Wissenschaft

#Nicht jedes vermeintliche Polarlicht ist eine echte Aurora

Die grün, rot und violett schimmernden Vorhänge der Polarlichter auf der Nord- und Südhalbkugel der Erde zählen zu den bekanntesten Phänomenen am Nachthimmel. Weniger geläufig sind die geheimnisvollen lilafarbenen Streifen namens „Steve“ und ihr häufiger Begleiter, der glühend grüne „Lattenzaun“. Diese beiden Phänomene sehen auf den ersten Blick aus wie Auroren, werden aber wahrscheinlich unter anderen, außergewöhnlichen physikalischen Bedingungen erzeugt, wie eine neue Studie nahelegt.

Auroren – auch Polarlichter genannt – sind vorübergehende Lichtphänomene am Himmel. Die faszinierenden Lichter entstehen, wenn Partikel von Sonnenstürmen auf das schützende Magnetfeld der Erde treffen. Die von der Sonnenenergie angeregten Partikel wandern dann entlang der magnetischen Feldlinien der Erde in Richtung der beiden Pole. Dort ist das Magnetfeld dünner und durchlässig, sodass die Sonnen-Partikel in rund 1000 Kilometern Höhe auf Sauerstoff- und Stickstoffmoleküle in der oberen Atmosphäre treffen und diese anregen. Wenn sich die Gasmoleküle anschließend wieder entspannen, leuchten sie. Sauerstoff sendet dabei grünes und rotes Licht aus, Stickstoff vor allem blaues Licht und ein wenig Rot. Die so entstehenden bunt schimmernden Vorhänge der Polarlichter können sich über Tausende von Kilometern über die nördlichen oder südlichen Breiten erstrecken.

Was sind „Steve“ und der „Lattenzaun“?

Neben diesem Spektakel sind an unserem Himmel hin und wieder aber auch zwei andere farbig leuchtende Naturschauspiele zu beobachten, die meist gleichzeitig auftreten. Sie werden als „Steve“ und sein „Lattenzaun“ bezeichnet – in Anlehnung an eine Hecke und einen Zaun aus einem Kinderfilm. Steve leuchtet bogenförmig in einem breiten Farbspektrum rund um die Farbe Lila, die Streifen des Lattenzauns vibrieren intensiv grün. Bei beiden Vorgängen ist kein blaues Licht zu sehen. Obwohl Experten seit 2018 anerkennen, dass sich diese Phänomene damit optisch von gewöhnlichen Polarlichtern unterscheiden, gingen die Fachleute bislang trotzdem davon aus, dass sowohl Auroren als auch Steve und der Lattenzaun von denselben physikalischen Prozessen verursacht werden. Was im Detail ihre unterschiedlichen Farben erzeugt, war jedoch ein Rätsel.

Forschende um Claire Gasque von der University of California sind dem nun nachgegangen und stellen mit ihren Ergebnissen die gängigen Annahmen infrage. Demnach sehen Steve und der Lattenzaun nur auf den ersten Blick wie Polarlichter aus, sind aber andere Himmelsereignisse. Laut Gasques Berechnungen bilden sich die leuchtenden Phänomene Steve und der Lattenzaun deutlich weiter entfernt von den Polen als Auroren. Möglicherweise treten sie sogar noch am Äquator auf. In diesen Breitengraden produzieren offenbar elektrische Felder, die in relativ niedrigem Abstand zur Erdoberfläche parallel zum Magnetfeld der Erde laufen, die Lichter des Lattenzauns.

Theoretisch unmögliches elektrisches Feld entdeckt

Solche elektrischen Felder sollten theoretisch nicht existieren, weil sie eigentlich einen Kurzschluss erzeugen und verschwinden müssten. Gasque und ihre Kollegen kamen jedoch zu dem Ergebnis, dass in rund 110 Kilometern Höhe tatsächlich ein schwaches elektrisches Feld von rund 100 Millivolts pro Meter parallel zum Magnetfeld der Erde verlaufen könnte. In diesem Bereich treten ungewöhnliche Bedingungen wie geladenes Plasma mit geringerer Dichte und neutrale Sauerstoff- und Stickstoffatome auf, berichten die Forschenden. Diese Bedingungen könnten möglicherweise isolierend wirken und einen Kurzschluss des elektrischen Feldes verhindern.

Dieses elektrische Feld könnte der Studie zufolge für das grüne Lichtphänomen des Lattenzauns verantwortlich sein. Denn es könnte bereits vorhandene Elektronen anregen, die dann – genau wie bei Polarlichtern –Sauerstoff- und Stickstoffmoleküle in der Atmosphäre anregen. Wenn diese Gasmoleküle in ihren Ursprungszustand zurückfallen, senden sie Energie in Form von Licht aus und leuchten – in diesem Fall jedoch in einer Wellenlänge mit niedrigerer Energie als bei den Auroren. Das äußert sich dann in einem anderen Farbspektrum als bei Polarlichtern, wie die Wissenschaftler erklären. Das Phänomen des Lattenzauns erhielt seinen Namen auch, weil das Leuchten charakteristisch wechselt, als ob es an- und ausgeschaltet würde. Gasque führt dies auf wellenförmige Schwankungen im elektrischen Feld zurück.

„Dies ist ein völlig anderer Mechanismus als alle Polarlichter, die wir bisher untersucht oder gekannt haben“, sagt Gasque. Denn anders als bei Auroren wird der Lattenzaun demnach nicht direkt von Sonnen-Partikeln erzeugt. Sonnenstürme könnten aber die Atmosphäre stören und dadurch indirekt auch zum Entstehen des Lattenzauns beitragen, geben die Forschenden zu bedenken. Anhand ihrer Berechnungen vermuten Gasque und ihr Team, dass auch Steve durch ähnliche Prozesse erzeugt wird wie der Lattenzaun, dabei aber ultraviolettes Licht frei wird. „Die Studie zeigt, dass parallele elektrische Felder das exotische Lichtspektrum von Steve erklären können“, sagt Gasques Kollege und Co-Autor Brian Harding

Rakete soll Klarheit verschaffen

Die Theorie zur Entstehung der Schein-Auroren ist allein durch Berechnungen entstanden. Um ihre Hypothese experimentell zu überprüfen, wollen die Forschenden als Nächstes von Alaska aus eine Rakete durch diese Lichtereignisse schicken. Messgeräte an Bord sollen dann das vorherrschende elektrische und magnetische Feld erstmals messen und genauer untersuchen. Dabei wollen die Wissenschaftler zunächst Mischformen aus gewöhnlichen Polarlichtern mit Lattenzaun-ähnlichen Anteilen untersuchen, sogenannte „verstärkte Auroren“, weil diese deutlich häufiger auftreten als reine Lattenzäune. Weitere Raketen sollen anschließend auch die Bedingungen bei Steve und dem Lattenzaun in Breitengraden weiter entfernt von den Polen untersuchen, um die Konditionen der beiden Phänomene mit den normalen Polarlichtern vergleichen zu können.

„In Zukunft wird es viele Untersuchungen darüber geben, wie diese elektrischen Felder dorthin gelangten, mit welchen Wellen sie verbunden sind oder nicht und was das für den größeren Energietransfer zwischen der Erdatmosphäre und dem Weltraum bedeutet“, sagt Harding. „Diese Studie ist nur der erste Schritt in der Kette dieses Verständnisses.“ Von den Experimenten erhoffen sich die Wissenschaftler daher auch ein besseres Verständnis der Chemie und Physik der oberen Atmosphäre, des Magnetfelds der Erde und der Ionosphäre am Rande des Weltraums.

Quelle: Claire Gasque (University of California) et al., Geophysical Research Letters, doi: 10.1029/2023GL106073

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