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#Mahmuds Schwester heißt Jasmin

Mahmuds Schwester heißt Jasmin

Vor zwei Jahren hat die Bundesregierung eine Fachkommission eingesetzt, die sich „mit den Rahmenbedingungen der Integrationsfähigkeit befassen“ sollte. Der abschließende Bericht, den die Kommission kürzlich vorgelegt hat, enthält den überraschenden Vorschlag, in Zukunft auf den Begriff des „Migrationshintergrunds“ zu verzichten und nur noch von „Eingewanderten und ihren Nachkommen“ zu sprechen. Immer noch, hieß es zur Begründung, würden Menschen mit dem Label Migrationshintergrund stigmatisiert und damit aus der Mehrheitsgesellschaft ausgegrenzt. Was aber, wenn diese Nachkommen von ihren Eltern Vornamen bekommen, die eindeutig aus dem Land ihrer Herkunft stammen und nicht deutsch klingen? Ist das nicht eine Form der symbolischen Selbstausgrenzung, von der aus es nicht weit ist zur Unterstellung, in dieser Namenswahl drücke sich ein Mangel an Integrationsbereitschaft aus?

In der Migrationsforschung gilt die Namenswahl für den eigenen Nachwuchs als ein sehr guter Indikator für die tatsächliche Assimilation von Zugewanderten, da sie eben mehr ist als eine Absicht oder eine Einstellung: Es ist eine echte Entscheidung mit lebenslangen Konsequenzen für das Kind, und es ist eine sehr persönliche Entscheidung von immenser symbolischer Bedeutung, die kaum staatlichen oder gesellschaftlichen Einschränkungen unterliegt. Dabei haben bisherige Studien einen erstaunlichen „Gender Gap“ in der Namensvergabe festgestellt: Migranten neigen dazu, ihren Töchtern eher Vornamen aus der Kultur des Zuwanderungslandes zu geben, während sie bei Söhnen eher zu typischen Namen ihres eigenen Herkunftslandes greifen. Warum ist das so?

Jürgen Gerhards und Julia Tuppat haben jetzt mit Hilfe von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) diese Frage untersucht. Die bisherige Forschung hat im Wesentlichen drei Hypothesen entwickelt: Erstens geht sie davon aus, dass Jungs eher als Mädchen die kulturelle Tradition und das ethnische Erbe der Heimat repräsentieren sollen. Zweitens könnte die Wahl eines eher deutschen Vornamens für die Mädchen eine Maßnahme sein, diese vor Diskriminierungserfahrungen zu schützen. Und drittens wäre es möglich, dass die Wahl des Vornamens der Mädchen eher den Müttern überlassen wird, die sich einigen Studien zufolge rascher als Männer kulturell assimilierten. Diese Hypothesen wurden von Gerhards und Tuppat allerdings noch ergänzt: Sie können mit dem SOEP auf Daten zu 905 Kindern und ihren zugewanderten Eltern aus insgesamt 49 Ländern zurückgreifen; das ermöglicht ihnen zu fragen, ob sich der Gender Gap in der Vornamenswahl nicht vor allem mit den kulturellen Unterschieden der Herkunftsländer einerseits und dem Maß der Integration der Eltern andererseits erklären ließe.

Indikator für die Bereitschaft zur Integration

Die Befunde bestätigen den erwarteten Gender Gap auch für Deutschland: Während 56 Prozent der Mädchen einen Namen bekamen, den man der deutschen Mehrheitsgesellschaft zurechnen konnte, lag dieser Wert bei den Jungen bei nur bei 42 Prozent. Je nach Schicht und Religionszugehörigkeit unterscheiden sich die Befunde erheblich: So zeigen Muslime die geringste Bereitschaft, ihren Kindern eher deutsche Namen zu geben – nur neun Prozent taten das, drei Prozent bei den Jungen und zwölf bei den Mädchen. Am stärksten ausgeprägt ist der Gender Gap aber bei orthodoxen Christen, wo 80 Prozent der Mädchen, aber nur 45 Prozent der Jungen einen deutschen Namen bekamen. Generell gilt aber: Eine niedrige Schulbildung und das Beibehalten der alten Staatsbürgerschaft gehen einher mit einer traditionellen Namensvergabe und einem stark ausgeprägten Gender Gap zwischen Jungen- und Mädchennamen.

Ganz wichtig ist aber auch die Frage der Gleichstellung von Männern und Frauen im Herkunftsland: Je höher die dortige Gleichstellung der Geschlechter, desto größer ist auch die Bereitschaft der von dort Zugewanderten, ihren Kindern unabhängig von deren Geschlecht einen Vornamen zu geben, der in der deutschen Mehrheitsgesellschaft gebräuchlich ist.

Gerhards und Tuppat warnen angesichts ihrer Befunde aber vor einem Schnellschuss: Es wäre zu einfach anzunehmen, dass je besser Migranten integriert seien, desto eher würden sie sich auch zur Kultur des Zuwanderungslandes bekennen. Seinem Kind einen typischen deutschen Namen zu geben, könnte vielmehr auch eine Vorsichtsmaßnahme sein, weil die Eltern ihr Kind damit vor jenen Diskriminierungserfahrungen schützen wollen, die sie selbst erfahren haben. Die Autoren nennen dies das „Integrations-Paradox“: Größere Integration kann durchaus das Bewusstsein für Diskriminierung stärken. Wer sich nämlich gar nicht bemüht, dazuzugehören, wird auch weniger Ablehnung erfahren. Was auch immer die Motive sind, grundsätzlich gelte aber, ein eher deutscher Vorname dürfte einen Integrationsvorteil bieten. Die Studie zeigt, dass dieser Vorteil in den Migrantenfamilien eher bei den Mädchen liegen dürfte, zusätzlich zu ihrem ohnehin schon größeren Schulerfolg.

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