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#Kassen schlagen Alarm: Nach Lauterbachs Reform könnten 280 Rettungszentren fehlen.

Nach Lauterbachs Reform könnten 280 Rettungszentren fehlen, warnen die Kassen. Ein Sechstel der Bürger müsste länger als dreißig Minuten fahren.

Die deutsche Notfallversorgung gilt selbst als Notfall. Sie leidet unter Personalmangel, Kompetenzgerangel, uneinheitlichen Qualitätsanforderungen, finanziellen Fehlanreizen und unter unnötigen Einsätzen. Rettungsdienste berichten, dass ein Drittel ihrer Fahrten Bagatellfälle seien. Es gibt regelrechten Missbrauch, indem die Rettungswagen als kostenlose Taxis zweckentfremdet werden, um von der Peripherie in die Stadt zu kommen. Die vermeintlichen Patienten stiegen dann an für sie geeigneter Stelle aus, berichtet ein Verantwortlicher. Angezeigt und verfolgt würden diese Vorfälle aufgrund des hohen Aufwands in der Regel nicht.

Christian Geinitz

Wirtschaftskorrespondent in Berlin

Die meisten Bagatellfälle entstünden aber, weil Erkrankte keine Arzttermine bekämen und deshalb „aus Frust und Verzweiflung“ den Notdienst konsultierten. Oft sind die Gründe auch Sprachbarrieren und Unkenntnis: Den wenigsten Bürgern sei die Telefonnummer des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes 116117 bekannt, weshalb sie den Notruf wählten.

Dabei ist die Arbeitsteilung eigentlich klar: In lebensbedrohlichen Fällen ist der Rettungsdienst unter 112 zuständig. Die 116117 dient hingegen außerhalb der Sprechstunden solchen Erkrankungen, mit denen man normalerweise eine Praxis aufsuchen würde, deren Behandlung aber nicht bis zum nächsten Tag warten kann.

Der Bund und die Länder

Seit Jahren versucht sich die Politik an einer Reform des Notfalldienstes. Zuletzt ist Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) damit gescheitert, jetzt hat sich sein Nachfolger Karl Lauterbach (SPD) des Themas angenommen. Die Neuordnung, zu der seine Regierungskommission Vorschläge unterbreitet hat, ist kompliziert, weil für den ambulanten Notdienst die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV), der Gemeinsame Bundesausschuss und somit letztlich Berlin zuständig sind.

Krankentransporte und die Notfallversorgung der Kliniken fallen indes in die Zuständigkeit der Bundesländer. Der Rettungsdienst als Leistungsanspruch ist nicht einmal als eigenständige Norm im Sozialgesetzbuch V verankert, was Lauterbach ändern will.

An den Vorschlägen seiner Kommission melden die Krankenkassen jetzt Verbesserungen an. Diese zielen insbesondere auf die geplanten Integrierten Notfallzentren (INZ) ab, welche die ambulante und stationäre Versorgung koordinieren sollen. Kernelement der INZ ist eine Ersteinschätzungsstelle, die von der zuständigen Klinik und der örtlichen Kassenärztlichen Vereinigung gemeinsam betrieben werden soll. Dieser sogenannte Tresen bewertet die zentral eingehenden Fälle computergestützt nach einheitlichen Kriterien und ordnet die Behandlung je nach Schwere der richtigen Stelle zu: entweder der Notaufnahme des Krankenhauses oder einer Notdienstpraxis der KV.

Laut Regierungskommission sind in Deutschland 450 solcher Integrierter Notfallzentren nötig. Gemäß neuen Berechnungen des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) reicht das aber bei Weitem nicht aus: „Das würde dazu führen, dass 12 Millionen Menschen oder 15 Prozent der Bevölkerung länger als 30 Minuten fahren müssten, um das nächste INZ zu erreichen“, sagte Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstandsmitglied im GKV-Spitzenverband, der F.A.Z. „Für eine bedarfsgerechte Notfallversorgung brauchen wir in Zukunft rund 730 Integrierte Notfallzentren deutschlandweit.“ Das wären 62 Prozent mehr als bisher geplant.

„Erhebliche Überkapazitäten“ in den Städten

Der Verband begrüßt die Reformansätze im Kern: Leichtere Fälle kämen künftig in die Notfallpraxis, gravierende in die klinische Notaufnahme. Der Tresen diene als zentraler Anlaufpunkt für die Patienten und als Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. So richtig die Kommissionsvorschläge seien, sprängen sie aber zu kurz. Denn sie sähen vor, INZ grundsätzlich in allen Kliniken einzurichten, die über eine „umfassende“ oder eine „erweiterte Notfallstufe“ verfügten.

Hingegen dürfe nur in Einzelfällen und nach unklaren Kriterien die unterste Kategorie der „Basisnotfallstufen“ einbezogen werden. Diese Dreiteilung folgt den Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) je nach personeller und technischer Ausstattung der Kliniken.

Zur besseren Justierung hat der Spitzenverband ein neues Papier mit dem Titel „Bedarfsgerechte Planung und Ausstattung von Integrierten Notfallzentren“ erstellt, das der F.A.Z. vorliegt. Darin bemängelt er, dass die Konzentration auf die zwei höchsten Notfallstufen einerseits zu „erheblichen Überkapazitäten“ in den Städten und andererseits zu einer Unterversorgung auf dem Land führen könnte.

Pauschale Festlegungen je nach Stufe wiesen in die Irre, eher müsse der tatsächliche Versorgungsbedarf ermittelt werden. „Entscheidend ist eine bessere Verteilung in ländlichen Gebieten, damit für alle Menschen ein Integriertes Notfallzentrum in erreichbarer Nähe liegt“, so Stoff-Ahnis. „Gleichzeitig ist der Überversorgung in Ballungsräumen zu begegnen, allein schon, um nur die Fachkräfte zu beschäftigen, die wirklich gebraucht werden.“

Ausgehend von 730 INZ, sollte man 550 in den Kliniken schon vorhandene Notdienstpraxen nutzen, 180 wären zusätzlich nötig. Zudem müssten mehr dieser Praxen auch tagsüber öffnen, also zu normalen Sprechzeiten.

Der Spitzenverband mahnt überdies bundeseinheitliche Kriterien an: zu Mindeststandards für die personelle und technische Ausstattung sowie zu den Öffnungszeiten der Notpraxen. Da diese dem Sicherstellungsauftrag der Kassenärzte unterlägen, sei der GBA zuständig, womit man nicht in die Länderhoheit zur Klinikplanung eingreife. Im GBA sitzen neben dem Kassenärztlichen Bundesverband und der Deutschen Krankenhausgesellschaft auch die Kassen selbst.

Die neue Simulation des GKV-Verbands sieht für die Notpraxen maximal zwei Ärzte in der Basisnotfallstufe vor und bis zu fünf in den anderen Stufen. Ein Betrieb rund um die Uhr in 1000 Kliniken sei „nicht wirtschaftlich abbildbar“: Der Einsatz von bis zu 7000 Ärzten sei angesichts des Personalmangels völlig unrealistisch.

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