Wissenschaft

#Neuer Ansatz für Verhütungs-Pille für den Mann

Verhütung könnte endlich Männersache werden. Denn ein neues Medikament hemmt in Mäusemännchen effektiv die Spermienproduktion, wie eine Studie ergab. Der Wirkstoff bindet an einen bestimmten Genschalter in den Hoden und blockiert so vorübergehend die Spermienbildung. Die Libido und generelle Fruchtbarkeit der Tiere wurde dadurch nicht beeinträchtigt. Der Schalter könnte damit ein neuer Ansatz sein, um eine nicht-hormonelle Pille für den Mann zu entwickeln, die weniger Nebenwirkungen hat als bisherige Wirkstoffe bei Frauen. Möglicherweise reicht sogar eine wöchentliche Einnahme.

Frauen haben heutzutage zahlreiche Verhütungsmöglichkeiten. Die zuverlässigsten Methoden wie die Pille, eine Hormonspritze und die Spirale basieren jedoch auf Hormonen und haben mitunter drastische Nebenwirkungen. Für Männer sind die Möglichkeiten der Familienplanung noch beschränkter: Sie haben die Wahl zwischen Kondomen, die in der Anwendung eher unzuverlässig sind, und operativen Vasektomien, die meist nicht rückgängig gemacht werden können. Eine „Pille für den Mann“ gibt es trotz zahlreicher Entwicklungsansätze bis heute nicht – wegen einer unzureichenden Wirkung oder zu starken hormonellen Nebenwirkungen.

Eine Forschungsgruppe um Suk-Hyun Hong vom Salk Institute for Biological Studies in Kalifornien hat nun einen anderen, nicht-hormonellen Ansatz getestet. Dafür untersuchten die Forschenden einen bestimmten Proteinkomplex, zu dem der Retinsäurerezeptor (RAR), der Silencing Mediator für Retinoid- und Schilddrüsenhormonrezeptoren (SMRT) sowie Histon-Deacetylasen (HDACs) gehören. Vom RAR-Rezeptor ist bekannt, dass er über Retinoidsäure reguliert wird und zur Reifung von Spermien-Stammzellen beiträgt. Ihn auszuschalten, hat in einer früheren Studie ebenfalls bereits vielversprechende Ergebnisse erzielt. Das Team um Hong wollte nun herauszufinden, welche Rolle der SMRT-Mediator in diesem Komplex bei der Spermienproduktion genau spielt und ob auch er ein guter Angriffspunkt wäre. Dafür entwickelten die Wissenschaftler spezielle Mäusemännchen, deren SMRT-Proteine nicht mehr an den RAR-Rezeptor binden können. Anschließend beobachteten sie die Spermienreifung in den Nebenhoden.

Spermienreifung in den Nebenhodenkanälchen
Querschnitte der Nebenhodenkanälchen zeigen die typische Spermienreifung bei unbehandelten Mäusen (oben links). Nach der Behandlung mit einem Medikament, das die Aktivität des RAR-SMRT-Genrepressorkomplexes blockiert, fehlen reifende Spermien im Nebenhoden (oben rechts). Nach 60 Tagen ohne das Medikament beginnen die Spermien in den Nebenhodenkanälchen (unten rechts) wieder zu reifen, die den gleichaltrigen Kontrollmäusen (unten links) ähneln. © Suk-Hyun Hong

Medikament hemmt die Spermienproduktion

Tatsächlich ergaben die Experimente, dass die Mäuse ohne intakten RAR-SMRT-Komplex keine reifen Spermien mehr produzierten. Ihr Sexualverhalten änderte sich dadurch jedoch nicht und auch die Spermien-Stammzellen der Tiere waren nicht beeinträchtigt. Auf zellulärer Ebene stellten die Forschenden fest, dass einige Gene, die in den Samenkanälen von unveränderten Mäusen nur periodisch aktiv sind, bei den Versuchsmäusen chronisch aktiviert waren. Das legt nahe, dass der SMRT-RAR-Komplex eine Schlüsselrolle bei der Spermienreifung und -produktion in den Hoden spielt. Das gleiche Bild ergab sich, als die Forschenden unveränderte Mäuse mit einem Medikament aus der Klasse der Histon-Deacetylase-Inhibitoren (MS-275) behandelten, das in den RAR-SMRT-Komplex eingreift: Die Spermienproduktion wurde effektiv blockiert, ohne die Libido zu beeinträchtigen. Nach Absetzen des Wirkstoffs setzte die normale Spermienproduktion der Tiere wieder ein.

Hong und seine Kollegen schließen daraus: Damit sich im Körper von männlichen Säugetieren aus Stammzellen reife Spermien bilden, werden spezifische Gene abwechselnd aktiviert und unterdrückt. Die Regulation dieses Mechanismus erfolgt über den RAR-SMRT-Proteinkomplex. Im „ausgeschalteten“ Zustand unterdrückt dieser Komplex viele der für die Spermienproduktion relevanten Gene. Bindet jedoch Retinoidsäure an den Genschalter, löst sich der RAR-SMRT-Komplex auf und die Zielgene können in Proteine übersetzt werden.

Verhütungspille müsste nur einmal pro Woche genommen werden

Besonders interessant ist, dass dieser Schalter durch ein oral eingenommenes Medikament zeitweise außer Gefecht gesetzt werden kann. „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der RAR-SMRT-Komplex ein brauchbares Ziel für die reversible, nicht-hormonelle Empfängnisverhütung für Männer sein könnte“, schreiben die Wissenschaftler. Mit anderen Worten: Der Genschalter ist ein guter Ansatzpunkt für eine „Pille für den Mann“, die wahrscheinlich weniger Nebenwirkungen hat als bisherige Ansätze. „Angesichts der langen Halbwertszeit von MS-275 beim Menschen ist sogar die Einnahme einer Verhütungspille einmal pro Woche möglich“, heißt es in der Studie. Bis ein solcher Wirkstoff auf den Markt kommen kann, sind jedoch noch Folgeexperimente und klinische Studien nötig.

Quelle: Suk-Hyun Hong (Salk Institute for Biological Studies) et al., Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), doi: 10.1073/pnas.2320129121

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