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#Mehr als hundert Migranten aus Belarus jeden Tag

Mehr als hundert Migranten aus Belarus jeden Tag

In Litauen hat die Regierung wegen eines starken Zustroms von Migranten über das Nachbarland Belarus den Notstand ausgerufen. Innenministerin Agne Bilotaite sagte zu der Entscheidung vom Freitagabend, es gebe „keine großen Herausforderungen, die wir nicht bewältigen können, doch es ist wichtig, die rechtlichen, technischen und logistischen Instrumente zu haben, um auf die Herausforderungen mit schnellen Entscheidungen reagieren zu können“.

Gerhard Gnauck

Politischer Korrespondent für Polen, die Ukraine, Estland, Lettland und Litauen mit Sitz in Warschau.

Seit Freitag hat der Grenzschutz jeden Tag weit mehr als hundert Migranten aufgegriffen, die illegal über die waldreiche Grenzregion zu Belarus ins Land gekommen waren. Die meisten kamen bei Druskininkai in der Nähe des Dreiländerecks zu Belarus und Polen ins Land.

Insgesamt wurden damit seit Jahresbeginn mehr als 1200 Migranten an der Grenze zu Belarus aufgegriffen – nach nur 81 im gesamten Vorjahr. Die Regierung sieht darin ein Mittel des „hybriden Kriegs“ des Lukaschenko-Regimes gegen die Europäische Union. Der Diktator hatte in diesem Jahr öffentlich gedroht, bisher habe Belarus „Drogen und Migranten“ an der Grenze gestoppt, aber das werde sich ändern.

„Wir brauchen einen Zaun oder ein lebendes Hindernis“

Litauens Innenministerin Bilotaite sagte, sie habe an alle Kommunen des drei Millionen Einwohner zählenden Landes eine Anfrage geschickt, ob sie Migranten aufnehmen könnten und was das kosten würde. Bis Mittwoch sollen die Antworten vorliegen. Bisher werden die Migranten – zumeist aus dem Irak, Iran, Syrien, afrikanischen Ländern und aus Belarus selbst – in der Regel aufgegriffen und in eine spontan errichtete Zeltstadt bei Pabrade gebracht. Eine weitere Zeltstadt soll entstehen.

Die Migranten müssen sich bei der Ankunft und noch einmal nach zehn Tagen einem Covid-Test unterziehen. Einige haben laut Grenzschutz keine Ausweispapiere bei sich, viele haben Asyl beantragt. Damit dürfen sie zunächst in der EU und im Schengen-Raum bleiben. Die litauische Regierung will offenbar auch Soldaten und sogar Angehörige eines Schützenverbands mobilisieren, um die Lage unter Kontrolle zu halten.

Der liberale Bürgermeister der Hauptstadt Vilnius, Remigijus Simasius, hat sich zum Aufruf der Regierung skeptisch geäußert. Der Wohnraum, den er zur Verfügung stellen könne, werde nicht sehr komfortabel sein. Schulgebäude kämen in Frage, Hotels jedoch nicht. Er rief dazu auf, „offen zu reden und der internationalen Gemeinschaft und potentiellen Migranten die Botschaft zu senden, dass wir nicht das Land sind, das die Tore offen hält, wo sie auf Rosen gebettet sein werden und es ihnen gut gehen wird“.

Zunächst müsse man sie „aus humanitären Gründen“ aufnehmen, aber das reiche nicht: „Wir brauchen entweder einen Zaun oder ein lebendes Hindernis oder sonst etwas, um ihre Zahl zu begrenzen. Heute haben wir Hunderte Migranten, es können auch Zehntausende werden, wenn das Problem nicht an der Wurzel gelöst wird.“ Was genau er damit meint, ließ er offen.

Rat von den Kollegen in Griechenland

Am Montag kündigte Innenministerin Bilotaite an, das Verfahren der Asylgewährung möglichst auf zehn Tage zu verkürzen. Man hole Rat von den Kollegen in Griechenland ein, wie mit Personen, die weder Papiere zeigen, noch Auskünfte geben wollten, zu verfahren sei. Vertreter Litauens würden auch in den Irak und die Türkei reisen, um über eine Rückkehr der Migranten zu sprechen. Es gebe Hinweise darauf, dass die Personen in Belarus in Zentren versammelt würden, um sie dann organisiert Richtung Litauen zu transportieren, auf „eine absichtsvolle und gut organisierte Aktion“.

Die europäische Grenzschutzbehörde Frontex hat inzwischen zehn Beamte und einige Fahrzeuge zur Unterstützung ins Baltikum entsandt, den größeren Teil nach Litauen, die übrigen nach Lettland. Weitere dreißig Beamte sind noch für diesen Monat angekündigt. „Wir haben jetzt einen Aufruf an alle EU-Staaten geschickt, Personal bereitzustellen“, sagte ein Sprecher der Behörde der F.A.Z. am Montag.

Die Beamten aus anderen Ländern kämen mit ihren Dienstpistolen, doch ohne das Recht, jemand festzunehmen: „In jeder Patrouille ist eine Ortskraft dabei, die das tun kann.“ Ob Belarus die illegale Migration begünstigt, wollte der Sprecher nicht kommentieren. „Wir sehen einen Trend, dass bestimmte Länder außerhalb der EU Migranten als geopolitisches Instrument einsetzen, was Frontex noch wichtiger macht.“

Der ungewöhnliche Zustrom von Migranten hatte vor mehreren Wochen begonnen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte Litauen bei einem Besuch in Vilnius vorige Woche Unterstützung zu: „Ihre Sorgen und Ihre Probleme hier in Litauen sind europäische Probleme und europäische Sorgen.“ Am Montag wurde auch EU-Ratspräsident Charles Michel in Vilnius erwartet. Er soll in Litauen die Ostgrenze besuchen und über Probleme der Nachbarschaft mit Belarus und Russland sprechen, darunter neben der Migration auch über das neue grenznahe Atomkraftwerk Astrawez in Belarus.

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