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#Licht am Ende des Tunnels

Licht am Ende des Tunnels

Die Masken sind gefallen in Dänemark, und das Staunen darüber, dass wieder eine Kunstmesse in Kopenhagen stattfinden kann fast ohne Restriktionen, kennt kaum Grenzen in der Kunsthalle Charlottenburg. Dicht drängen sich die Besucher der neunten Ausgabe der CHART, und der wohl am häufigsten fallende Satz lautet: „Ist es nicht unglaublich?“ Für Nanna Hjortenberg, die Direktorin der Messe, fühlt es sich an „wie Weihnachten“.

Im Vorjahr hatte sich die von Kopenhagener Galeristen begründete Veranstaltung, die sich selbstbewusst als das „führende nordische Event für Gegenwartskunst“ bezeichnet, der Corona-Krise wegen zersplittern müssen: Statt an einem Ort stellten Galeristen in fünf skandinavischen Hauptstädten aus. Die Konzentration auf Arbeiten von Frauen sorgte für konzeptionellen Zusammenhalt, eine Kunstmesse im eigentlichen Sinne war es dennoch nicht. Nun sind wieder 37 Aussteller in dem einstigen Schloss versammelt, kaum weniger, als es 2019 waren. Aus Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden sind 26 Galerien dabei, dazu elf Off-Spaces.

Die Magie der Berührung: Sif Itona Westerbergs Relief „Fragments I“ aus Porenbeton ist klassich-mythologisch inspiriertz. 2021, 60 mal 40 mal 7 Zentimeter, Galerie Gether Contemporary, Preis auf Anfrage.


Die Magie der Berührung: Sif Itona Westerbergs Relief „Fragments I“ aus Porenbeton ist klassich-mythologisch inspiriertz. 2021, 60 mal 40 mal 7 Zentimeter, Galerie Gether Contemporary, Preis auf Anfrage.
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Bild: CHART & Gether Contemporary

Der Anteil der Künstlerinnen liegt dieses Mal bei rund fünfzig Prozent. Ein Kuratoren-Programm stärkt den Netzwerkcharakter, ein Onlinejournal fragt nach der Zukunft des Messebetriebs, und eine kleine feine Buchmesse wurde angeschlossen, in der Verlage Künstlerbücher und Druckpreziosen präsentieren. Nach anderthalb Jahren des pandemisch erzwungenen Digitalisierungsschubs setzt Nanna Hjortenberg einen Akzent auf das Physische, Haptische und die direkte Begegnung mit Kunst.

Skandinavien in Amerika

Die Pandemie hat die CHART in ihrer bodenständigen Ausrichtung auf Skandinavien und das weitere Europa bestätigt. Die Kontakte in die Vereinigten Staaten sollen jedoch intensiviert werden: Auf der Messe präsentiert sich das Buffalo AKG Art Museum als Partner, das im kommenden Jahr in einem neuen Gebäude eine Galerie mit zeitgenössischer nordischer Kunst einrichten will, privat finanziert von beiden Seiten des Atlantiks.

Im Nahkampf: Anastasia Bays großfortamtiges Bild „Boxer“, 2021, Acryl auf Leinwand, Preis auf Anfrage bei NEVVEN.


Im Nahkampf: Anastasia Bays großfortamtiges Bild „Boxer“, 2021, Acryl auf Leinwand, Preis auf Anfrage bei NEVVEN.
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Bild: Nevven & CHART

Wie ein Denkmal für den gegenwärtigen Augenblick, da wieder reale Kontakte möglich werden, wirkt die 2020/21 entstandene Installation „Framing Presence“ von Hannah Toticki. Die von der dänischen Galerie SPECTA vertretene Künstlerin hat eine Sitzkonstruktion für zwei Personen geschaffen, die von einer halbtransparenten Folie getrennt werden. Ein rechteckiger Ausschnitt gibt den Blick auf das Gesicht frei – statt eines Bildschirms. Dass dieses ironische Möbel eine Hommage an Marina Abramović und Ulay ist, erhöht seinen Reiz (16.200 Euro).

Von Angesicht zu Angesicht

Antidote zum Übermaß an „Screen Time“ hat Trine Søndergaard: Auf ihren 2020 entstandenen, an Jan Vermeer erinnernden Fotografien von Frauen unter historischen Hauben bei der Martin Asbæk Gallery (42.000 dänische Kronen) wenden die Porträtierten das Gesicht ab wie bei „Becky“ von Gerhard Richter. Das Sehen- und Gesehenwerden satt haben auch die Protagonistinnen der Gemälde von Jenni Hiltunen bei der Galerie Forsblom. Dass ihre heiteren Missmut verbreitenden Figuren nun überdies als Keramiken entstehen (1500 bis 5500 Euro), dürfte Sammler der Finnin freuen.

Für Menschen, die sich nach all den Zoom-Konferenzen erst wieder an echte Begegnungen gewöhnen müssen: Hannah Totickis Installation „Framing Presence“, 2020, aus Fiberglas, Holz, Stahl und Acryl misst 185 mal 185 mal 60 Zentimeter, 16.200 Euro bei der Galerie SPECTA.


Für Menschen, die sich nach all den Zoom-Konferenzen erst wieder an echte Begegnungen gewöhnen müssen: Hannah Totickis Installation „Framing Presence“, 2020, aus Fiberglas, Holz, Stahl und Acryl misst 185 mal 185 mal 60 Zentimeter, 16.200 Euro bei der Galerie SPECTA.
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Bild: Hannah Toticki SPECTA

Mit düsterem Ernst stellt dagegen die Norwegerin Wiebke Tandberg bei der Galerie OSL Contemporary Antlitzdiagnosen: Sie fotografiert sich mit entstellenden Gummimasken und schlüpft in die Rolle eines männlichen Seniors; Fotografien der Serie „Old Man“ von 2019/20 in einer Auflage von 3 plus APs sind einzeln von 42.000 norwegischen Kronen an zu haben. Noch schonungsloser ist Anna-Karin Rasmusson, präsentiert von der Cecilia Hillström Gallery: Im Vier-Kanal-Video „The Order of Things“ von 2021 weint ihr Alter Ego schwarze Tränen und randaliert ein maskiertes Kind (Auflage 5; 15.000 Euro).

Aufatmen kann man mit Eeva Karhu. Die Vertreterin der Helsinki School schafft durch Bildüberlagerungen von Fotografien, die über längere Zeiträume auf immer gleichen Wegen entstehen, Landschaften mit chronologischer Tiefe. Die fragmentierte Offenheit des großformatigen Pigmentdrucks „En pleine air, Summer 1“ von 2021 bei Persons Project wird viele an coronakonforme Spaziergänge erinnern (7500 Euro).

Schwarz sein in Skandinavien: Sandra Mujinga, „Touch Face 1-3“,2018, beschichtetes Leder, Polyester und andere Materialien, jeweils 270 mal 60 mal 30 Zentimeter, Preis auf Anfrage bei der Galerie Croy Nielsen.


Schwarz sein in Skandinavien: Sandra Mujinga, „Touch Face 1-3“,2018, beschichtetes Leder, Polyester und andere Materialien, jeweils 270 mal 60 mal 30 Zentimeter, Preis auf Anfrage bei der Galerie Croy Nielsen.
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Bild: Jan Søndergaard, Croy Nielsen & CHART

Raumgreifend ist dagegen der Auftritt der Osloer Galerie Peder Lund: Sie geht in die Vollen mit einer Installation, die von Constantin Brâncușis Fotografie „Vue de l’atelier“ inspiriert ist: Arbeiten von Louise Bourgeois, Ida Ekblad, Isa Genzken, Roni Horn, Liz Larner, Paul McCarthy, Lucas Samaras und Franz West sind in dem Arrangement vereint (von 35.000 bis 450.000 Dollar).

Mit VR abtauchen im China-Restaurant

Einen Gegenpol zu diesem bunten Rencontre der Stars stellt das knochenweiße Interieur der Künstlerin Lap-See Lam dar. Wie Fundstücke aus einem Schiffswrack wirken Möbel aus dem 3-D-Drucker, die mit der Virtual-Reality-Installation „Phantom Banquet“ in geisterhafte China-Restaurants in der Diaspora entführen (VR 360-Grad-Video, Auflage 4 + 2 APs; 35.000 Euro); die Galerie Nordenhake hofft, ein Museum als Käufer dafür zu gewinnen.

Alles Bio: Johanne Hestvold, „Isolation (The Humble Administrator's Garden)“, 2021, besteht aus Myzelkomposit und der Sockel aus Beton, 110 mal 43 mal 42 Zentimeter, Galerie Golsa, 10.000 Euro.


Alles Bio: Johanne Hestvold, „Isolation (The Humble Administrator’s Garden)“, 2021, besteht aus Myzelkomposit und der Sockel aus Beton, 110 mal 43 mal 42 Zentimeter, Galerie Golsa, 10.000 Euro.
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Bild: Johanne Hestvold / Golsa

Das ist der Galeristin Tuva Trondsdatter Trønsdal von Golsa schon gelungen: Das SKMU Sørlandets Kunstmuseum hat kürzlich eine Skulptur von Johanne Hestvold erstanden, gefertigt aus – Pilzmyzel. Auf der CHART sind weitere Objekte der Norwegerin zu sehen, die Formen von Einmalverpackungen mit der Kartografie von Parks im ungewöhnlichen Material vereinen (von 10.000 bis 13.000 Euro).

Für weniger auf Bio eingestellte Sammler gibt es Natur, als Bildgegenstand statt Arbeitsmaterial, in Hülle und Fülle: wilde Blüten in Gemälden von Kristín Morthens bei Pula aus Reykjavík; Mensch und Tier mythologisch vereint in Reliefs von Sif Itona Westerberg bei Gether Contemporary; ätherische Landschaftsmalerei von Emma Hartmann bei Galleri Andersson/Sandström. Das Licht des Nordens, es leuchtet wieder.

Eintritt 125 Kronen (knapp 17 Euro).

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