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Kunst zieht Kreise

Handschläge, Küsse und Umarmungen: Kleine Berührungen drehen das große Rad der Geschichte. Der Videokünstler Jonas Englert zeigt es in seiner Arbeit „Circles I“ auf eindrückliche Weise. Da ertastet die taubblinde Schriftstellerin Helen Keller 1953 das Gesicht des amerikanischen Präsidenten Dwight D. Eisenhower, der 1944 im befreiten Paris als General die Hand von General George C. Marshall schüttelt. Der Schöpfer des Marshallplans wiederum erhält mit einem Händedruck von Gunnar Jahn 1953 den Friedensnobelpreis, den der Vorsitzende des Nobelkomitees 1964 mit nämlicher Geste Martin Luther King überreicht. Der Bürgerrechtler seinerseits schüttelt im selben Jahr Lyndon B. Johnson die Hand, als der Präsident den Civil Rights Act unterzeichnet. Die Rechte, die dabei die Feder führt, verbindet 1967 per Shakehands Johnson mit dem pakistanischen Präsidenten Ayub Khan, den John F. Kennedy 1961 in Washington begrüßt – wo JFK sich auch von Helen Keller Worte mit dem Fingeralphabet in die Handfläche schreiben lässt.

Ein Kreis der Geschichte des 20. Jahrhunderts ist geschlossen, aufgezeichnet neben sechs weiteren in der Grafik „Circles II“. Sieben ohne Ton in Endlosschleife laufende Collagen aus Archivmaterial, arrangiert in Form eines Bandes auf dem Bildschirm, zeigen als „Circles I“ im Film die öffentlich ausgestellten Kontakte, meist sogar Hautkontakte, von Mensch zu Mensch auf der politischen Bühne: eine Choreografie der Macht, eine Folge von Inszenierungen, aber auch eine soziale Kettenreaktion, die Personen zu Reigen arrangiert und immer neue Kreise formt. Sichtbar werden diese erst in der Retrospektive. Dann ergeben sich mögliche Ansichten der Historie. So machen wir uns ein Bild von der Vergangenheit.

Für den 1989 geborenen Jonas Englert ist der Blick zurück kein nostalgischer, sondern ein Teil seines aktuellen künstlerischen Forschens. In seinem Egelsbacher Atelier, einem Flachbau aus den Siebzigerjahren, sitzt er zwischen Fernsehmonitoren, Laptop und einer Glasfront, die den Blick ins Grüne wie ein gigantischer Bildschirm rahmt. Im Schnelldurchlauf lässt er Teile sein neuesten, noch unveröffentlichten Projekts über einen Screen laufen: eine filmische Interpretation klassischer und neuer Musik, die mit vorgefundenem und eigenem Material den Bogen spannt von der biologischen Genesis bis zur Entgrenzung des Humanen im All. Viel mehr mag und kann Englert noch nicht verraten oder zeigen. Auch was das Thema der philosophischen Dissertation betrifft, an der er arbeitet, bleibt er lieber im Ungefähren: Es geht um Historiografie.

Wie wird man ein „Zoon Politicon“?

Worum auch sonst, möchte man sagen, wenn man ein anderes, seit 2015 laufendes Projekt von ihm vor Augen hat: „Zoon Politikon“ heißt es und fragt danach, was es heute hierzulande heißen könnte, ein politisches Wesen zu sein, das gesellschaftliche Umwälzungen erlebt und mitgestaltet hat. Es geht darum, wie man ein solcher Mensch wird – und wie man sich selbst sein eigenes Werden und Verändertwerden erklärt. Das bedeutet: wie man sich und anderen davon erzählt.

Daniel Cohn-Bendit beginnt nicht etwa mit seiner Politisierung im zeitlichen Vorfeld von 1968, sondern in nuce mit seiner Zeugung, die erst die Landung der Alliierten in der Normandie ermöglicht hatte. Rita Süssmuth erzählt dagegen nüchtern von einem Anruf aus dem Kanzleramt aufs Zugtelefon, der sie aus der Wissenschaft in die Runde der Bundesminister umlenkte. Der inzwischen verstorbene, langjährige Frankfurter Kulturdezernent Hilmar Hoffmann berichtet, wie er als Fallschirmspringer den Schritt in die Waffen-SS umging und 1944 in Kriegsgefangenschaft geriet – in der Normandie.

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