#Haben die US-Dienste einen Maulwurf in Moskau?
Inhaltsverzeichnis
„Haben die US-Dienste einen Maulwurf in Moskau?“
Der Krieg in der Ukraine kennt viele Verlierer. Einen Gewinner hat er aber schon jetzt: Die amerikanischen Nachrichtendienste, wegen fehlender Massenvernichtungswaffen im Irak, illegaler Foltergefängnisse und der NSA-Affäre zuletzt nicht gut beleumundet, haben ziemlich exakt vorausgesagt, welche Kriegspläne Wladimir Putin verfolgt. Als Antony Blinken am Freitag in Brüssel gefragt wurde, ob er oder die Europäer naiv gewesen seien, Putin zu vertrauen und anzunehmen, er werde eine diplomatische Lösung einer Invasion vorziehen, wurde der Außenminister für seine Verhältnisse recht deutlich: Er könne nur für die Vereinigten Staaten sprechen, sagte er. Sodann: „Ich glaube, wir waren das Gegenteil von naiv.“
Washington habe seit Monaten davor gewarnt, was Putin vorhabe. Er, Blinken, habe selbst vor dem UN-Sicherheitsrat, genau ausgebreitet, was Moskau plane und wie es vorzugehen beabsichtige: mit Täuschungsmanövern, die dann als Vorwand für den Angriff dienen sollten.
Ein Team um den Nationalen Sicherheitsberater Jake Sullivan hatte sich vor Wochen entschieden, mit der Offenlegung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse gleichsam einen präemptiven Schlag gegen Putin vorzunehmen. Die strategische Kommunikationskampagne, die einer neuen Doktrin gleichkommt, war eine Antwort auf die russische „Maskirovka“-Taktik, den Einsatz militärischer oder hybrider Täuschungsinstrumente. Washington gelang es zwar nicht, den russischen Machthaber von seinen Plänen abzubringen.
Alte Zweifel sind erst einmal verflogen
Dieser ließ von seiner Propaganda nicht ab und sprach vor Beginn der „militärischen Spezialoperation“ von einem „Genozid“ im Donbass. Die Schlacht um die öffentliche Meinung aber verlor er. In westlichen Medien hatte es bis zum Kriegsausbruch einen gewissen Widerwillen gegeben, Forum für die strategische Kommunikation Washingtons zu sein, weil man sich instrumentalisiert fühlte. Schließlich gab es keine Belege für die Behauptungen. Die Zweifel sind verflogen. Und die fehlenden Belege hatten einen Grund. Der Stab der Nationalen Geheimdienstdirektorin Avril Haines musste dafür sorgen, die eigenen Quellen in Russland zu schützen.
Aktuelle Informationen, Grafiken und Bilder zum Angriff auf die Ukraine finden Sie auf unserer Sonderseite
ZUR SONDERSEITE
2017 traf der Auslandsgeheimdienst CIA eine folgenschwere Entscheidung: Ein Maulwurf, ein russischer Regierungsmitarbeiter, den man vor Jahren angeworben hatte und der es geschafft haben soll, Zugang zum inneren Zirkel Putins zu gewinnen, wurde aus Moskau abgezogen. Man hatte dem Mitarbeiter schon Ende 2016 das Angebot gemacht, ihn herauszuholen, weil man um seine Sicherheit fürchtete. Seinerzeit hatte er aber noch abgelehnt, weil er sich um seine Angehörigen sorgte. Der Mitarbeiter soll der CIA 2016 über Putins Einmischung in die Präsidentenwahl zugunsten Donald Trumps informiert haben.
Als nach der Wahl die öffentliche Berichterstattung über den russischen Sabotageakt zunahm – es war der Beginn der Russlandaffäre, die Washington über Jahre beschäftigen sollte – wurde man in Langley nervös. Mit der Entscheidung, den Maulwurf abzuziehen, tat man sich freilich schwer. Es dauert Jahre, eine solche Quelle aufzubauen. Fürs Erste verfügte die CIA nun im inneren Machtapparat Putins nicht mehr über „Augen und Ohren“.
Moskaus Taktik „austrocknen“
Angesichts der Tatsache, wie exakt Washington nun über die Pläne des russischen Machthabers informiert war, darf man vermuten, dass es Langley zwischenzeitlich gelungen sein muss, Ersatz zu finden. Es liegt in der Natur der Sache, dass man für diese Annahme keine Bestätigung in der amerikanischen Regierung finden wird. Der frühere Nationale Geheimdienstdirektor James Clapper sagte kürzlich immerhin über die strategische Kommunikationskampagne seines Landes, der Nachteil der Doktrin sei es, dass die Quelle, durch die Washington Einblick in die „Maskirovka“-Taktik erhalten habe, „austrocknen“ könnte. Schließlich soll der Kreis um Putin, der in die Pläne eingeweiht war, sehr klein gewesen sein. Und die russische Spionageabwehr dürfte längst versuchen, den Maulwurf zu enttarnen.
Vorstellbar ist freilich auch, dass die Quelle nicht ein rekrutierter Agent ist, sondern eine Person aus dem innersten Zirkel Putins, die ob seiner Pläne oder seiner Geistesverfassung so beunruhigt war, dass sie von sich aus einen Weg fand, die amerikanische Seite ins Bild zu setzen. Die Einlassung Clappers offenbart jedenfalls, dass die sogenannte Intelligence Community außerhalb der Regierung nicht glaubt, dass die Informationen ausschließlich durch Abhörmaßnahmen zusammengetragen wurden.
Der frühere KGB-Offizier Putin ist bekannt dafür, elektronische Geräte zu meiden. Auch soll er häufig dafür sorgen, dass keine Gesprächsvermerke oder Protokolle verfasst werden. Wie eng er die Vorbereitung des Ukrainekrieges spielte, war den Amerikanern spätestens klar, als Mitglieder ihrer Delegation, die im Januar in Genf und Brüssel mit ihren russischen Gegenspielern verhandelten, den Eindruck gewannen, die Gegenseite wisse tatsächlich nichts von Putins Plänen.
Freilich steckt auch der bestplatzierte Agent nicht in Putins Kopf. Um herauszufinden, wie der Machthaber denkt, nutzten die amerikanischen Dienste auch die jüngsten Videokonferenzen Bidens mit ihm, um seine Argumentationsstränge zu analysieren und Persönlichkeitsveränderungen festzustellen. Die Taktik lautete: Man müsse ihn möglichst lange reden lassen. So versuchten sie, die Frage zu klären, ob er längst die Entscheidung getroffen habe, die Ukraine anzugreifen. Die Arbeit der Dienste geht weiter. Derzeit stehen sie vor der Frage: Wie weit ist Putin gewillt zu gehen?
Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.
Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.
Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.