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#Leere Stadien, schwarzer Bildschirm

Leere Stadien, schwarzer Bildschirm

Für den französischen Fußball war es ein „schwarzer Montag“: Notfallmäßig versuchte die französische Liga, die Fernsehrechte für dreieinhalb Spielzeiten neu zu vergeben. Seit Beginn der Saison gehörten sie „Téléfoot“. Im Oktober war der neue Sender zahlungsunfähig. Zum Jahreswechsel gingen die Rechte an die Liga zurück. Doch am Montag reichte keiner der früheren Anbieter ein Angebot ein. Die Neulinge Amazon, Dazn und Eurosport (Discovery) spekulierten vergeblich auf ein Schnäppchen. Am Abend gab Liga-Präsident Vincent Labrune das Scheitern der Ausschreibung bekannt. Kommenden Sonntag steht das Spiel des Jahres zwischen Olympique Marseille und PSG Paris an. Wer wird den Geister-„Classico“ übertragen?

Jürg Altwegg

Frankreich ist Fußball-Weltmeister. Nach der spektakulären Vergabe der Fernsehrechte für die nationale Meisterschaft der Jahre 2020 bis 2024 verkündete die Liga, sie gehöre nun zur europäischen Spitzenklasse. Mit der Premier League, Spaniens Liga, der italienischen Serie A und der Bundesliga bilde die Ligue 1 jetzt die „Big Five“, 1,3 Milliarden Euro werde die Meisterschaft fortan einspielen. Die Vermarktungskünstler hatten die Pakete so geschnürt, dass man ein Maximum aus dem Produkt herauspressen konnte. Free zum Beispiel darf alle Tore, ein paar Sekunden nachdem sie gefallen sind, auf den Handys zeigen – Preis: 50 Millionen.

Größer noch als die Geldgier der Klubpräsidenten war ihre Blindheit. Der bisherige Anbieter Canal+ wurde kaltschnäuzig abserviert. Den Zuschlag bekam der Marktneuling Mediapro, ein spanisches Unternehmen mit chinesischem Mehrheitsaktionär. Zuvor war Mediapro in Italien der gleiche Coup geglückt, doch nach vielen Zweifeln wurden der Firma die Rechte an der Serie A wieder weggenommen. Die vom versprochenen Geldsegen geblendete französische Liga verlangte nicht einmal eine Bankgarantie: 890 Millionen Euro würde Mediapro jährlich für achtzig Prozent der Spiele an die Klubs überweisen, das waren rund fünfzig Prozent mehr als bisher. Mediapro-Geschäftsführer Jaume Roures setzte auf 3,5 Millionen Abos zum Tarif von 25 Euro pro Monat.

Canal+, seit Jahrzehnten ein verlässlicher Partner der Liga, war der große Verlierer des Deals. Dem Verlust der französischen Meisterschaft ging jener der Premier und der Champions League voraus. Die Kulturszene war geschockt: Canal+ spielt bei der Produktion und dem Vertrieb des französischen Films eine Schlüsselrolle. Der Bezahlsender verlor mehr als eine halbe Million Abonnenten. Mit geschickten Kooperationen holte er sich die englische und die europäische Klubmeisterschaft zurück. Von beIN übernahm er die Rechte an zwei Spielen pro Wochenende, eines davon ist auch auf Téléfoot zu sehen: zum Preis von 330 Millionen Euro.

Im vergangenen Frühjahr setzte die Corona-Pandemie ein und die Regierung die Meisterschaft ab. In anderen großen Ländern Europas wurde sie zu Ende gespielt. Seither läuft im französischen Fußball nichts mehr rund. Keine Einnahmen aus dem Kartenverkauf, kaum noch Geld vom Fernsehen und den Sponsoren. Über zahlreichen Vereinen schwebt der Pleitegeier.

Aber zum Anpfiff der laufenden Saison war Téléfoot trotz aller Skepsis bereit. Im August wurde die erste Rate von 150 Millionen Euro überwiesen. Die Techniker und mehr als sechzig Journalisten leisteten gute Arbeit. Doch bei den Abonnenten harzte es, ihre Zahl stagnierte um die halbe Million – Tendenz rückläufig. Die Meisterschaft hatte an Wert verloren und wurde zusehends zu einem Nischenprodukt. Leere Stadien und im Fernsehen weniger Zuschauer denn je. Canal+ erreichte mit seinen Rugby-Übertragungen derweil neue Rekorde. Téléfoot forderte Rabatt, die Liga stellte sich taub und musste in England einen Notkredit aufnehmen: Die im Oktober fällige Zahlung war ausgeblieben. Didier Quillot, der für die Liga die Vergabe der Rechte organisiert hatte, zahlte seine Kommission von 500.000 Euro zurück.

Mitte Dezember drohte dem französischen Fußball der schwarze Bildschirm. Mit dem Segen des Konkursrichters wurde ein Kompromiss ausgehandelt: Mediapro gibt die Rechte zurück und stottert in zwei Raten hundert Millionen Euro ab, die Liga verzichtet auf weitere Forderungen. Sie erwartete, dass Canal+ die Spiele übernähme. Die Rede war von einer mündlichen Absprache über 590 Millionen und einem Bonus von hundert Millionen Euro. Damit hätten sich die Einbußen in Grenzen gehalten. Seit dem Ende der Winterpause sendet Téléfoot im Auftrag der Liga, der die spärlichen Einnahmen überwiesen werden.

Die Neuausschreibung ausschließlich der Mediapro-Rechte wurde von „Canal+“ vor Gericht angefochten. Der Bezahlsender wollte alle Pakete neu verhandeln und weniger bezahlen. Die Verhandlungsposition von Canal+ wird aber immer stärker. Sein Präsident Maxime Saada machte deutlich, dass eine Meisterschaft mit zwanzig Mannschaften zu viele Spiele von äußerst beschränkter Attraktivität produziere. Die am Freitag fällige Rate wird er vermutlich nicht überweisen. Und abwarten. Bis die Liga, die ihn demütigte, von sich aus bei ihm vorstellig wird.

Canal+ arbeitet mit allen potentiellen Kandidaten zusammen – und keiner hat ein Angebot eingereicht. Die Frage ist: Was will Amazon? Um welchen Preis? Eine Aufteilung der Rechte ist denkbar. Vincent Labrune führt jetzt Einzelverhandlungen. Es eilt. Die Liga hat schon viele Eigentore geschossen. Im besten Fall werden die Vereine auf zwei- oder dreihundert Millionen Euro verzichten müssen. Vielen droht der Bankrott. Labrune will sich am Donnerstag äußern: „48 Stunden für das Überleben“, titelte „L’Equipe“.

Der frei empfangbare Privatsender M6 (Bertelsmann) hat angeboten, am Sonntag den „Classico“ zu übertragen. Noch steht auf den gedruckten Programmen Téléfoot. Die meisten Wetten laufen auf Canal+: Mit Olympique Marseille gegen PSG kann man Abos generieren. Es gilt, die Gunst der Stunde zu nutzen. Die Liga braucht nicht nur Geld, sondern auch ein großes Schaufenster für den französischen Fußball.

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