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#Keine Spuren eines Unbekannten

Keine Spuren eines Unbekannten

Als Christiane K. am frühen Montagnachmittag in den Gerichtssaal geführt wird, trägt sie eine FFP2-Maske, den Rest ihres Gesichts aber bedeckt sie nicht. Ein, zwei Minuten lang können die Fotografen und Kameraleute also Bilder von ihr machen, bis der Vorsitzende Richter Jochen Kötter die Hauptverhandlung eröffnet. Als sich K. setzt, nimmt sie die Maske ab. Die Angeklagte ist eine zierliche Frau mit schulterlangen blonden Haaren und mädchenhaft makellosen Zügen. Die Staatsanwaltschaft Wuppertal wirft der Achtundzwanzigjährigen vor, ein furchtbares Verbrechen begangen zu haben. Am 3. September soll sie in ihrer Wohnung in Solingen-Hasseldelle fünf ihrer sechs Kinder heimtückisch umgebracht haben. Ein mögliches Motiv nennt Staatsanwalt Heribert Kaune-Gebhardt in der Kurzversion der Anklage, die er am Montag vorträgt, nicht.

In den Vernehmungen während der Ermittlungen hat Christiane K. darauf bestanden, ihre Kinder nicht getötet zu haben. Ein unbekannter, mit einer OP-Maske maskierter Mann habe sie gefesselt und geknebelt, um dann die Kinder umzubringen. Doch die Ermittler fanden keine Spuren und Ansatzpunkte, die auf ein solches Geschehen hindeuten könnten. Dagegen stießen sie auf vielfältige Hinweise, die die junge Mutter schwer belasten.

Folgt sie dem Geschehen wirklich?

Als ihr elfjähriger Sohn Marcel, der Älteste, am Morgen jenes Tages in der Schule war, soll die Angeklagte ihren fünf anderen Kindern „im Rahmen einer üblichen Frühstückssituation“ im Zeitraum zwischen 7.20 Uhr und 11.30 Uhr jeweils hohe Dosen eines Cocktails der Medikamente Vomex, Vomacur und Nurofensaft in die Getränke gerührt haben, trägt der Staatsanwalt vor. Wie von ihr beabsichtigt, seien die Kinder rasch weggedämmert. Christiane K. soll dann ein mobiles Heizlüftgerät im Badezimmer aufgestellt, Wasser in die Wanne gelassen und Spielzeug bereitgelegt haben. Als Erstes nahm K. laut Anklage die noch nicht einmal ein Jahr alte Melina aus ihrem Bettchen, legte sie in die Wanne, um sie dort vermutlich mit einem Kissen zu ersticken. Dann legte sie das tote Baby zurück und brachte Leonie (2), dann Sophie (3), danach Timo (6) und schließlich Luca (8) auf dieselbe Weise um. Gerichtsmediziner stellten an den kleinen Leichnamen diverse Verletzungen wie Einblutungen fest, die darauf hindeuten, dass die Kinder versuchten, sich im Todeskampf zu wehren. Doch wegen des verabreichten Medikamentencocktails konnte die zierliche K. den „geringfügigen Widerstand überwinden“, trägt Kaune-Gebhardt vor. K. hört sich die Anklageverlesung äußerlich regungslos an. Erst als der Staatsanwalt fertig ist, wischt sie sich Tränen aus den Augen. Weder zu den Vorwürfen noch zu ihrer Person will K. am ersten Verhandlungstag aussagen. Sie selbst teilt das dem Gericht nicht mit, es sind ihre Anwälte, die dann noch ein Antragsgeplänkel beginnen. Mit durchgedrücktem Kreuz sitzt die junge Frau auf der Anklagebank. Aber folgt sie dem Geschehen wirklich?

Als Melina, Leonie, Sophie, Timo und Luca tot waren, soll K. in Marcels Schule angerufen haben. Es gebe einen Todesfall in ihrer Familie, man möge ihr bitte den Jungen schicken. Dem Jungen erzählte sie, seine Geschwister wären in einem Taxi unterwegs gewesen, das von einem Lastwagen gerammt worden sei. Niemand habe überlebt. Sodann fuhr K. mit ihrem Ältesten zum Düsseldorfer Hauptbahnhof. Dort setzte sie Marcel in einen Zug nach Mönchengladbach zur Oma. Kurz darauf warf sie sich vor eine einfahrende S-Bahn. Sie überlebte schwer verletzt.

Hatte Christiane K. ursprünglich einen – wie Kriminalisten sagen – „erweiterten Suizid“ geplant? War kurz vor der monströsen Tat etwas passiert, das die Welt gänzlich aus den Fugen geraten ließ für Christiane K., die trotz der großen Herausforderungen ihre Kinder nie vernachlässigt haben soll? Von den Ermittlern ausgewertete Chat-Protokolle deuten darauf hin.

Von heftigen Erlebnissen und Enttäuschungen geprägt

Ein Jahr vor der Tat war Christiane K.s Ehemann Pascal – er ist der Vater von vieren der Kinder – zu seiner neuen Lebensgefährtin in eine benachbartes Mehrfamilienhaus in Hasseldelle gezogen. Der arbeitslose ehemalige Soldat, Christiane K. und ihre Patchworkfamilie hatten von Hartz IV und 1400 Euro Kindergeld gelebt.

Anfang August 2020 änderte Pascal K. auf Facebook seinen Beziehungsstatus und postete ein Foto von sich und seiner neuen Freundin. In einem Whatsapp-Chat soll er seiner Ehefrau klargemacht haben, dass er, anders als von ihr erhofft, nicht zurückkehren werde, dass er ein neues Leben wolle. Auch am Tat-Vormittag chatteten die beiden wieder, dabei soll Christiane K. ihrem Mann mitgeteilt haben, dass er seine Kinder nie wiedersehen werde.

Auch mit der erweiterten Vorgeschichte zur Tat wird sich das Gericht befassen. Das Leben von Christiane K. war von heftigen Erlebnissen und Enttäuschungen geprägt. Als Mädchen wurde sie von einem Bekannten ihrer Großeltern sexuell missbraucht. Auch ihr Vater soll sich an ihr vergangen haben – zumindest behauptet K. das in einer Strafanzeige, die sie aus der Untersuchungshaft heraus bei der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach gestellt hat. Gesichert ist, dass sich der Mann 2013 vor Gericht verantworten musste, weil er Tausende kinderpornografische Dateien gehortet hatte – Christiane K.s Mutter trennte sich daraufhin von ihm. Alle drei Väter ihrer Kinder ließen Christiane K. sitzen. Ihr erstes Kind Marcel bekam sie mit 16. Drei Jahre später kam Luca auf die Welt. Er stammt aus einer kurzen Beziehung; auch dieser Mann kümmerte sich nicht um sein Kind. Als K. vor acht Jahren Pascal K. heiratete, schienen endlich etwas Halt und Ordnung in ihr Leben zu kommen.

Elf Verhandlungstage hat das Schwurgericht bisher angesetzt. Ob Christiane K. ihr Schweigen beim nächsten Termin brechen will, bleibt am Montag offen.

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