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#„Verletzt und allein gelassen“

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„Verletzt und allein gelassen“

Ursula von der Leyen sprach Sätze von schneidender Schärfe. Sie sei die erste Präsidentin der Europäischen Kommission. „Und genauso erwartete ich, behandelt zu werden, als wir vor zwei Wochen die Türkei besuchten, wie ein Kommissionspräsident. Aber das war nicht der Fall.“ So eröffnete sie die Debatte im Europäischen Parlament über das sogenannte „Sofagate“. Im Präsidentenpalast zu Ankara hatten sich der Gastgeber Recep Tayyip Erdogan und EU-Ratspräsident Charles Michel in zwei Sessel fallen lassen, während von der Leyen vor einem Sofa stand und vernehmlich irritiert „Ähm“ sagte. Für sie war kein Chefsessel frei, nur besagtes Sitzmöbel in einigem Abstand.

Thomas Gutschker

Thomas Gutschker

Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

Von der Leyen war aufgebracht über diese Zurücksetzung. Wie sehr, wurde aber erst am Montagabend deutlich, als sie erstmals selbst öffentlich darüber sprach. Es wurde eine Anklage gegen beide Herren. In den Europäischen Verträgen finde sie keine Rechtfertigung für diese Behandlung, sagte die Kommissionspräsidentin. Damit wischte sie ein Argument vom Tisch, das Michels Mitarbeiter anfangs bemüht hatten: dass der Ratspräsident protokollarisch höher gestellt sei und Drittstaaten ihn wie einen Präsidenten behandelten, die Kommissionschefin aber nur wie eine Ministerpräsidentin. Nein, sagte von der Leyen, sie sei nur herabgesetzt worden, weil sie eine Frau sei. Sie habe erlebt, was Frauen oft erlebten: „Ich fühlte mich verletzt und allein gelassen: als Frau und als Europäerin.“

„Michel äußert sein „Bedauern“

Als Europäerin – das zielte auf Michel. Der saß ihr im Parlament gegenüber und hörte zu, sichtlich gequält. Er hatte zuvor sein „Bedauern“ wiederholt. Sitzen geblieben sei er in Ankara nur, um einen „noch schlimmeren politischen Vorfall“ zu vermeiden. Natürlich werde er Sorge tragen, dass sich so etwas nicht wiederhole. Ja, er zeigte sich sogar offen für einen „Gleichstellungsrat“, der in der Vertretung der Mitgliedstaaten noch einiges zu tun hätte.

Allein, damit konnte er von der Leyens Angriff nichts entgegensetzen. In den folgenden zwei Stunden prasselten Vorwürfe und ätzende Bemerkungen nur so auf ihm nieder – von links bis rechts und von vielen Frauen. „Wenn Sie die Kommissionspräsidentin so behandeln, dann kann keine Frau eine andere Behandlung erwarten“, hielt ihm Ska Keller vor, die Ko-Vorsitzende der Grünen-Fraktion. „Ich hätte erwartet, dass Sie mir den Stuhl überlassen“, sagte Assita Kanko, eine belgische Konservative aus Burkina Faso. Die Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Iratxe García Perez, sprach von einem „beschämendem Bild“, das „wir als Frauen so gut kennen“: „Diese Szene wollen wir nicht noch einmal erleben.“

Charles Michel dürfte sich selten mehr über die Mundschutzmaske gefreut haben, die den größten Teil seines Gesichts verbarg. Manchmal beugte er sich vor und machte eine kurze Notiz, dann wieder klatschte er seinen Kritikern mit gespreizten Fingern Beifall. Derweil ließ sich die Präsidentin einen Latte macchiato servieren, lauschte mit überschlagenen Beinen und nickte anerkennend den Rednerinnen zu. Selbst unter ihrer Maske wirkte von der Leyen ein wenig aufgekratzt. Sie, die in den vergangenen Wochen und Monaten so viel Kritik wegen der fehlenden Impfstoffe einstecken musste, wurde von wirklich jedem und jeder unterstützt, die sich zu Wort meldeten. Sogar von Carles Puigdemont, dem Führer der katalanischen Separatisten, der seine erste Kurzintervention zum Besten gab, die nichts mit der Autonomie seiner Heimat zu tun hatte. „ Heute sind wir alle Ursula“, sagte er.

Im Konflikt der Institutionen, zwischen Rat und Kommission, war es ein klarer Punktsieg für von der Leyen. Wie dieser offene Streit im Ausland wirkt, beschäftigte an diesem Abend freilich nur wenige Redner.

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