#Migration und Gesellschaft: Gegenbewegung zum linksliberalen Zeitgeist
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Die Deutschen halten sich für ein weltoffenes Volk, aber sie tun sich manchmal schwer damit, über ihre Grenzen hinauszublicken. Dort lässt sich lernen, dass der Aufstieg der AfD kein Sonderphänomen ist. Rechtspopulistische Bewegungen sind in den vergangenen Jahren in vielen Ländern der westlichen Welt entstanden. Während man hier über kommunale Ämter der AfD diskutiert, haben es Politiker dieser Richtung anderswo bekanntlich schon in die Regierung geschafft, von Trump bis Meloni. Sie haben grundlegende Kursänderungen angestoßen wie den Brexit.
Man kann die Lage in den verschiedenen Staaten Europas und Nordamerikas nicht über einen Kamm scheren. Es gibt nationale Besonderheiten, unterschiedliche politische Systeme und Kulturen. Aber wenn mehr oder weniger gleichzeitig in großen Teilen der entwickelten Welt ein beträchtlicher Teil der Wähler Zuflucht bei einem ähnlichen Parteientyp sucht, dann kann das kein Zufall sein.
Es ist kein Kommunikationsproblem
Der erste Fehler, der da in der deutschen Analyse immer wieder gemacht wird, ist, dass man das Phänomen als Folge eines Kommunikationsproblems beschreibt. Dass die Regierung (wahlweise die Opposition) ihre Politik nur besser erklären müsse, hat die populistische Welle noch in keinem Land gebrochen. Im Gegenteil, der Einwand wird vom Wähler als paternalistisch empfunden. Das ist er ja auch: Man stellt die Wahlentscheidung als uninformiert, wenn nicht dumm dar. Das Hauptargument dieser Bewegungen, dass es einen Gegensatz zwischen Elite und Volk gebe, wird so nur gestützt.
Was den Rechtspopulismus treibt, ist kein Geheimnis. In vielen Ländern trauern die Leute einer (oft nur imaginierten) besseren Zeit nach, als es noch ein klassisches Rollen-, Geschlechter- und Familienverständnis gab. Nicht ohne Grund liegt der Bezugspunkt oft in den Fünfziger- und Sechzigerjahren. Sie waren in vielen Industrieländern eine Zeit großer Wohlstandsgewinne bei gleichzeitiger Stabilität wichtiger Milieus von Kirche bis Sportverein. Dass die öffentliche Debatte heute so oft um Minderheiten und universalistische Ziele kreist, führt offenbar bis tief in die Mittelschicht hinein zu einem Gefühl der Entfremdung von Politik und Medien. Vielleicht spielt auch die steigende Lebenserwartung eine Rolle. Die Leute erleben mehr Umbrüche als früher, vor allem im Vergleich zur weitgehend statischen Zeit des Kalten Kriegs.
Die Partei spielt nicht immer eine Rolle
Eng damit verbunden ist die irreguläre Migration, die in fast jedem reichen Land zu einem großen Streitthema geworden ist. Viele Gesellschaften nehmen Zehn- oder Hunderttausende Kriegs- und Armutsflüchtlinge auf. Das entspricht ganzen Großstädten, und es hat zu den erwartbaren Problemen geführt, von einer Überlastung der staatlichen Infrastruktur über kulturelle Konflikte bis zu Kriminalität und Terrorismus. Auch das ist ein Phänomen, das es in diesem Ausmaß erst in jüngerer Zeit gibt, die Lebenswelten der Bevölkerung aber ebenfalls stark verändert.
In keiner westlichen Demokratie konnte die Politik diese Entwicklungen auf Dauer ignorieren. Entweder gingen die sogenannten etablierten Parteien auf die Themen ein, oder die Rechtspopulisten kamen selbst an die Macht. Die Beispiele reichen von den Vereinigten Staaten über Großbritannien und Skandinavien bis nach Süd- und Osteuropa. Die Folge ist eine Verschärfung der Migrationspolitik, teils auch der Gesellschaftspolitik. Auffällig ist, dass es nicht immer eine Rolle spielt, von welcher Partei der Wandel herbeigeführt wird. In Dänemark wurde das Asylrecht von Sozialdemokraten verschärft, in Griechenland die Grenze von Konservativen abgeschottet. Das spricht gegen die These, dass die Leute lieber „das Original“ wählen.
Das alles ist letztlich eine große Gegenbewegung zum linksliberalen Zeitgeist, der von den universitären Emanzipationsbewegungen und der Globalisierung befördert wurde. In Deutschland schwang das Pendel besonders stark in diese Richtung, weil die 68er in den Institutionen Vorarbeit geleistet hatten und weil die Wirtschaft ein Interesse an Erwerbseinwanderung hat. Dass die Reaktion nun vom Osten des Landes ausgeht, ist nicht überraschend: Beide Faktoren sind dort weniger ausgeprägt, in der historischen Erfahrung steht die frühere DDR den Osteuropäern näher.
Sich gegen Migration, die Veränderung gesellschaftlicher Normen oder selbst nur das Verbot von Gasheizungen auszusprechen ist in einer freien Gesellschaft nicht illegitim, schon gar nicht illegal. Auch in Deutschland wird es in den nächsten Jahren nicht darum gehen, ob diese Strömungen aufgenommen werden, sondern von wem. Anders als etwa Le Pen in Frankreich wird die AfD immer radikaler. Schon allein deshalb sollte man ihr diese Agenda nicht überlassen.
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