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#Mit der Schippe in der Hand

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Mit der Schippe in der Hand

Zwei Naturkatastrophen sind über Deutschland hereingebrochen, die erste quälend lang und anhaltend, die zweite kurz und verheerend, aber beide mit Auswirkungen weit über den Tag hinaus. Beide verbindet noch etwas anderes. Durch die Katastrophe der Pandemie wie auch die Flutkatastrophe in den Städten und Dörfern von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen lernt sich die deutsche Gesellschaft neu kennen, und anders vielleicht, als man dachte.

Die Hilfsbereitschaft in den Überschwemmungsgebieten ist riesig. Es sind über Nacht ganze „Helfer-Städte“ entstanden und in kurzer Zeit eine Infrastruktur der Nothilfe. Die Unterstützung durch Freiwillige ist so groß, dass sie im wörtlichen Sinne überwältigend ist und aufgehalten werden muss. Die Zufahrtsstraßen zu manchen Orten der Flutgebiete waren am Wochenende verstopft – nicht, weil sich Gaffer auf den Weg gemacht hätten, sondern Leute, die anpacken wollen. Die ersten Hilfslieferungen mussten schon gebremst werden, weil die Lager am Nürburgring innerhalb weniger Tage überfüllt waren. In den betroffenen Orten selbst mag die Lage an vielen Stellen noch so verzweifelt sein, es gibt Hoffnung angesichts von Nachbarschaftshilfe, angesichts der vielen Freiwilligen und angesichts der auf Nothilfe eingestellten kommunalen Strukturen.

Feuerwehr, Vereine, Wohlfahrtsverbände, Hilfsorganisationen und Kommunen sind das Rückgrat dieser Netzwerke kleinteiliger Solidarität. Im Mittelpunkt der Zuwendung aber steht das Ehrenamt, die Institution, die ein Wort im Namen trägt, das aus der Mode gekommen ist. Wer wollte aber bestreiten, dass es eine Ehre ist, den in Not Geratenen seine Hilfe anzubieten – ohne lange zu fragen oder auf andere zu zeigen. Das uneigennützige Engagement ist nicht nur zu Notzeiten ein Pfeiler einer jeden bürgerlichen Gesellschaft. Das Ehrenamt, ob in öffentlicher Funktion oder im Freiwilligendienst, entpuppt sich als die Seele dieser Gesellschaft. Wenn alles zusammenbricht, darauf ist Verlass.

Im Spendenzentrum am Ring-Boulevard des Nürburgrings


Im Spendenzentrum am Ring-Boulevard des Nürburgrings
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Bild: dpa

Der Schwerpunkt der Hilfsbereitschaft wird sich eines Tages aus dieser Sphäre in eine andere verlagern müssen, in die des Staates. Das sollte nicht den Blick dafür verstellen, dass es nicht der Staat ist, der alles besser machen kann. Jede zivilgesellschaftliche Initiative ist zunächst flinker und direkter, als es staatliche Aktivität vermag. Schon jetzt ginge es in den Katastrophengebieten allerdings nicht voran, wenn nicht beides ineinandergreifen würde. Das Bedürfnis zu helfen kommt schließlich nicht daher, dass der Staat oder das „System“ versagt hätte und ausgefallen wäre. Es kommt daher, dass sich der privat organisierten und staatlich unterstützten Hilfsbereitschaft, die jederzeit und überall in Deutschland auf Knopfdruck abgerufen werden kann, kaum jemand entziehen will.

Asoziales Verhalten einiger weniger

Das relativiert ein Bild unserer Gesellschaft, in dem Egoismus, Hedonismus oder hemmungslose Individualisierung dominieren. Sie mögen dazugehören und ihre seltsamen Blüten treiben. Wie jetzt, wenn Helfer und Rettungskräfte attackiert werden, ein asoziales Verhalten einiger weniger, das zu den Abgründen unserer Zeit gehört. Womöglich geschieht das deshalb, weil Wirrköpfe die ersten Verschwörungstheorien über die Ursachen der Katastrophe in Umlauf gebracht haben. Das ist aufsehenerregend, verdient aber nicht die Beachtung wie die Tausenden Helfer, die eine Schaufel in die Hand nehmen, ohne an sich selbst, sondern erst einmal an den Nächsten zu denken.

Dieser Kontrast ist aus der anderen Katastrophe, der Corona-Pandemie, nur allzu bekannt. Die Naturkatastrophe, deren Folgen so groß sein werden wie die klimatisch begünstigten Verwüstungen in Eifel, Sauerland und Ruhrgebiet, birgt auf ähnliche Weise eine Hilfsbereitschaft, die selbstlos ist. Dafür muss man nicht einmal eine Schippe in die Hand nehmen.


Bild: dpa

Die Solidarität äußert sich in diesem Fall nicht nur in einer Diszipliniertheit, die der wiederkehrende Lockdown abverlangte, nicht nur im Einsatz für Kranke und für Risikogruppen. Sie äußert sich vor allem in der Bereitschaft, sich und andere dauerhaft zu schützen, auch wenn der Gang zum Impfzentrum mit einem mulmigen Gefühl verbunden sein mag. So viel Ehrenamt sollte sich jedermann abverlangen können.

Dass es so schwierig ist, für die Corona-Bekämpfung eine so überwältigende Unterstützung zu mobilisieren wie für die Bevölkerung in den Katastrophengebieten, zeigt Licht- und Schattenseiten einer Gesellschaft, die sich nicht zu ihrem Glück zwingen lassen will und darf. Gleichgültigkeit gegenüber dem Gemeinwohl, wohlfeile Kritik am Staat, Aufopferung für den Nachbarn, spontaner Einsatz gegen die Katastrophe, Lebensgefahr in der Nothilfe, all das liegt manchmal eng beieinander.

In der Katastrophe zeigt sich die deutsche Gesellschaft aber leistungsfähiger, stabiler und bewundernswerter, als ihr das mitunter attestiert wird. Dieses Gesicht wird sie in den kommenden Jahren noch öfters zeigen müssen. Denn die Zeichen der Zeit stehen so, dass auch normale Zeiten einen Einsatz abverlangen könnten, der manchem als unnormal vorkommt.

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