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#In den besten Köpfen stecken Jazz und Sex und Suppe

„In den besten Köpfen stecken Jazz und Sex und Suppe“

Lässt sich bei diesem Autor Lyrik von Prosa eigentlich unterscheiden? War nicht alles Lyrik, was Allen Ginsberg, der Guru der Beatdichter, in die Schreib­maschine gehackt, auf öffentlichen Plätzen gesungen, im Rausch oder im Halbschlaf vor sich hin gesagt hat? So könnte man meinen, aber Ginsberg hat doch schon selbst zwischen Genres unterschieden. Zur Entstehung seines Epochengedichts „Howl“ hat er einmal geschrieben, der erste Teil sei nicht als Lyrik gedacht gewesen. „I began typing, not with the idea of writing a formal poem, but stating my imaginative sympathies, whatever they were worth.“ Aus diesen „imaginativen Sympathien“ oder vielmehr auch Antipathien wurde die Wut-Suada gegen ein als spießig, bigott und repressiv empfundenes Amerika, das die „besten Köpfe meiner Generation“ irre gemacht und so zerstört hat.

Fortgesetzt und abgeschlossen wurde „Howl“ aber dann doch mit der Vorstellung eines Gedichts – und dessen Vortrag im Oktober 1955 in San Francisco machte Ginsberg über Nacht berühmt. Es wurde „The Poem that Changed America“ – so der durchaus nicht übertriebene Titel eines Bandes, in dem fünfzig Jahre später dessen grundstürzende Effekte auf Lyrik, Popmusik, Literaturwissenschaft und Ge­­sellschaft festgehalten wurden. Vivian Gornick sieht es wie manch andere als Fortführung von Walt Whitmans „Leaves of Grass“, als Gedicht, das im Sinne Ezra Pounds die Sprache völlig erneuert habe mit seinen stakkatohaften Phrasen, wilden Juxtapositionen, mal mit der Stimme des Dichters, dann mit der des Hipsters vorgetragen.

Zwei Deutsche in Lederjacken

Auch in Deutschland, so zeichnet der Herausgeber der vorliegenden zwei Bände noch einmal nach, schlug „Howl“ schnell ein und ebnete den Weg für die Begeisterung durch Beatdichtung – weil zwei deutsche Schriftsteller in Lederjacken einen Abstecher von Amsterdam nach Paris machten. Dieser Besuch von Günter Grass und Walter Höllerer im legendären „Beat-Hotel“, wo „Ginsberg, Burroughs, Corso und zeitweise Kerouac auf engstem Raum zusammenwohnten“, habe mit dafür gesorgt, so Michael Kellner, „dass die Beat-Literatur schon in den frühen sechziger Jahren auf Deutsch vorlag“.

„Howl“ wurde zuerst von Wolfgang Fleischmann und Rudolf Wittkopf übersetzt als „Das Geheul“. Einflussreicher aber wurde die spätere Übersetzung von Carl Weissner, der ja zur deutschen Stimme der Beatliteratur sowie auch der Prosa eines Charles Bukowski geworden ist und dessen Bedeutung für einen bestimmen Sound und Duktus von Gegenwartssprache nicht nur um 1968, sondern noch heute kaum hoch genug einzuschätzen ist.

Allen Ginsberg: „Lyrik/Poetry“. Hrsg. von Michael Kellner.


Allen Ginsberg: „Lyrik/Poetry“. Hrsg. von Michael Kellner.
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Bild: Blumenbar Verlag

Von daher darf man auch die Frage stellen, ob es nach Weissner überhaupt noch einer Neuübersetzung von „Howl“ bedurfte. Wenn sie von dem österreichischen Schriftsteller und Dichter Clemens J. Setz stammt, wird die Sache freilich interessant, denn der aktuelle Büchnerpreisträger ist seinerseits ein eigentüm­licher Übersetzer, wie man vor Kurzem in Darmstadt hören konnte. Zu Beginn unterscheidet er sich kaum von Weissner. „Ich sah die besten Köpfe meiner Generation, zerstört vom Wahnsinn, hungernd, hysterisch und nackt“: Das ist fast identisch, nur dass es bei Weissner „ausgemergelt“ hieß. Aus dem „angry fix“, den diese Leute suchen, macht Setz einen „elenden Schuss“, was vielleicht eleganter ist und besser passt als eine „wütende Spritze“ (Weissner), aus dessen „Negerstraßen“ macht Setz „Schwarzenviertel“. Im Großen und Ganzen kann und muss er Weissner nicht übertreffen bei dem Versuch, die „Sehnsucht nach Jazz oder Sex oder Suppe“ unter einen Hut zu bringen – interessant sind allenfalls Unterschiede wie „Vision vom vollkommenen Fick“ (Weissner) und „letzter Fickspasmus“ (Setz). Beide neigen, selbst bei im Original einmal süßlicherer Sprache, zur derben Übersetzung.

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