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#Katholische Kirche wendet sich gegen Verfassungsmodernisierung in Irland

Politik und Gesellschaft wollen die Bestimmungen zu Familie und Pflege in der irischen Verfassung modernisieren. Nur die katholische Kirche wagt Widerspruch.

Es ist den katholischen Bischöfen in Irland zu danken, dass die beiden Volksabstimmungen, zu denen die irische Bevölkerung an diesem Freitag aufgerufen ist, ein weniger sicher vorhersagbares Ergebnis haben werden als anfangs gedacht. In beiden Voten geht es um Änderungen an der irischen Verfassung, beide sollen gesellschaftlich gewandelte Auffassungen über soziales Zusammenleben und Geschlechterrollen nachvollziehen. Die erste Änderung betrifft die Definition von Familie. Im bisherigen Text wird die Ehe als Fundament der Familie erwähnt.

Künftig soll es stattdessen heißen, die Familie könne auf die Ehe oder „andere dauerhafte Verbindungen“ gegründet sein. Nicht verändert wird die hervorgehobene Stellung der Familie „als die natürliche und grundlegende Einheit der Gesellschaft und als eine moralische Institution, die unabdingbare und unveräußerliche Rechte besitzt, die älter sind und höher stehen als alle Gesetzgebung“.

Die zweite Änderung streicht die bisherige Rollenbeschreibung der irischen Hausfrau, die bisher mit „ihrem Leben im Hause“ gewürdigt wurde, mit dem sie „dem Staat eine Unterstützung gebe, ohne die die allgemeine Wohlfahrt nicht erreicht“ werden könne. Daraus entwickelte sich bislang für den Staat die Verpflichtung, „sicherzustellen, dass Mütter nicht aus wirtschaftlichen Gründen zur Erwerbsarbeit gezwungen sind und ihre Pflichten im Haus vernachlässigen“. Künftig soll an diese Stelle ein Passus treten, der allgemein die Bedeutung familiärer Fürsorge und Pflege ausdrückt, die gegenseitig geleistet werde „von Familienmitgliedern oder anderen aufgrund der Bande, die zwischen ihnen bestehen“.

Modernisierungsschritt der Gesellschaft

Die beiden Verfassungsänderungen markieren einen dritten gesellschaftlichen Modernisierungsschritt in Irland. 2015 wurden mit einer Zustimmung von weit mehr als 60 Prozent gleichgeschlechtliche Ehen in Irland mit dem Schutz der Verfassung versehen, drei Jahre später votierten zwei Drittel derer, die ihre Stimme abgaben, für die Abschaffung des verfassungsrechtlich verankerten Abtreibungsverbotes.

Auch für die beiden neuen Anpassungen des Verfassungstexts maßen Demoskopen in Irland zunächst hohe Zustimmungswerte von bis zu 60 Prozent der Befragten. Beide Änderungen waren vor drei Jahren von einem Bürgerrat (Citizens’ Assembly), einer zufällig, aber gesellschaftlich divers ausgewählten Beratungsgruppe, vorgeschlagen worden, die sich allgemein mit der Geschlechtergleichheit in Irland befasste.

Die irische Regierung, die gegenwärtig von einer Koalition der beiden einst gegensätzlichen Parteien Fianna Fáil und Fine Gael gemeinsam mit den Grünen gebildet wird, nahm die Anregungen auf, verabschiedete die Formulierungen im Parlament und legte das Datum der Referenden bewusst auf den Internationalen Frauentag am 8. März. Den Aufrufen für ein positives Votum („yes-yes“) schlossen sich auch die oppositionelle Labour-Partei und die irischen Sozialdemokraten an; die katholische Sinn Féin entschied sich nach langem Zögern ähnlich, gab dabei aber an, sie würde den neuen Passus zur Pflege nochmals ändern wollen, wenn sich ihr die Möglichkeit böte.

In der irischen Zivilgesellschaft plädierten die meisten Gruppierungen, etwa der Nationale Frauenrat, die Studentenvereinigungen und der Pflegeverband, für eine Zustimmung zu den Änderungen, einige Vereinigungen, etwa das konservativ-christliche Iona-Institut, äußerten sich hingegen ablehnend. Die wuchtigste ablehnende Position äußerte schließlich vor knapp zwei Wochen die irische katholische Kirche. Die katholischen Bischöfe ließen in den Sonntagsmessen einen Kanzelbrief verlesen, der dazu aufrief, gegen beide Verfassungsänderungen zu stimmen.

Bischöfe kritisieren geplante Änderungen

Die Bischöfe argumentieren, die geplante Streichung der Aussage, dass die Ehe das Fundament der Familie bilde, werde für junge Leute den Anreiz mindern, zu heiraten. Die Ehe bringe Stabilität in die Familie und in die Gesellschaft, sie verdiene daher den besonderen Schutz des Staates, hieß es weiter in dem Bischofsbrief. Überdies bemängelt die Kirche, der Begriff „dauerhafte Verbindung“, der künftig im Verfassungstext neben die Ehe gestellt wird, sei „umhüllt von legaler Unbestimmtheit und offen für weitreichende Interpretationen“. In Bezug auf die zweite Verfassungsänderung lautet die Kritik, dass mit der Erwähnung der Rolle der Frau im Hause gleich auch die „Bedeutung von Müttern in Ehe und Gesellschaft gestrichen werden“ solle.

Der Dubliner Erzbischof Dermot Farrell äußerte sich wenige Tage später konzilianter. Er rief allgemein die Bevölkerung auf, sich an der Abstimmung zu beteiligen, und gab an, egal wie die Entscheidung ausfalle, auch künftige Regierungen würden die Verpflichtung haben, die Institution der Ehe zu schützen und pflegebedürftige Personen und ihre Familien zu unterstützen.

Die Direktorin des irischen Nationalen Frauenrates, Orla O’Connor, deutete in einer Replik auf die Stellungnahme der Kirche nur an, dass deren langes Festhalten an alten, religiös motivierten Rollenbildern – etwa dem Umgang mit ledigen Müttern – in Irland viele Leidensgeschichten erzeugte. Sie sagte, ein „Ja“ in den beiden Abstimmungen „ist ein großer Schritt weg von der dunklen Vergangenheit“. Und sie fragte: „Wollen wir wirklich, dass unsere jungen Frauen und Mädchen in einem Irland aufwachsen, in dem ihnen die Verfassung noch immer mitteilt, dass ihr wichtigster Platz, ja ihr ‚Leben‘, am Herd sei?“

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