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#Krisenmanager Rutte gerät in die Defensive

Krisenmanager Rutte gerät in die Defensive

Die Niederlande haben am Mittwochmorgen als letztes Land in der Europäischen Union mit Impfungen gegen das Coronavirus begonnen. Anders als in vielen Nachbarstaaten ging die erste Dosis nicht an betagte Pflegebedürftige, sondern an eine junge Pflegerin. „Endlich beginnen die Impfungen“, sagte Sana Elkadiri, 39 Jahre alt, Mitarbeiterin in einem Heim für Demenzkranke in Nordbrabant.

Thomas Gutschker

Thomas Gutschker

Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

Ihre Impfung wurde live im Fernsehen übertragen. Gesundheitsminister Hugo de Jonge sagte, das sei nun der „Anfang vom Ende der Krise“. Am Vortag hatte er ein Misstrauensvotum im Parlament überstanden, nachdem er von links bis rechts für die mangelhafte Vorbereitung der Impfkampagne kritisiert worden war. Es sind ohnehin nur noch drei Monate bis zur nächsten Parlamentswahl – und bis dahin dürfte das Thema noch hohe Wellen schlagen.

Nicht auf dezentrale Impfungen eingestellt

Denn das Land wird mit seinen Planungen noch länger hinter den Nachbarn herhinken. Den meisten Bürgern fiel das erst auf, als vor Weihnachten der Impfstoff von Biontech-Pfizer in der EU zugelassen wurde und dann ein Land nach dem anderen mit dem Impfen begann. Hingegen musste die Regierung in Den Haag ihren Start, der ohnehin erst für den 4. Januar vorgesehen war, nach hinten schieben. Begründet wurde das mit IT-Problemen, die örtlichen Gesundheitsämter brauchten ein Software-Update.

Das ist inzwischen behoben, doch sind die Behörden nicht auf dezentrale Impfungen eingestellt. So soll nun zunächst Pfleger und medizinisches Personal in Krankenhäusern drankommen. Dagegen können Bewohner von Pflegeheimen, wo die Sterblichkeit besonders hoch ist, erst im Februar systematisch geimpft werden. Man brauche die Zeit, um den Impfstoff, der bei minus 70 Grad Celsius gelagert werden muss, in kleinere Einheiten umzupacken, gestand de Jonge am Dienstag im Parlament ein. Außerdem dauere es, die schriftliche Erlaubnis zum Impfen einzuholen.

Warum das nicht längst geschehen sei, wollte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jesse Klaver wissen. Es seien „große strategische Fehler“ gemacht worden. „Unglaublich“, murmelte daraufhin der Christdemokrat de Jonge, offenbar empört über Kritik. Geert Wilders von der rechtspopulistischen Partei der Freiheit hatte gleich zu Beginn der sechs Stunden langen Debatte den Rücktritt des Gesundheitsministers gefordert: „In dieser Pandemie können wir uns keine Schwäche, keine mangelnde Entschlossenheit, kein Chaos und damit auch keinen Hugo de Jonge als Minister mehr leisten.“ Soweit gingen die anderen Parteien nicht, weshalb Wilders Misstrauensantrag chancenlos blieb.

Doch musste sich de Jonge sogar von einem Koalitionspartner, der linksliberalen D66, vorhalten lassen, dass er alles auf den Impfstoff von Astra-Zeneca ausgerichtet habe. Der könnte, wie andere Impfstoffe auch, dezentral in jeder Arztpraxis verabreicht werden, ist nach einer fehlerhaften Studie aber bisher nicht zugelassen worden.

„Wir sind bereit, aus Fehlern zu lernen“

Die Sozialdemokraten richteten ihren Angriff auf das gesamte Kabinett und damit vor allem auf Ministerpräsident Mark Rutte von den Rechtsliberalen. Es zeige sich ein Muster während der gesamten Corona-Krise, monierte der Parteivorsitzende und Spitzenkandidat Lodewijk Asscher: „Es unterschätzt das Problem und es ist immer zu spät.“ Das habe sich schon bei den Testungen, der Kontaktverfolgung und der anfangs fehlenden Schutzkleidung gezeigt.




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Rutte zeigte sich reumütig. Man hätte die Gesundheitsämter früher anweisen müssen, sich auf eine groß angelegte Impfkampagne einzustellen und als „oberster Boss“ sei er selbst dafür verantwortlich. „Wir sind bereit, aus Fehlern zu lernen“, sagte der Regierungschef zerknirscht.

Für ihn ist die Lage brenzlig. Zwar führt seine Partei noch in allen Umfragen zur Parlamentswahl, doch beruht das vor allem darauf, dass sich Rutte in den Augen vieler Landsleute als Krisenmanager bewahrt hat. Bis Mitte März bleibt wenig Zeit, um den Planungsrückstand aufzuholen, gerade im Vergleich zum großen Nachbarn Deutschland.

Auch de Jonges Partei, der Christlich-Demokratische Aufruf, gerät in die Defensive. Die Partei kann von Glück sagen, dass sie den Minister schon Mitte Dezember als Spitzenkandidaten demontiert hatte. Eine Urwahl im Sommer hatte er knapp für sich entschieden, es danach aber nicht geschafft, die Partei hinter sich zu vereinen. Sie wird nun von Finanzminister Wopke Hoekstra in die Wahl geführt. Dem kommt zugute, dass er in der Krise wie nie zuvor Wohltaten verteilen kann. Doch steht er beim Thema Impfen im Schatten seines Parteifreunds.

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