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#Kommentar zum Sturm aufs Kapitol: Entfesseltes Rabaukentum

Kommentar zum Sturm aufs Kapitol: Entfesseltes Rabaukentum

Der Sturm auf das Kapitol wird ein Symbol für die zweite große Herausforderung der westlichen Demokratien nach dem Zweiten Weltkrieg bleiben. Die erste Herausforderung, die teils schweren Auseinandersetzungen im Zuge der Achtundsechziger-Bewegung, ist heute unter dem Eindruck des sich ausbreitenden Populismus von rechts und von links ein wenig in Vergessenheit geraten.

In beiden Fällen haben wirtschaftliche Umbrüche zur politischen und gesellschaftlichen Unrast beigetragen. Ende der sechziger Jahre näherte sich ein knappes Vierteljahrhundert von der industriellen Massenproduktion getriebenes dynamisches Wirtschaftswachstum seinem Ende; in den Krisenjahren der frühen siebziger Jahre starb dann die Vorstellung einer staatlichen Feinsteuerung des Konjunkturzyklus.

Der Populismus unserer Zeit speist sich aus Elementen der Globalisierung, die als Auswüchse verstanden werden, sowie aus einer technologischen Revolution, die herkömmliche Arbeitswelten bedroht und vertraute Lebenswelten verändert. Der Populismus nutzt die Chancen, die ihm eine ungenügende Reaktion traditioneller Politik eröffnet hat. Zur zunehmend zügellosen Ablehnung dieser Politik, zu der die Beschwernisse der Corona-Krise beitragen, gesellt sich eine generelle Kritik an Eliten und an den Institutionen der liberalen Demokratie. Donald Trump und seine fanatisierten Anhänger bilden nur das prominenteste Beispiel für dieses entfesselte Rabaukentum.

Die modernen Populisten sind weder liberal noch konservativ

Auch in Deutschland haben sich diese Attitüden, wenn in Bedeutung und Radikalität mit Amerika noch nicht vergleichbar, ausgebreitet. Gefördert wurden sie durch manche Politiker, Journalisten und Inhaber von Professorentiteln. Man geriert sich als liberal-konservativ, obgleich Friedrich von Hayek, der große Liberale des 20. Jahrhunderts, überzeugend begründet hat, warum das einen Widerspruch in sich darstellt und Konservative und Liberale nicht unter einen Hut passen. In Wirklichkeit sind die modernen Populisten weder liberal noch konservativ.

Wuchtige, aber meist folgenlose Gesten der Empörung werden zur Menschenpflicht erhoben, verbales Zündeln zum Ausweis vermeintlichen Bürgermuts verklärt. Der für eine bürgerliche Gesellschaft selbstverständliche Satz „Man wird doch noch sagen dürfen“ verbindet sich mit der für eine bürgerliche Gesellschaft keineswegs selbstverständlichen Anmaßung, Lügen, Verleumdungen und Hass verbreiten zu dürfen, ohne Widerspruch anhören zu müssen. Gleichzeitig wird das Eintreten Andersdenkender für die Werte und Fundamente dieses Landes auf infame Weise mit kritikloser Regierungstreue gleichgesetzt.

Die Populismusforschung unserer Tage zeigt empirisch, was Kennern traditioneller deutscher Ordnungspolitik und moderner angelsächsischer Institutionenökonomik naheliegend vorkommt: Die mutwillige und ausdauernde Beschädigung von Institutionen schwächt auf die Dauer nicht nur den Staat, sondern auch die Wirtschaft. An Exempeln herrscht kein Mangel. Der linke wie rechte Populismus hat früher Ländern in Lateinamerika und heute der Türkei eine hohe Inflation und Währungsschwäche beschert.

Exzesse von Hass und Intoleranz

Als vor zwei Jahrhunderten die Mechanisierung in einer aufstrebenden Wirtschaft in Großbritannien viele Menschen entwurzelte und zu Protesten ermutigte, trat David Ricardo, einer der großen Liberalen des frühen 19. Jahrhunderts, dafür ein, die Anliegen aller Schichten der Gesellschaft in der Öffentlichkeit zu erörtern und damit auch in einem Unterhaus, das sich damals unter der Kontrolle des Landadels befand. Ricardo baute darauf, dass von Vernunft geleitete Menschen zwar streitig, aber auch kundig und am Gemeinwohl orientiert ihre unterschiedlichen Standpunkte austauschen würden. Ausdrücklich warnte er jedoch davor, die Kontrolle des Gemeinwohls Menschen zu überlassen, deren Mission in Zersetzung und Zerstörung besteht.

Ricardos Botschaft hat nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. Die bürgerliche Gesellschaft darf nicht den Fehler begehen, es bei Empörung über die Exzesse von Hass und Intoleranz bewenden zu lassen. Sie benötigt überzeugende Antworten auf die Herausforderungen einer Zeit, in der ökonomische und technologische Umbrüche mit dem Wunsch vieler Menschen nach einer nachhaltigeren Wirtschafts- und Lebensweise einhergehen. Die liberale Demokratie und die Soziale Marktwirtschaft bieten den geeigneten Rahmen für die Suche nach den besten Antworten. Gute Politik ist das beste Mittel gegen einen sich radikalisierenden Populismus, der die Grundlagen unserer Freiheit und unseres Wohlstands bedroht. Das ist nicht die geringste Botschaft des Sturms auf das Kapitol.

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