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#Königsweg oder Sackgasse? Die Ambivalenz von Tenure-Professuren

Professuren mit Tenure Track werden als Wundermittel bei der Reform der akademischen Karrierewege gepriesen – trotz ihrer Nebenwirkungen. Ein Gastbeitrag.

Immer häufiger findet sich in den universitären Stellenausschreibungen die Tenure-Track-Professur. Es handelt sich um eine Juniorprofessur besonderer Art: Wer berufen wird, hat die Möglichkeit, durch erfolgreiche Zwischen- und Endevaluation an derselben Universität nach einigen Jahren auf eine W2- oder gar eine W3-Professur zu gelangen, ohne ein weiteres Bewerbungsverfahren durchlaufen zu müssen. Im Jahr 2021 gab es laut einem Artikel im Fachmagazin „Forschung und Lehre“ (Juli 2023) schon 674 derartiger Stellen an deutschen Universitäten. Normalerweise wird diese Form der „Nachwuchsförderung“ und die Zunahme der entsprechenden Stellen ohne jeden Vorbehalt begrüßt – als Zugewinn von Planbarkeit der wissenschaftlichen Karriere einschließlich diverser familienfreundlicher Beurlaubungs-, Freistellungs- und Verlängerungsregelungen.

Leider findet ein gravierendes Strukturproblem meist keine Berücksichtigung: Hochschulleitungen greifen in der Tat zunehmend zum Mittel der (Neu-)Ausschreibung von (vorher meist schon bestehenden) W2- oder W3-Stellen als Juniorprofessuren (W1) mit Tenure-Track, denn so lässt sich über Jahre viel Geld sparen. Eine sofortige vollwertige Neubesetzung frei werdender Stellen im W2- oder W3-Format wäre nämlich deutlich teurer.

Zugleich aber – und das ist das eigentliche Skandalon – wird auf diese Weise eine andere „Nachwuchsgruppe“, die Besseres verdient hätte, um ihre Zukunftschancen gebracht, nämlich all diejenigen, die rasch und zielstrebig ihre Habilitation schon erreicht haben. Die fallen nämlich bei den besagten Verfahren unter den Tisch: Bewerben sie sich auf solche Tenure-Track-Juniorprofessuren, werden sie regelmäßig in der ersten Sichtungsrunde aussortiert mit dem Hinweis, sie hätten ja bereits das erreicht, was die neuen „iuniores“ erst noch erreichen sollen, sie passten also gar nicht in dieses Format.

So entsteht das Paradoxon, dass geringer Qualifizierte einen Königsweg gen Lebenszeitprofessur erhalten, während die besser Qualifizierten in die Röhre gucken und nur auf die immer weniger werdenden „regulären“ W2- oder W3-Professuren hoffen können. Dann freilich müssen sie zusätzlich nicht nur untereinander, sondern auch mit den bereits Arrivierten konkurrieren, die einen weiteren Ruf erstreben. Summa summarum: Die Juniorprofessur mit Tenure Track ist eine hochproblematische Form der akademischen Postdoc-Förderung zulasten derjenigen, die schon keine Postdocs mehr sind.

Der Autor ist Professor für Alte Geschichte an der Universität Bamberg.

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