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#Neandertaler jagten riesige Elefantenbullen

„Neandertaler jagten riesige Elefantenbullen

Unsere archaischen Cousins erbeuteten auch die größten Landtiere ihrer Zeit, berichten Forscher: Im heutigen Deutschland machten Neandertaler-Gruppen vor 125.000 Jahren offenbar gezielt Jagd auf die bis zu 13 Tonnen schweren Bullen des Eurasischen Waldelefanten. Dies belegen Schlachtspuren an Überresten der Rüsseltiere von einem Fundort nahe Halle sowie weitere Indizien. Die Nutzung dieser besonders anspruchsvollen und ergiebigen Nahrungsquelle legt außerdem nahe, dass zumindest manche Neandertaler-Gruppen größer waren als bisher angenommen, sagen die Forscher.

Er überragte die heutigen Elefanten und auch das Mammut deutlich: Mit einer Schulterhöhe von bis zu über vier Metern und einem Gewicht von maximal 13 Tonnen war der Eurasische Waldelefant das größte Landtier im Zeitalter des Pleistozäns. Mit ihren charakteristisch geraden, bis zu drei Meter langen Stoßzähnen waren sie damals in den Wäldern Europas und Westasiens unterwegs. Während der Zwischenwarmzeiten des Pleistozäns erstreckte sich ihr Verbreitungsgebiet dabei auch in Bereiche nördlich der Alpen – so auch in der Zeit vor etwa 125.000 Jahren.

Jagd auf die Giganten?

Wie aus zahlreichen Funden bekannt ist, lebten dort damals auch Neandertaler. Bisher blieb allerdings unklar, ob unsere archaischen Cousins Jagd auf die gigantischen Rüsseltiere machten. Denn bisherige Hinweise waren auch damit zu erklären, dass sie sich nur bei Gelegenheit über die Kadaver von Tieren hermachten, die eines natürlichen Todes gestorben waren. Die Grundlage der Studie der Forscher um Sabine Gaudzinski-Windheuser von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz bildeten nun frühere sowie neue Untersuchungsergebnisse von Funden in einer Braunkohlegrube bei Neumark-Nord in der Nähe von Halle. Dort wurden bereits in den 1980er und 1990er Jahren die Überreste von mindestens 70 Waldelefanten entdeckt. Den Datierungen zufolge stammen sie von Tieren, die dort vor rund 125.000 Jahren im Bereich eines einstigen Sees gelebt haben.

Bisherige Untersuchungen hatten bereits interessante Besonderheiten bei den Funden aufgedeckt. Es handelt sich demnach um eine Ansammlung von Individuen mit einer seltsamen Unausgewogenheit: Die Forscher identifizierten fast nur ausgewachsene männliche Tiere. Dieses Muster wurde bisher weder bei fossilen noch bei heutigen Elefantenpopulationen beobachtet. Anfang 2021 folgten dann spannende Befunde an einigen Knochen: „Die Entdeckung von eindeutigen Schnittspuren gab den Anstoß zu einer intensiven Untersuchung der Elefantenüberreste“, sagt Gaudzinski-Windheuser. Für die aktuelle Studie hat das Forschungsteam die 3122 Einzelstücke umfassende Knochensammlung akribisch analysiert. Sie suchten dabei nach Schnittspuren von Steinwerkzeugen sowie nach Bissmarken von Raubtieren.

Gruppen-Jagd auf Bullen

Wie das Team berichtet, stellten sie tatsächlich bei den meisten Individuen die Signaturen menschlicher Aktivität fest. Demnach dienten die Tiere über mindestens 2000 Jahre hinweg Neandertalern als Nahrungsquelle. Der Vergleich mit Bissspuren deutete dabei darauf hin, dass die Neandertaler vor Raubtieren am Werk gewesen sein müssen. Den deutlichsten Hinweis darauf, dass die Elefanten von den Frühmenschen getötet worden waren, sehen die Forscher allerdings in den demografischen Daten: In ihrer Studie erklären sie, warum die überdurchschnittliche Häufigkeit von erwachsenen Männchen unter den toten Tieren deutlich für eine Bejagung spricht.

Demnach waren die Bullen wohl eine vergleichsweise einfache und trotzdem besonders fette Beute. Denn die einzelgängerischen Männchen waren im Gegensatz zu den Weibchen und Jungtieren ohne den Schutz der Herde unterwegs. So konnten sich die Jäger ihnen vermutlich einfacher nähern und sie durch Fallen oder massiven Speer-Einsatz überwältigen, argumentieren die Wissenschaftler. Der Gewinn bei einem Jagderfolg war enorm, geht aus ihren Berechnungen hervor: Ein zehn Tonnen schwerer Elefant könnte demnach 2500 Portionen zu jeweils 4000 Kilokalorien geliefert haben.

Wie das Team erklärt, werfen die Ergebnisse nun auch neues Licht auf die Lebensweise der Neandertaler. Klar scheint: Die Jagd auf die riesigen Tiere erforderte wohl eine enge Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Gruppenmitgliedern. Dies galt auch für die Verarbeitung der Beute: Die Tiere mussten zerlegt werden, Fleischreste waren von den langen Knochen abzulösen und die fettreichen Fußpolster zu entfernen. Zur Verarbeitung gehörte möglicherweise außerdem das Trocknen des Materials für die Langzeitlagerung.

Den Forschern zufolge wirkt wenig plausibel, dass dies von kleinen Gruppen bewerkstelligt werden konnte. Bislang wurde angenommen, dass sich Neandertaler in Gruppen von höchstens 25 Individuen zusammengefunden haben. Es erscheint nun hingegen wahrscheinlich, dass sie zumindest zeitweise auch größere Gemeinschaften bildeten und vielleicht auch Konservierungstechniken für die Lagerung von Nahrungsmitteln nutzen. In einem Kommentar zur Studie schreibt Britt Starkovich von der Universität Tübingen dazu abschließend: “Es wird immer deutlicher, dass die Neandertaler über ein ganzes Arsenal an adaptiven Verhaltensweisen verfügten, die es ihnen ermöglichten, in den vielfältigen Ökosystemen Eurasiens über 200.000 Jahre lang erfolgreich zu sein”, so die Wissenschaftlerin.

Quelle: Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Fachartikel: Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.add8186

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