Nachrichten

#Kommentar zum Bundestagskandidat der CDU: Projektionsfläche Maaßen

Kommentar zum Bundestagskandidat der CDU: Projektionsfläche Maaßen

Thüringen war schon für Annegret Kramp-Karrenbauer ein Schicksalsland. Die CDU-Landtagsfraktion in Erfurt weigerte sich trotzig vor mehr als einem Jahr, die Wahl eines FDP-Manns zum Ministerpräsidenten mit den Stimmen der völkischen Höcke-AfD rückgängig zu machen. Kramp-Karrenbauers erfolgloses Drängen auf Neuwahlen geriet zum Führungsdebakel und besiegelte ihr Ende als glücklose, nur kurz amtierende CDU-Vorsitzende.

Auch für ihren Nachfolger Armin Laschet könnte die aktuelle Personalentscheidung von Teilen der Thüringer CDU im ohnehin schwersten Bundestagswahlkampf seit Jahrzehnten noch zu einem größeren Problem werden. Die Nominierung des früheren Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen zum Bundestagskandidaten im Wahlkreis 196 durch ein klares Votum der „Basis“ in einem sauberen demokratischen Verfahren bietet Grünen, SPD, Linkspartei und selbst der FDP Wahlkampfmunition der Extraklasse. Und löst in der (westdeutschen) CDU kurz nach dem selbstzerstörerischen Machtkampf um die Kanzlerkandidatur viel stilles Entsetzen und wenig laute Empörung aus.

Viele trauern Kohl und Dregger nach

Das klare, fast begeisterte Ja der Südthüringer CDU-Delegierten zu Maaßen legt die Fliehkräfte in der letzten Volkspartei Deutschlands offen. Einer politischen Kraft, die sich gerade wegen ihrer programmatischen Spannbreite zwischen den Säulen Sozial, Liberal und Konservativ stets als integrative Union verstand, die mit Mitte und Maß agiert, aber vor allem regiert. Denn mit der Person Maaßen und dessen Werdegang vom (nach außen hin) loyalen Spitzenbeamten und Behördenchef zum politischen Aktivisten und Helden der ultrakonservativen Werteunion ist die Frage im Wahlkampf verbunden: Rückt die CDU nicht nur in Ostdeutschland nach rechts, wenn 16 Jahre Kanzlerschaft Merkel vorbei sind?

Aus Sicht besonders älterer CDU-Mitglieder und Anhänger, darunter etliche in Ostdeutschland, ist am Ende dieser Ära die Partei Helmut Kohls, aber auch die Alfred Dreggers verschwunden. In dieser versunkenen Parteiwelt schienen Glaubenssätze wie der Vorrang der heterosexuellen Ehe aus Mann und Frau vor allen anderen Familien- und Partnerschaftsformen oder das Bekenntnis zur allgemeinen Wehrpflicht ewig zu gelten.

Ausgerechnet eine ostdeutsche Kanzlerin und Parteichefin, so das Lamento der in der Union zur frustrierten Minderheit geschrumpften Konservativen etwa im „Berliner Kreis“ schon vor Jahren, habe die CDU entkernt, sozialdemokratisiert und dann begrünt, wie etwa beim Turboausstieg aus der Atomkraft. Erst in Friedrich Merz, der bei seinem Comeback vor allem in der Ost-CDU wie ein Heilsbringer bejubelt wurde, dann in dem Anti-Berufspolitiker Maaßen fanden viele eine Projektionsfläche für ihre Hoffnung auf die Rückkehr der alten Union.

Weder die warnenden Worte des früheren Thüringer Ministerpräsidenten Bernhard Vogel („Nicht in der Mitte der CDU“) noch der dramatische Einwurf des Landesvorsitzenden Christian Hirte („Seine Ansichten tragen zur Spaltung der CDU bei“) konnten Maaßens Kür verhindern. Laschet selbst, in realistischer Einschätzung seiner Autorität, vermied es, den Thüringer Parteifreunden eine direkte Empfehlung zu geben, Maaßen nicht aufzustellen, um Schaden von der Bundespartei und seiner Wahlkampagne abzuwenden. Er beließ es bei der Ermahnung, auch Maaßen müsse sich daran halten, mit der AfD nie und nimmer zu kooperieren.

Wie lange hält Maaßens Selbstkontrolle?

In seiner Dankesrede hat sich Maaßen zwar zu den Werten der Union bekannt, sich von der AfD abgegrenzt und Laschet treuherzig seiner Loyalität versichert. Doch frühere Äußerungen Maaßens zur AfD lassen Zweifel aufkommen, wie beständig diese Selbstkontrolle wirklich ist. Er jubelte über den Coup der AfD bei der Ministerpräsidentenwahl und antwortete mehrdeutig auf die Frage nach möglichen Koalitionen mit den Rechtsauslegern. Seine Abrechnung mit Merkels Flüchtlingspolitik unterscheidet sich kaum von Aussagen der AfD.

Die Revanche gekränkter Egos für erlittene Demütigungen hatte schon früher gravierende Folgen für Parteien. Lafontaines und Gaulands Rachefeldzüge führten zur Linkspartei und AfD. Maaßen widerstand dieser Versuchung. Er sieht seine Mission weiter in der CDU, die er in die Vergangenheit zurückführen will. Umso wichtiger müsste es nun für Laschet sein, die programmatische Leerstelle nach Merkel rasch mit eigenen, frischen Ideen und einem Team zu füllen, das die Zukunftsvision der CDU für ein nach Corona modernisiertes Deutschland bietet.

F.A.Z. Frühdenker – Der Newsletter für Deutschland

Werktags um 6.30 Uhr

ANMELDEN

Ob Politiker wie Maaßen wirklich AfD-Wähler zurückholen können, ist ohnehin offen. Schon in Brandenburg und Sachsen wählten sie nach seinen Auftritten lieber das Original. Die nächste, indirekte Probe ist schon in wenigen Wochen die Landtagswahl im Nachbarland Thüringens, in Sachsen-Anhalt. Eine Lehre aus den Merkel-Jahren, aber auch schon als Erfolgsrezept der Kohl-Dregger-CDU gilt indes auch in diesen Bundesländern: In der Mitte ist mehr zu gewinnen, als nach rechts verloren wird.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!