Wissenschaft

#Molekül-Vielfalt auf Asteroid Bennu

Woher kamen die ersten Bausteine des Lebens auf der Erde? Eine mögliche Antwort liefern Proben des Asteroiden Bennu, die die NASA-Raumsonde OSIRIS-REx im Jahr 2023 zur Erde zurückgebracht hat. Jetzt liegen die ersten Analyseergebnisse vor. Sie enthüllen unter anderem, dass das Asteroidenmaterial mehr als 10.000 verschiedene organische Moleküle enthält. Darunter sind 33 Aminosäuren sowie alle fünf in der irdischen DNA und RNA vorkommenden Nukleotid-Basen. In Analysen der anorganischen Bestandteile der Bennu-Proben wiesen die Forschenden zudem elf verschiedene Salzminerale nach, darunter einige auf der Erde sehr seltene Mineralformen. Sie müssen aus salzhaltigen Flüssigkeiten entstanden sein und deuten darauf hin, dass Bennus Mutterhimmelskörper entweder aus dem wassereisreichen äußeren Sonnensystem kam oder aber eisbedeckte Staubkörnchen aus dieser Zone ansammelte, wie die Forschenden erklären.

Lange ging man davon aus, dass komplexere organische Moleküle wie DNA-Bausteine, Proteine oder Aminosäuren in bestimmten irdischen “Lebenswiegen” entstanden sind – beispielsweise an unterseeischen Schloten, hydrothermalen Tümpeln oder in Gesteinsporen entstanden sind. Inzwischen mehren sich jedoch Hinweise darauf, dass der Ursprung der ersten Lebensbausteine auch im Weltall liegen könnte – in Asteroiden und Kometen, die in der Frühzeit der Erde auf dem Planeten einschlugen. Denn Analysen und Weltraummissionen zeigen, dass viele organische Moleküle auch unter Weltraumbedingungen entstehen können. So wies die ESA-Landesonde “Philae” auf dem Kometen 67P/Churyumov–Gerasimenko 16 verschiedene organische Verbindungen nach, darunter Vorstufen von Zuckern, Aminosäuren, Peptiden und Nukleotiden. Auch DNA-Basen wurden in Meteoritenproben schon gefunden. Zudem legen Laborexperimente nahe, dass vor allem die eisüberzogenen Staubkörnchen in Kometenkernen und interstellaren Staubwolken günstige Bedingungen für die chemische Synthese von Peptiden, Komponenten des DNA-Zuckergerüst und weiteren Bausteinen von Biomolekülen bieten.

Asteroidenprobe
In Proben des Asteroiden Bennu nachgewiesene organische Moleküle und Minerale. © NASA

Aminosäuren vom Asteroiden Bennu

Mehr Aufschluss über die kosmische Molekülbildung liefern nun Proben des erdnahen Asteroiden (101955) Bennu. Dieser rund 500 Meter große und 60 Millionen Tonnen schwere Asteroid kreist auf einer von knapp innerhalb der Erdbahn bis hinaus zum Mars reichenden Bahn um die Sonne und gilt als Relikt aus dem frühen Sonnensystem. Teleskopbeobachtungen legten zudem nahe, dass Bennu zu den Typ-B-Asteroiden gehört – kohlenstoffreiche Brocken mit einem erhöhten Anteil von Wasser und anderen flüchtigen Substanzen. Solche Asteroiden wären daher gute Kandidaten als “Lieferanten” für die frühen Lebensbausteine. Um mehr über den Asteroiden Bennu und seine Zusammensetzung zu erfahren, hat die NASA im Jahr 2016 die Raumsonde OSIRIS-REx zum Asteroiden Bennu geschickt. Nach ihrer Ankunft im Jahr 2018 sammelte die Sonde zunächst Daten aus dem Orbit um den Brocken. 2020 folgte dann der entscheidende Schritt: OSIRIS-Rex näherte sich der Oberfläche von Bennu so weit, dass ihr Roboterarm Proben von seiner Oberfläche und dem bei einer kleinen Sprengung aufgewirbelten Material nehmen konnte. 2023 brachte die Raumsonde die gut 120 Gramm Asteroidenmaterial dann zurück zur Erde.

Jetzt hat ein internationales Team unter Leitung von Daniel Glavin und Jason Dworkin vom NASA Goddard Space Flight Center die Ergebnisse der Probenanalysen veröffentlicht. Eine der Forschungsgruppen hatte dafür gezielt die organischen Bestandteile des Asteroidenmaterials untersucht – und zehntausende chemischer Verbindungen auf Kohlenwasserstoffbasis entdeckt. Unter ihnen waren auch mehrere essenzielle Lebensbausteine: “Wir haben Aminosäuren, Amine, Formaldehyde, Karbonsäuren, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe und stickstoffhaltige Heterozyklen entdeckt, außerdem rund 10.000 stickstoffhaltige Chemikalien”, berichten Glavin und seine Kollegen. Unter den 33 nachgewiesenen Aminosäuren waren 14 der 20 für irdisches Leben und die Proteinproduktion essenziellen Aminosäuren wie Glycin, Asparagin oder Tyrosin. “Zusätzlich haben wir 19 Nicht-Protein-Aminosäuren identifiziert”, so das Team. Diese kommen im genetischen Code und in den Proteinen irdischer Lebewesen nicht vor. Viele Aminosäuren aus den Bennu-Proben lagen zudem als Mischung links- und rechtshändiger Varianten vor – als sogenanntes Racemat. Damit unterscheiden sie sich deutlich von den Aminosäuren, die von irdischen Lebewesen erzeugt werden, denn diese sind allesamt linkshändig. “Dies widerspricht der Hypothese, nach der das auf linkshändigen Proteinen basierende Leben auf der Erde durch ein auch im Sonnensystem vorhandenes Ungleichgewicht geprägt wurde”, schreiben die Wissenschaftler. Gleichzeitig bestätige dies den extraterrestrischen Ursprung dieser Moleküle.

DNA-Basen und anorganische Salze

Zusätzlich entdeckten die Forschenden auch Nukleotide in den Proben – die Moleküle, die als DNA-Basen die “Sprossen” im strickleiterförmigen Erbmolekül bilden. Glavin und seine Kollegen konnten alle fünf in Organismen vorkommenden DNA- und RNA-Basen nachweisen – Adenin, Guanin, Cytosin, Thymin und das nur in der RNA auftretende Uracil. Einige dieser Nukleinsäuren sowie weitere stickstoffhaltige Moleküle wurden auch schon in Meteoriten und in Proben des Asteroiden Ryugu gefunden – allerdings weniger zahlreich und vielfältig. “Die Unterschiede in der Häufigkeit und Komplexität der Stickstoff-Heterozyklen zwischen Bennu und Ryugu könnten die unterschiedliche Umgebung widerspiegeln, denen diese Asteroiden im Weltall ausgesetzt waren”, erklärt Co-Autor Yasuhiro Oba von der Universität Hokkaido. Ebenfalls charakteristisch für Bennu sei der hohe Gehalt an Ammoniak, wasserlöslichen organischen Verbindungen und ungewöhnlichen Stickstoff-Isotopenwerten. “Das könnte darauf hindeuten, dass der Himmelskörper, dessen Fragment Bennu ist, Eis aus dem äußeren Sonnensystem akkretiert hat”, schreiben die Forscher. Erst danach wanderte dieses Objekt dann in das innere Sonnensystem. Alternativ könnte aber auch eisreicher Staub aus dieser äußeren Zone nach innen gedriftet sein und sich erst dort auf dem Mutterkörper abgelagert haben.

In einem zweiten Fachartikel berichtet ein Team um Tim McCoy vom National Museum of Natural History in Washington DC über anorganische Salze und Minerale, die sich in den Asteroidenproben fanden. “Diese umfassen natriumhaltige Phosphate und natriumreiche Karbonate, Sulfate, Chloride und Fluoride”, so die Forschenden. Diese salzhaltigen Minerale deuten darauf hin, dass es auf Bennus Mutter-Himmelskörper einst salzhaltige Flüssigkeiten gegeben haben muss. Als dann diese Sole verdunstete, kristallisierten die Salze aus und bildeten diese Minerale. Unter ihnen sind Verbindungen wie das Natriumhydrogenkarbonat Trona, das auch in irdischen Salzseen vorkommt, und das ebenfalls seltene Natriumfluorid Villiaumit. Sie wurden nun erstmals auch auf einem extraterrestrischen Himmelskörper nachgewiesen. Nach Ansicht der Wissenschaftler stützt dies Vermutungen, nach denen solche salzhaltigen Flüssigkeiten auch heute noch in größeren Asteroiden wie dem Zwergplaneten Ceres sowie im Inneren von Eismonden wie dem Saturnmond Enceladus vorkommen könnten. “Zusammen haben unsere Analysen uns einen großen Schritt weiter gebracht, zu verstehen, wie Asteroiden wie Bennu sich entwickelt haben und wie sie dazu beigetragen haben könnten, die Erde lebensfreundlich zu machen”, sagt Co-Autorin Sara Russell vom Natural History Museum in London.

Quelle: Daniel Glavin, Jason Dworkin (NASA Goddard Space Flight Center, Greenbelt) et al., Nature Astronomy, doi: 10.1038/s41550-024-02472-9; Tim McCoy (National Museum of Natural History, Washington DC) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-024-08495-6

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