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#Lebt hier denn wirklich keiner?

Lebt hier denn wirklich keiner?

Am 8. August 1917 setzte sich der Maler Tom Thomson in sein Kanu und ruderte auf einen See im Naturreservat Algonquin Park in Ontario hinaus, den Canoe Lake. Wenig später wurde sein Boot gesichtet, mit dem Kiel nach oben im Wasser treibend. Von Thomson fehlte acht Tage lang jede Spur. Dann fand man seinen Leichnam im See, mit kleinen Verletzungen, die später das Gerücht nährten, er sei einem Verbrechen zum Opfer gefallen. Dass der in der Wildnis überaus erfahrene Thomson, der als Brandwächter und Guide gearbeitet hatte und die Umgebung bestens kannte, einfach verunglückt war, wollte man nicht glauben. Vielleicht, weil es so unglaublich klingt, dass ein Zufall, womöglich eine Unachtsamkeit auf dem Wasser eine der vielversprechendsten Malerkarrieren der kanadischen Kunstgeschichte so schlagartig zerstörte.

Tilman Spreckelsen

Immerhin hatte Thomson die 39 Lebensjahre, die ihm vergönnt waren, mit großem Fleiß genutzt. Er hinterließ an die fünfzig ausgeführte Ölbilder und etwa 400 Ölskizzen, von denen viele in seiner kanadischen Heimat mittlerweile als Klassiker gelten und in Reproduktionen omnipräsent sind – etwa „The West Wind“ (1916/1917), das für seine Verhältnisse ungewöhnliche flächige Bild einer Kiefer am steinigen Ufer eines Sees, in dem es zu brodeln scheint, ebenso wie in der aufgerissenen Wolkendecke am Himmel.

Kanadische Ikone: Tom Thomsons „The West Wind“


Kanadische Ikone: Tom Thomsons „The West Wind“
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Bild: Art Gallery of Ontario

Dem Westwind, der beides bewirkt und darin in diesem Bild auch sichtbar wird, stemmt sich die schlanke Kiefer beinahe elegant entgegen, und diese Konstellation, Naturgewalt und geschmeidiger Widerstand, begegnet auf einigen Bildern und Skizzen Thomsons, der als Kanufahrer wußte, wie man Naturgewalten ausnutzt.

Die Ausstellung „Magnetic North-Mythos Kanada in der Malerei 1910-1940“, die in Frankfurts Schirn bereits vollständig hängt, enthält über dreißig Arbeiten Thomsons. Eigentlich ist sie Teil des Begleitprogramms zum kanadischen Gastlandauftritt der Frankfurter Buchmesse, der wegen Corona vom letzten in diesen Herbst verschoben werden musste. Dass nun auch die Ausstellung wegen der Epidemie zunächst nicht zu sehen ist – lediglich virtuell sind bislang einzelne Exponate und ein Begleitprogramm zu erleben –, zeigt noch einmal, welchen Verlust an Kulturerfahrung uns die Situation einträgt, und wie viel geplantes Zusammenspiel dadurch ins Leere läuft. Denn der Mythos, der durch die von Martina Weinhart kuratierte Ausstellung dargestellt und zugleich dekonstruiert werden soll, nämlich – vereinfacht gesagt – der von dem wilden, menschenleeren Land, das die europäischen Einwanderer in Besitz genommen hätten, als gäbe es dort keine indigenen Völker, dieser Mythos wird inzwischen genau so in Büchern für junge Leser und Erwachsene dekonstruiert, die, gefördert durch das gut ausgestattete Übersetzungsförderungsprogramm des Gastlands, 2020 auf deutsch erschienen sind (F.A.Z. vom 10. Oktober 2020) und weiterhin erscheinen werden.

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