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#Kommentar zur Corona-Politik: Keine klare Linie

Kommentar zur Corona-Politik: Keine klare Linie

Mit einer erstaunlichen Gegenüberstellung hat die Bundeskanzlerin in dieser Woche ihre Politik verteidigt. Es gebe zwei „Schulen“ in der Bekämpfung der Corona-Pandemie, sagte sie gegenüber Studierenden: Die eine wolle besonders gefährdete Gruppen „wegsperren“, damit der Rest der Gesellschaft unbeschwert seinen Einkaufsbummel machen könne; die andere wolle alles tun, um die Infektionszahlen zu senken – besonders die in „vulnerablen“ Gruppen.

Keine Frage, zu welcher Schule sich Angela Merkel rechnet. Keine Frage aber auch, dass sie die konkurrierende Schule ausgesprochen verzerrt darstellte.

Den Befürwortern einer besonderen Beachtung von Alten- und Pflegeheimen und von ambulanten Pflegediensten geht es nicht darum, Risikogruppen „wegzusperren“, sondern darum, sie besser vor Infektionen zu schützen, als das bislang der Fall ist. Auch Schulen genießen schließlich besondere Beachtung, ohne dass Schüler „weggesperrt“ würden.

Der Unterschied ist, dass ein besserer Schutz der Risikogruppen die Krankenhäuser effektiver entlasten könnte. Für den Rest der Bevölkerung geht es nicht darum, wie Merkel es darstellte, ein lustiges Leben zu führen, sondern das Infektionsgeschehen mit einem größeren Spielraum verfolgen zu können. Die Chancen wären größer, einen „harten“ Lockdown zu vermeiden.

Es passt in das Schwarzweißbild, das Merkel zeichnete, dass die Befürworter eines Pflege-Fokus als herzlose Pandemiebekämpfer hingestellt werden, die sage und schreibe 27 Millionen Angehörige von Risikogruppen „isolieren“, mit anderen Worten: diskriminieren wollten. Mit diesem Argument versuchte Merkel ihre Kritiker schon mehrmals zu treffen.

Es geht weder um „Wegsperren“ noch um 27 Millionen

Warum diese abstruse Übertreibung? Besonderer Schutz muss eben nicht „Wegsperren“ und pauschale Isolation bedeuten, schon gar nicht von 27 Millionen Menschen, sondern kann für viele von ihnen heißen, mehr Möglichkeiten zu haben, zum Beispiel mehr Besuche.

Es ist ein Rätsel, warum auf diese Weise eine privilegierte Aufmerksamkeit gegenüber der Alten- und Krankenpflege diskreditiert wird. Liegt es daran, dass ein Weg schlechtgemacht werden muss, weil man ihn früh verworfen hat, der aber gar nicht so dumm gewesen wäre? Es gab Gründe, warum dieser Weg im Frühjahr nicht zur Wahl stand. Es fehlte an allem, an Erfahrung, Konzepten, an Ausrüstung, Personal, vor allem an Corona-Tests. Aber jetzt?

Auch nach acht Monaten Pandemie klingen die Hilferufe der Pflegedienste immer noch vertraut. Es fehlt vor allem an Personal, das Schutzkonzepte mit Leben füllen könnte. Dabei geht es nicht um ausgebildete Pflegekräfte, die aus dem Boden gestampft werden müssten.

Extensiver Aufwand ohne intensive Wirkung

Was ambulante und stationäre Dienste brauchen, können Studierende, Feuerwehrleute und Soldaten leisten. Die werden überall gebraucht, an erster Stelle in den Gesundheitsämtern und Impfzentren. Trotzdem sollte es kein Pflegeheim in Deutschland geben, das seine Insassen abschotten muss, weil es an den Mitteln zur Organisation einer coronagerechten Betreuung mangelt. So ist es aber in vielen Fällen – nicht weil Wegsperrer am Werk wären, sondern weil die Strategie zur pauschalen Senkung der Infektionen einen extensiven Aufwand ohne intensive Wirkung betrieben hat. Umgekehrt wäre es besser.

Dazu beigetragen hat eine Teststrategie in Zeitlupe und ohne digitalen Beschleuniger. Infektionen breiten sich nicht nur in Pflegeheimen so schnell aus, weil sie zu spät erkannt werden. Schnelltests und Laborkapazitäten für PCR-Tests ließen sich nicht von heute auf morgen bereitstellen (es sei denn, es geht um Bundesligavereine).

Es dauerte aber bis weit in den Herbst hinein, dass Bund und Länder für Pflegeeinrichtungen auf Nummer sicher gingen und eine breit angelegte Testwelle lostraten – lange nach kommunalen Initiativen wie der in Tübingen, deren Einfallsreichtum anfangs eher behindert als gefördert wurde. Weil Risikogruppen „weggesperrt“ werden sollten? Ganz im Gegenteil.

Merkels Schule der Pandemiebekämpfung versucht es dagegen ohne klare Prioritäten. Erst die Impfung setzt jetzt da an, wo die Pandemiebekämpfung längst hätte angelangt sein müssen. Dass ihrer Regierung die Kunst, mit der Bazooka das richtige Objekt zu treffen, nicht immer gegeben ist, zeigt auch der Umgang mit der Corona-App. Sie hätte neben der Hinwendung zu Risikogruppen ein zweiter Anker werden können, um ein „Leben mit dem Virus“ zu ermöglichen, wie es im Frühjahr noch optimistisch für möglich gehalten wurde.

Geschehen ist digital ungefähr so viel wie in der analogen Welt für die Pflegeheime – viel zu wenig, um einen spürbaren Effekt zu haben. Darin steckt im Falle der Pflege die Fortsetzung einer Mängelwirtschaft, die trotz oder wegen steigender Herausforderungen nur noch mangelhafter geworden ist. Auch die Warn-App ist eine Fortsetzung. Die seit langem unter Politikern zu beobachtende paralysierende Furcht vor einer Hinrichtung im Netz wog dieses Mal sogar stärker als die Furcht vor einer zermürbenden Jahrhundertkrise. Auf beides gibt es nur eine vernünftige Antwort: Hoffentlich macht das keine Schule.

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