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#Jetzt heißt es wieder links gegen rechts

Jetzt heißt es wieder links gegen rechts

In entscheidenden Momenten kehrt er dorthin zurück, wo sein politischer Aufstieg begann: zum Gewerkschaftssitz der Metallarbeiter in São Bernardo do Campo, einer Arbeitervorstadt von São Paulo. Von dort aus war Luiz Inácio Lula da Silva vom Gewerkschaftsführer zum einflussreichsten Linkspolitiker des Landes und zum Präsidenten Brasiliens aufgestiegen – ehe sein Image einen schweren Schaden erlitt. In São Bernardo do Campo liegen seine Wurzeln; und die, will er damit zeigen, hat er nicht vergessen. Zwei seiner Auftritte sind im Gedächtnis geblieben: der Besuch vor seiner Festnahme im Jahr 2018 und der Besuch nach seiner Freilassung, 580 Tage später. Am Dienstag dann erschien Lula, wie der mittlerweile 75 Jahre alte Politiker in Brasilien kurz genannt wird, ein drittes Mal am Gewerkschaftssitz. Ein Zeichen, dass etwas Besonderes geschehen war. Lula hat etwas zu feiern.

Tjerk Brühwiller

Am Tag zuvor hatte der Oberste Richter Edson Fachin entschieden, alle Korruptionsurteile gegen ihn zu annullieren. Damit kann der frühere Präsident im kommenden Jahr wieder bei der Präsidentenwahl antreten. Für Lula ein großes Geschenk. Denn schon vor der Entscheidung hatte er angekündigt, im Jahr 2022 noch einmal kandidieren zu wollen, um den rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsonaro aus dem Amt zu drängen. Lula hätte wohl gute Chancen: Eine Umfrage zeigte kürzlich, dass er ein größeres Wählerpotential besitzt als sein Widersacher und weniger Brasilianer ihn ablehnen.

Kaum Raum für die politische Mitte

Die Entscheidung des Richters ist eine mit Sprengkraft. Brasilien droht eine noch stärkere Polarisierung als ohnehin schon. Viele prognostizieren schon eine Stichwahl zwischen Bolsonaro und Lula. Bei aller Abneigung – die beiden Männer brauchen einander, um ihre Wähler zu mobilisieren. Präsident Bolsonaro kritisierte das Urteil von Fachin umgehend und sagte, niemand sehne sich nach einem Kandidaten wie Lula. Allen sei klar, was die Regierung von Lulas Arbeiterpartei während seiner Amtszeit zwischen 2003 und 2011 verbrochen habe. Was Brasiliens Präsident nicht sagt, ist, dass ihm Lulas Rückkehr gelegen kommt. Denn schon als Bolsonaro im Jahr 2018 die Wahl gewann, gelang ihm das vor allem, weil er den Brasilianern als Gegenpol zu dessen Arbeiterpartei galt.

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In Brasilien heißt es nun also vermutlich wieder links gegen rechts. Raum für Kandidaten aus der politischen Mitte bleibt da kaum. Brasilien dürfte nun bereits anderthalb Jahre vor der Wahl in einen aufgeladenen Wahlkampf rutschen – und das auf dem Höhepunkt der Pandemie mit mehr als einer Viertelmillion Covid-19-Toten und inmitten einer Wirtschaftskrise. Die Märkte reagierten angesichts dieses Szenarios verschreckt. Der Leitindex der Börse in São Paulo büßte am Montag fast vier Prozent ein, die Landeswährung verlor gegenüber dem amerikanischen Dollar weiter an Boden.

Noch ist in dem Fall aber nicht das letzte Wort gesprochen. Das Urteil wird von der Generalstaatsanwaltschaft angefochten und muss noch vom Plenum des Obersten Gerichtshofes beurteilt werden. Ein Termin dafür steht nicht fest. Der Oberste Richter Fachin argumentierte, dass nicht das Gericht im Bundesstaat Paraná für den Prozess gegen Lula zuständig gewesen sei, sondern die Justiz im Bundesdistrikt Brasília. Von Paraná aus wurden praktisch alle Ermittlungen und Prozesse der sogenannten Operation Lava Jato geführt. Von 2015 an wurden ein gewaltiges Korruptionsnetzwerk um den staatlichen Erdölkonzern Petrobras aufgespürt und mehr als 160 Politiker und Unternehmer verurteilt. Und mit ihnen auch Lula, der Präsident war, als das Korruptionsnetzwerk sein Unwesen trieb. Der Skandal erschütterte Brasilien.

Rettet die Präsidentenwahl Lula?

Konkretes hatten die Ermittler nur wenig gegen Lula in der Hand. Dennoch war er wegen Korruption und Geldwäsche angeklagt worden, weil er von Bauunternehmen begünstigt worden sein soll. Nachdem Lula im Jahr 2018 verurteilt worden war, wurde er auch verhaftet – und das kurz vor der Präsidentenwahl, bei der er gute Chancen gehabt hätte.

Lula sprach schon damals von einem politischen Prozess, um ihn von der Wahl auszuschließen. Der Vorwurf wurde in den vergangenen Monaten durch gehackte Nachrichten zwischen den Staatsanwälten und dem zuständigen Richter bestärkt. Die Nachrichten legen den Schluss nahe, dass es zu Absprachen zwischen Ankläger und Richter gekommen war und beide Seiten darauf bedacht waren, den früheren Präsidenten rasch hinter Gitter zu bringen.

Die Glaubwürdigkeit der Operation Lava Jato hatte schon 2018 gelitten. Damals machte Bolsonaro Sergio Moro zum Justizminister, ausgerechnet jenen Richter, der Lula in erster Instanz verurteilt hatte. Die abgefangenen Nachrichten zwischen Moro und den Staatsanwälten lösten eine Debatte um die Neutralität der Urteile im Zuge der Operation Lava Jato aus. Nun beschäftigt sich das Oberste Gericht mit der Frage.

Die von Richter Fachin beschlossene Annullierung der Urteile gegen Lula stützt sich jedoch auf die generelle Zuständigkeit des Gerichts und nicht auf die Rolle von Richter Moro, der im vergangenen Jahr von seinem Ministeramt zurücktrat. Würde das Oberste Gericht Moros Neutralität in Frage stellen, hätte das weitreichende Folgen. Die Annullierung einer ganzen Reihe von Urteilen könnte folgen.

Sollte der Prozess gegen den früheren Präsidenten neu aufgerollt werden, könnte die nächste Präsidentenwahl Lulas finale Rettung sein – sofern er sie gewinnt. Denn dann würde er Immunität genießen.

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