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#Mit dem Fanatismus begeisterter Kinder

Mit dem Fanatismus begeisterter Kinder

Die Helden des Alltags sind klein, höchstens einen Meter dreißig lang, aber sehr tapfer. „Macht die Augen auf!“, ruft ihnen die Stimmbildnerin zu, „die Nasenlöcher auch!“. Dann treibt sie am Klavier die Stimmchen Ton für Ton in die Höhe, bis es quietscht. Der Kinderchor der Staatsoper Stuttgart bereitet sich vor auf die Nachmittagsprobe. „Pique Dame“ von Peter Tschaikowsky steht auf dem Plan. „Ras, dwa, tri“, wird gezählt. Schön das Zungen-R rollen! Sprachtrainer wie Dmitri Kunajew leisten am Haus exzellente Arbeit, damit Russisch auch nach Russisch klingt und kein artikulatorischer Weichtiersalat herauskommt.

Jan Brachmann

Johannes Knecht, der dann mit den Kleinen probt, steht Woche für Woche vor der großen Aufgabe, sie zu fordern, aber auch Verständnis für sie aufzubringen: Wenn die Kinder zu ihm in die Probe kommen, haben sie einen langen Schultag hinter sich, sind müde, kämpfen mit Konzentrationsproblemen.Trotzdem geben sie alles – mit einem Fanatismus, der nur begeisterten Kindern eigen ist.

Der Dokumentarfilm „Das Haus der guten Geister“ könnte eigentlich ihnen gewidmet sein. Zumindest dürfen sie sich mitgemeint fühlen. Marcus Richardt und Lillian Rosa, die Autoren des Films, wollen damit aber vor allem den Ensemblegeist an der Staatsoper Stuttgart feiern, auf den das Haus stolz ist. Dieser Ensemblegeist, sagt Albrecht Thiemann, bis vor kurzem noch Chefredakteur des Fachmagazins „Opernwelt“, habe das Haus stark gemacht. Die Staatsoper Stuttgart sei nie eine Absteige für den internationalen Jetset gewesen und habe es schon siebenmal zum „Opernhaus des Jahres“ gebracht.

Vor allem ist „Das Haus der guten Geister“, vom SWR koproduziert, ein Huldigungsfilm für den Intendanten Jossi Wieler und seinen Chefdramaturgen Sergio Morabito, die von 2011 bis 2018 an der Spitze des Hauses standen – eine Art Abschlussfestschrift in bewegten Bildern. Toni Schmid hatte 2018 mit „Ganz große Oper“ über die Bayerische Staatsoper in München und Nikolaus Bachler etwas Ähnliches in die Kinos gebracht.

Wieler, Sohn einer jüdischen Familie aus der Schweiz, porträtiert sich selbst als Menschen, der lange „angstbesetzt“ gewesen sei. Auch Beobachter schildern ihn als einen scheuen, in sich gekehrten Menschen. Stets leise und freundlich sprechend, sagt Wieler im Film große Worte, etwa dass Kunst immer aus Freiheit kommen müsse, nie aus Druck. Und Theater sei für ihn der utopische Raum eines „kollektiven Zuhörens“.

Leider versucht der Film diese Utopie anschaulich zu machen durch das Entstehen von Wielers und Morabitos Inszenierung von Tschaikowskys „Pique Dame“, die ein Tiefpunkt in der Musiktheatergeschichte der letzten Jahre war. Hier haben sich Wieler und Morabito als ideologiegetriebene Panzergeneräle erwiesen, die nicht zuhören konnten. Die fein abgestufte soziale Diversität, von Tschaikowsky minutiös auskomponiert, wurde bei ihnen planiert zum Einerlei eines Sankt Petersburger Elendsviertels. Wo Tschaikowsky eine große Vielfalt an weiblichen Rollenmodellen entwirft, blieb bei Wieler und Morabito nur eines für alle übrig: die Nutte. Aktualität war in ihrem Denken zum sexistischen Effekt verkommen.

Man muss sich von dem Weihrauch, den die beiden, unterstützt von der Bühnenbildnerin Anna Viebrock, um sich selbst verbreiten, nicht einschläfern lassen, um durch diesen Film einmal mehr zum Staunen gebracht zu werden: Oper ist ein großes arbeitsteiliges Werk. Die Bühnenoberinspektorin Cemile Soylu bemüht zu Recht den Vergleich mit der Automobilindustrie. Wenn die Teile, die in der Werkstatt nach Viebrocks Modell gefertigt wurden, auf der Bühne montiert werden, dann sei das, wie wenn Fahrwerk und Karosserie zusammenfinden.

Vom 5. März an ist der Film als DVD und auf allen gängigen Streamingplattformen als Video on Demand erhältlich. Wann es aber wieder richtige Oper geben wird, bleibt ungewiss.

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