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#Ist das eine neue SPD?

Ist das eine neue SPD?

Jeder ist gerne dabei, wenn Geschichte geschrieben wird. Und von solchen Zuschreibungen gibt es gerade eine ganze Menge: die Ära Merkel endet, die Volksparteien haben sich überlebt, das Siechtum der SPD ist vorbei. Klingt alles verlockend, aber bis auf die Merkel-Ära, die tatsächlich eine Zäsur ist, sollte Vorsicht gelten, aus einem bemerkenswerten Augenblick gleich die ganz große Erzählung abzuleiten.

Mona Jaeger

Stellvertretende verantwortliche Redakteurin für Nachrichten.

Das gilt vor allem für die SPD. Denn durch den knappen Wahlsieg vom Sonntag ist ja nicht plötzlich alles falsch, was jahrelang über die Fehler und strukturellen Probleme der Sozialdemokratie geschrieben und analysiert worden ist. Klassische Wählerschichten sind weggebrochen, das Parteiensystem ist beweglicher geworden. Mit cleverer Politik aber lassen sich natürlich weiterhin Erfolge erzielen. Olaf Scholz ist das ganz offensichtlich mit seiner „Respekt“-Erzählung gelungen – vor allem auch in Ostdeutschland.

Der Wahlerfolg von Scholz beruht vielmehr auf Glück und Geschick. Jetzt wird es für die Partei darauf ankommen, dies in einen dauerhaften Erfolg umzumünzen. Denn auch die erfolgreichste Kampagne endet mit dem Wahltag.

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Ist das jetzt eine neue SPD? Eigentlich ist es eine ziemlich alte, aber aufgebügelte SPD. Wie ein Herbstmantel, den man ein Jahr lang in der Reinigung vergessen hat. Im SPD-Wahlprogramm war viel von Aufbruch und Veränderung die Rede, und die neu zusammengesetzte Bundestagsfraktion verkörpert das auch zu einem guten Teil. Die Wahl gewonnen hat Scholz aber in der Mitte. Um die Merkel-Wähler der Union zu gewinnen, sprach er wie Merkel, blieb ruhig wie Merkel, formte die Raute wie Merkel. Es hat funktioniert. Aber das Herz der SPD-Basis, die Scholz vor knapp zwei Jahren noch abstrafte und ihn nicht zum Vorsitzenden wählte, schlägt links.

Dieser Konflikt ist nicht gelöst, er wird früher oder später wieder aufbrechen. Nur weil Scholz für viele jetzt der Heiland ist, wird in einer von ihm geführten Ampel-Koalition ein eventueller Finanzminister Christian Lindner nicht auch zum Heiligen. Die Endorphine sind endlich. Die „brutale Alternativlosigkeit“, die Jusos und linke Parteiführung bei der Kanzlerkandidatur von Scholz irgendwann einsehen mussten, gilt zwar jetzt erst mal auch für die Koalitionsoption. Denn ein Bündnis mit Grünen und Linken hat keine Mehrheit. Aber wie lange sichert das Ruhe und Harmonie?

Jeder vierte SPD-Abgeordnete ist Juso

Ort der Unruhe könnte die Fraktion werden. Sie ist ziemlich neu: 206 Abgeordnete, 104 von ihnen hatten vorher kein Mandat. Es sind viele (für Politikerverhältnisse) junge Frauen und Männer unter ihnen, jeder Zweite ist jünger als 40 Jahre. Viele altgediente, an die politischen Realitäten angepasste Abgeordnete hatten in der schwachen SPD keine Perspektive mehr gesehen und waren nicht mehr angetreten. Ihre Plätze haben jetzt zuweilen junge Kandidaten eingenommen – die ihre Wahlkreise oft auch noch direkt gewonnen haben. Das stärkt ihr Selbstbewusstsein. Der Generalsekretär und der Fraktionsvorsitzende rufen zwar zur Disziplin. Aber Rolf Mützenich, auch ein Linker, der aber integrieren kann, könnte bald Bundestagspräsident werden. Das bedeutete zumindest vorübergehend Instabilität in der Fraktion.

Jeder vierte SPD-Abgeordnete ist Juso. Die Jungsozialisten sind kein Rudel von Welpen, das nur auf ein Kommando von Herrchen Kevin Kühnert wartet. Aber klar ist, dass deren Mobilisierungsmoment nicht die Verkündung von Scholz’ Kandidatur war. Viele von ihnen sind vielmehr geprägt vom Kampf gegen die große Koalition, den Kühnert einst anführte. Seine Nachfolgerin als Juso-Vorsitzende, Jessica Rosenthal, ist nun auch Bundestagsabgeordnete. Wenig überraschend gab sie vor kurzem die Linie vor, dass für sie an eine Entlastung der oberen Einkommensgruppen nicht zu denken sei – was die FDP ja möchte.

Druckmittel der Mitgliederbefragung

Die SPD hat ihre größte Wunde, die Hartz-Reformen unter Kanzler Gerhard Schröder, recht gut geheilt, indem sie sich unter Andrea Nahles ein neues Sozialstaatskonzept gab. Die jetzt in Frage kommenden Koalitionspartner können gleichwohl neuen Zündstoff liefern. Sollte die SPD das Kanzleramt erringen, wird dieser Erfolg über so manches inhaltliche Zugeständnis hinwegtrösten. Was aber nicht mit der Fraktion und auch der Partei zu machen sein wird: Wir stellen den Kanzler, FDP und Grüne die Inhalte. Das zeigten schon die verbalen Attacken des Parteivorsitzenden Walter-Borjans gegen die FPD.

In der SPD gibt es also noch immer viel Potential für Unruhe. Es ist die Frage, ob sich Leute finden, die glauben, Kapital daraus schlagen zu können, wenn sie diese Unruhe anfachen. Gut möglich, dass doch noch das Druckmittel einer Mitgliederbefragung aus der Kiste geholt wird, je nachdem, wie die Sondierungen verlaufen werden. Es wäre nicht klug.

Die SPD hat sich innerhalb sehr kurzer Zeit zum Kanzlerwahlverein gemausert. Ob sie ein Kanzlerhalteverein wird, muss sich noch zeigen.

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