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#Keiner spinnt in La Grave!

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Keiner spinnt in La Grave!

Dicht gedrängt stehen die schiefergedeckten Steinhäuser aus dem siebzehnten Jahrhundert im Dorfkern von La Grave. Sie thronen hoch über dem wilden Flüsschen Romanche auf einem Felssporn gegenüber der abweisenden Nordwand der in Bergsteigerkreisen berühmten, 3982 Meter hohen La Meije. Die trutzigen Bauten säumen enge Gassen, die hinauf zur wunderbaren, im römisch-lombardischen Stil erbauten Kirche Notre­-Dame-de-l’Assomption führen. Sie prägt unverändert das Bild von La Grave. Nur wenige, etwas altmodisch wirkende Gasthäuser haben sich am Rand des nicht einmal fünfhundert Einwohner zählenden Dorfes hinzugesellt. Ansonsten scheint die Zeit hier irgendwann vor fünfzig Jahren stehen geblieben zu sein.

Einer Zeitreise gleicht auch die Fahrt mit La Graves einziger Seilbahn. Sie führt vom Dorfplatz in 1450 Meter Höhe hinauf zum Col des Ruillans, bis auf 3200 Meter an den Rand des gewaltigen Glacier de la Girose. Der längst vom Markt verschwundene Kölner Seilbahnhersteller PHB lieferte die Gruppenumlaufbahn 1976. Sie ächzt und rattert unter der Last ihrer Jahre. Erreicht eine der Gruppen von jeweils fünf sechssitzigen Gondeln eine Station, kommt die gesamte Bahn zum Stillstand. Die Gondeln auf der Strecke hängen dann regungslos in stiller Leere, als wolle die alte Bahn verschnaufen. In diesen Momenten des Einhaltens trüben nur die verkratzten Kabinenscheiben den fesselnden Blick zu den gegenüberliegenden Granitpfeilern, Séracs und Hängegletschern von Le Râteau und La Meije.

Im Rausch der Moderne

Noch bemerkenswerter als die Seilbahnrarität mit ihrer Hochgebirgsszenerie ist jedoch das, was sich unter ihren regelmäßig rastenden, orangeroten Gondeln abspielt. Um das zu verstehen, muss man wissen, wie ein Skigebiet normalerweise funktioniert: Damit die Gästeschar sicher und entspannt Fliehkräfte und Gravitation im Schnee erleben kann, sorgen gewaltige Maschinen allnächtlich für cordsamtene, leicht zu befahrende Pisten. Sprengseilbahnen, gasgefütterte Zündrohre und Stützverbauungen schützen diese Pisten und die beheizten und gepolsterten Aufstiegshilfen mitsamt ihren Nutzern vor Lawinengefahr. Da die Kunden Abwechslung suchen, erwarten sie viele Pistenkilometer, zu deren Erschließung es wiederum vieler Lifte bedarf. Die aber rentieren sich nur bei entsprechend vielen Gästen. Zu deren Unterbringung braucht es viele Betten.

Landschaft statt Massenunterkunft:  Blick zum Hängegletscher von Le Râteau.


Landschaft statt Massenunterkunft: Blick zum Hängegletscher von Le Râteau.
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Bild: picture-alliance

Die Franzosen haben dieses Prinzip als Erste begriffen. Als Bürgermeister, Bauern und Hoteliers im deutschsprachigen Alpenraum während des Skibooms Ende der Sechzigerjahre noch planlos Lifte und Bahnen auf Berge bauten, die für einen erfolgreichen Skibetrieb eigentlich völlig ungeeignet waren, weil zu steil, zu niedrig oder zu weit weg von irgendwelchen Betten oder Bewohnern – oder alles zusammen –, gingen die Franzosen das Thema schon generalstabsmäßig an, und zwar von ganz oben. Hier plante die Regierung in Paris den Bau großer Skistationen mit dem Ziel, die Landflucht aus den Bergtälern zu stoppen. Dabei nahm man vorausschauend die schneesicheren Hochlagen ins Visier, zudem Areale mit viel Platz und passendem Gelände auch für jene, die erst noch zu Skifahrern werden sollten. Im Rausch der Moderne entstanden auf vormals einsamen Almen gigantische Bauten mit Zehntausenden von Betten, vorbildlich platzsparend und effizient, aber aus heutiger Sicht teilweise von geradezu monströser Hässlichkeit. Die Gäste nahmen es hin für die Bequemlichkeit, morgens direkt vom Bett in die Bindung springen und abends über die Pisten bis vor die Haustür abschwingen zu können.

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