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#„Kann gut sein, dass die deutsch-türkische Community den Ausschlag gibt“

Frau Güler, Sie waren vergangene Woche im Erdbebengebiet in der Türkei. Wie ist die Lage dort zweieinhalb Monate nach der Katastrophe?

Nur zwei Beispiele: In Antakya, einer Stadt mit einer wirklich beeindruckenden kulturellen, religiösen Geschichte, sind 90 Prozent des kulturellen Erbes zerstört. 90.000 Gebäude sind zerstört, mindestens 400.000 Menschen haben ihr Heim und 21.000 ihr Leben verloren. Wie dramatisch die Lage ist, macht auch deutlich, dass wir viele Kinder getroffen haben, die seit dem 6. Februar noch nicht wieder in der Schule waren. Zugleich aber wird überall angepackt. Es heißt, 80 Prozent des Schutts seien bereits weggeräumt.

Ihre Reise fand einen Monat vor der Wahl in der Türkei statt, bei der sich Präsident Erdogan abermals bestätigen lassen will. Ist im Katastrophengebiet überhaupt Wahlkampf möglich?

Nicht sichtbar. Es hängen kaum Plakate, sonst sind die Städte zugekleistert. Es gibt jetzt zu Ramadan die Zusammenkünfte zum Fastenbrechen, die natürlich auch für Wahlkampfreden genutzt werden, aber es ist – zumindest vor Ort – alles kleiner als sonst. Man kann allerdings annehmen, dass es auch dem Wahlkampf geschuldet ist, dass vieles doch vergleichsweise schnell vorangeht: die Straßen frei zu machen, den Menschen wenigstens schon mal in Zeltlagern oder Containerstädten eine Unterkunft zu schaffen. Der türkische Halbmond – bei dem es sich anders als bei seinem Pendant Deutsches Rotes Kreuz um eine Regierungsorganisation handelt – gibt allein in der Provinz Hatay täglich Essen für 900.000 Menschen aus. Auch der Bau von neuen Häusern hat tatsächlich mancherorts schon begonnen.

Serap Güler ist CDU-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung.


Serap Güler ist CDU-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung.
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Bild: dpa

In vielen Berichten ist davon die Rede, die Unzufriedenheit mit Erdogan sei groß, nie sei die Chance besser gewesen, ihn abzuwählen. Haben Sie das auch so wahrgenommen?

Vor der Reise war ich selbst überzeugt, dass dieses Erdbeben das Ende der Ära Erdogan markiert. Nach vielen Gesprächen in der Erdbebenregion rate ich bei der Bewertung zur Vorsicht. Es ist nicht sicher, dass es in der Türkei zum Machtwechsel kommt. Wir haben auf unserer Reise auch Oppositionspolitiker getroffen, die eingeräumt haben: Bei aller Kritik am Krisenmanagement Erdogans, das hier ist eine Jahrtausendkatastrophe. Ob eine andere Regierung das besser hinbekommen hätte, sei fraglich. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass der Präsident in den letzten Jahren alles so sehr auf sich zugeschnitten hat, dass nur ein Wort von ihm genügt, um bestimmte Hebel in Gang zu setzen, was er aktuell natürlich extrem nutzt. Hinzu kommt bei vielen das Gefühl, aus so einer Katastrophe könne nur jemand mit langjähriger Erfahrung herausführen. Es ist nicht so, dass man die Schuld für die Katastrophe, die vor allem durch das Einstürzen der Gebäude entstanden ist, nur einer Person oder einer Partei zuschiebt.

Am Gründonnerstag haben Unbekannte Schüsse auf die Zentrale der größten türkischen Oppositionspartei CHP abgefeuert, die mit Cemal Kilicdaroglu auch den Erdogan-Herausforderer stellt. War das womöglich nur der Auftakt für eine gewaltsame Wahlkampf-Schlussphase?

Das kann sein, zumal es nicht der einzige Anschlag war. Auch auf das Gebäude einer anderen Oppositionspartei gab es einen Angriff. Es ist leider in der Türkei keine Seltenheit, dass vor Wahlen etwas passiert, was nicht nur die Opposition, sondern viele Menschen im Land einschüchtern soll.

Kilicdaroglu tritt für ein Sechs-Parteien-Oppositionsbündnis an. Was ist für Erdogan gefährlicher: Dieses Sechser-Bündnis oder die galoppierende Inflation in der Türkei, der wirtschaftliche Niedergang?

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