenwerk oder Lettern beschnitztem Bergkristall großer Raum gewidmet. Aus dem fatimidischen Ägypten des ausgehenden zehnten Jahrhunderts stammend und ursprünglich als Behältnisse für Parfüm und andere wertvolle Essenzen verwendet, wurden sie aufgrund ihrer Kostbarkeit und Seltenheit im europäischen Mittelalter meist als Reliquienbehälter umgenutzt. Noch Luther besaß einen solchen kristallenen „Hedwigsbecher“, als legendarisches Gefäß der hochverehrten Patronin Schlesiens so bezeichnet.

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