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#Kachowka-Staudamm: Die Umweltfolgen der Zerstörung

Am 6. Juni 2023 zerstörte eine Explosion im Rahmen des Russland-Ukraine-Kriegs den Kachowka-Staudamm in der Südukraine. Die Wassermassen überschwemmten Wohngebiete, landwirtschaftliche Flächen sowie zahlreiche geschützte Biotope. Eine Studie hat nun die ökologischen Auswirkungen des Staudammbruchs untersucht. Demnach sind mehr als eine halbe Million Hektar geschützter Lebensräume und zahlreiche bedrohte Tierarten betroffen. Die Erhebung könnte dabei helfen, nach Ende des Krieges die biologische Vielfalt wieder aufzubauen.

Der Kachowka-Staudamm im Süden der Ukraine staute den Fluss Dnipro auf und bildete einen riesigen Stausee mit einem Fassungsvermögen von mehr als 18 Milliarden Kubikmetern Wasser. Der Stausee speiste ein Wasserkraftwerk, versorgte Städte und Landwirtschaft mit Wasser und lieferte die Kühlung für das Atomkraftwerk Saporischschja. Zum Zeitpunkt der Zerstörung befand sich der Staudamm unter russischer Kontrolle. Während sich beide Seiten gegenseitig die Schuld für die Zerstörung geben, legen westliche Untersuchungen nahe, dass Russland den Staudamm sprengte. In Folge des Staudammbruchs war die Wasser- und Stromversorgung zehntausender Menschen gefährdet und es entstanden Schäden in Milliardenhöhe.

Untersuchung kurz nach der Katastrophe

Auch für die Umwelt waren die Folgen verheerend. Flussabwärts des Dnipro bis hin zu seiner Mündung ins Schwarze Meer befanden sich mehrere Naturschutzgebiete und Nationalparks mit einer teils einzigartigen Tier- und Pflanzenwelt. „Die Bewertung des Verlusts an Lebensraum und biologischer Vielfalt in aktiven Konfliktgebieten ist eine große Herausforderung“, schreibt ein Team um Bryan Spears vom UK Centre for Ecology & Hydrology in Schottland. Dennoch gelang es den Forschenden, bereits wenige Tage nach dem Staudammbruch unabhängige Analysen vorzunehmen.

Dazu kombinierten sie hydrologische und digitale Modellierung mit Satellitenbildern sowie Daten über die ökologischen Besonderheiten der Region. Auf diese Weise identifizierten sie, welche geschützten Lebensräume und Arten von dem Dammbruch betroffen waren. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse in einem Bericht für das britische Foreign, Commonwealth and Development Office (FCDO). Eine Zusammenfassung publizierte das Forschungsteam zudem in der Fachzeitschrift Nature Ecology & Evolution.

Lebensräume zerstört und kontaminiert

„Die hydraulische Modellierung zeigt, dass 83.000 Hektar Land überschwemmt wurden“, berichtet das Team. „Innerhalb des Überschwemmungsgebiets ermittelten wir 1.087 potenzielle Verschmutzungsquellen, darunter Kläranlagen, Tankstellen, Mülldeponien und Industrieanlagen.“ Zusätzlich wurden wahrscheinlich Schadstoffe aus den abgetragenen Bodenschichten freigesetzt. Da die Schadstoffe bis in Schwarze Meer gespült wurden, gefährden sie auch dort das empfindliche Ökosystem. „Insgesamt betrifft der Dammbruch mehr als eine halbe Million Hektar an Lebensräumen von internationaler Schutzbedeutung“, schreiben die Forschenden. Dazu zählen sowohl die überschwemmten, zerstörten und kontaminierten Gebiete flussabwärts, als auch Regionen flussaufwärts, die durch das Leerlaufen des Stausees unter Wassermangel leiden.

„Die betroffenen Lebensräume sind Teil des Verbreitungsgebiets von 567 Arten, die in der Roten Liste bedrohter Arten aufgeführt sind; 28 dieser Arten werden mindestens als gefährdet eingestuft“ erklären Spears und sein Team. Dazu zählen unter anderem der Sakerfalke, der europäische Nerz, der akut vom Aussterben bedrohte Große Brachvogel, sowie mehrere Fischarten. „Der Kachowka-Stausee war der Lebensraum von 43 Fischarten“, so das Team. 20 dieser Arten wurden auch kommerziell genutzt, darunter auch Karuschen, eine beliebte Karpfenart, von der geschätzt 28.000 Exemplare mit einem Handelswert von rund 108 Millionen US-Dollar im See lebten.

Grundlage für die Wiederherstellung

„Wir hoffen, dass unsere Bewertung eine Grundlage für die Beurteilung der Auswirkungen der Zerstörung des Kachowka-Staudamms auf die biologische Vielfalt und die Lebensräume sowie deren Wiederherstellung darstellt“, sagt Spears. „Es ist nun wichtig, dass die Ergebnisse dieser und anderer Bewertungen von der breiteren wissenschaftlichen Gemeinschaft eingehend geprüft werden, damit die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt frühzeitig in die Wiederherstellungsplanung nach dem Konflikt einbezogen werden kann.“

Quelle: Bryan Spears (UK Centre for Ecology & Hydrology, Penicuik, UK) et al., Nature Ecology & Evolution, doi: 10.1038/s41559-024-02373-0

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