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#Krankenkassenfinanzierung: Bürgerversicherung durch die Hintertür

„Krankenkassenfinanzierung: Bürgerversicherung durch die Hintertür“

In Deutschland herrscht eine Art Krisenkonkurrenz, ein Wettbewerb um Aufmerksamkeit und schnelles politisches Handeln. Ganz vorn rangieren der Ukrainekrieg, die Verwerfungen auf den Energiemärkten, die Inflation. Selbst frühere Großthemen wie die Corona-Pandemie oder die Erderwärmung treten dahinter zurück.

Noch schwerer haben es sperrige Herausforderungen wie jene im Gesundheits- und Pflegewesen. Und das, obgleich sie jeden Bürger betreffen und einen der größten Wirtschaftszweige bilden.

Jeder achte Erwerbstätige arbeitet im Gesundheitswesen, die Bruttowertschöpfung macht mehr als 12 Prozent der Gesamtwirtschaft aus. Fast zwei Drittel der Gesundheitsausgaben tätigt die gesetzliche Krankenversicherung (GKV), die 90 Prozent der Bevölkerung vertritt.

Ein kläglicher Notbehelf

Doch wenn nicht gerade eine teuflische Ansteckungswelle durchs Land zieht, interessieren sich wenige für die Lage der Gesundheitswirtschaft.

Das ist bedauerlich, denn die geringe Beachtung hat dazu geführt, dass Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dem Bundestag an diesem Freitag eine Novelle vorlegen kann, die nichts weiter ist als ein kläglicher Notbehelf.

Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz schafft es mit Ach und Krach, die Kassen über das neue Jahr zu bringen, ist aber weit davon entfernt, Einnahmen und Ausgaben längerfristig in Einklang zu bringen.

Die Vorlage vertagt dieses Problem bis zum Frühjahr, wenn Lauterbachs Haus „Empfehlungen für eine stabile, verlässliche und solidarische Finanzierung der GKV“ vorlegen will. Das Gesetz enthält also schon ein Ablaufdatum, womit es seine Unzulänglichkeit eingesteht.

Bisher ist zu wenig passiert

Man würde erwarten, dass sich die Ampel längst Gedanken über eine „stabile, verlässliche und solidarische Finanzierung“ gemacht hätte. Tatsächlich gibt es im Koalitionsvertrag Ansätze dazu. Die Einnahmenseite wollte man über eine „regelhafte Dynamisierung“ des Bundeszuschusses und dadurch stärken, dass aus Steuergeld höhere Beiträge für die Bezieher von Arbeitslosengeld II gezahlt werden sollten.

Ausgabenseitig war ein „Bund-Länder-Pakt“ vorgesehen, um das Klinikwesen zu entschlacken und zu einer besseren Versorgung mit geringeren Kosten zu kommen. Passiert ist wenig. Die „kurzfristig“ geplante Kommission aus Klinikexperten ließ auf sich warten, zog Kritik auf sich und hat noch nichts bewirkt. Die Erhöhung des Bundeszuschusses fiel geringer aus als erwartet, zu den Hartz-IV-Empfängern findet sich gar nichts.

Die GKV-Finanzierung ist ein weiteres Politikfeld, in dem die linken und die liberalen Regierungspartner nicht zueinanderfinden. Völlig zu Recht hält sich Finanzminister Christian Lindner (FDP) mit frischen Steuermitteln zurück, der Bundeszuschuss beträgt ohnehin schon 14,5 Milliarden Euro im Jahr. Lindner besteht darauf, dass die Kassen zunächst ihre Reserven anzapfen, dass im System gespart wird und es sich über höhere Zusatzbeiträge stärker aus sich selbst heraus trägt.

Es droht eine schlechtere Versorgung

Es war ein Fehler, eine ALG-II-Lösung zu versprechen und jetzt zu kneifen. Denn das führt im politischen Kuhhandel dazu, dass die SPD und die Grünen mit ihrer Forderung Morgenluft wittern, die Bürgerversicherung einzuführen.

Immer lauter werden die Stimmen, die Beitragsbemessungs- und die Versicherungspflichtgrenze anzuheben, damit mehr Geld ins System fließt und der Wechsel zur Privatversicherung (PKV) schwerer fällt.

Eine Bürgerversicherung durch die Hintertür ist der falsche Weg. Die Ausdünnung der PKV führt, wie die Einheitskassen anderswo zeigen, zu einer schlechteren Versorgung und weniger medizinischen Innovationen. Höhere Bemessungsgrenzen treiben die Lohnzusatzkosten an, sie belasten nicht nur die gebeutelte Mittelschicht, sondern auch deren Arbeitgeber.

Überdies würde das Umlageverfahren immer weniger zukunftsfest und immer beitragsintensiver, weil es im Gegensatz zur PKV in der alternden Gesellschaft nicht über Altersrückstellungen verfügt.

Über kombinierte private und gesetzliche Verfahren muss man reden. So könnten die GKV-abgesicherten Leistungen sinken, je höher das Einkommen ist; für den Rest ließe sich am Markt vorsorgen. Aber nur an den Einnahmen herumzudoktern führt in die Irre. 280 Milliarden Euro im Jahr müssen ausreichen, trotz der Demographie und des teuren, aber segensreichen medizinischen Fortschritts. Die Hauptaufgabe besteht darin, die Ausgaben zu drücken.

Es ist fatal, dass Lauterbach Leistungskürzungen ausschließt, gleichzeitig aber mit höheren Belastungen der Steuer- und Beitragszahler gut leben kann. Sein neues Gesetz ist nicht Ausdruck von sozialer Weitsicht, sondern von Ideenarmut und Hilflosigkeit.

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