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#Nur eine scheinbare Abkehr von Salvinis Linie

Nur eine scheinbare Abkehr von Salvinis Linie

Die private Rettungsorganisation SOS Méditerranée mit Sitz in Marseille hat nach der Rettung von 572 Bootsmigranten in den vergangenen Tagen und Nächten die unverzügliche Zuweisung eines sicheren Hafens für ihr Schiff Ocean Viking gefordert. Nachdem keine der zuständigen Seefahrtbehörden die Koordination der Rettungseinsätze vor der libyschen Küste sowie vor Malta übernommen habe, müssten wenigstens jetzt „die erschöpften Menschen schnell in Sicherheit“ gebracht werden, hieß es in einer Presseerklärung der Organisation vom Dienstag.

Matthias Rüb

Politischer Korrespondent für Italien, den Vatikan, Albanien und Malta mit Sitz in Rom.

„Was wir in den vergangenen Tagen auf See erlebt haben, ist erschütternd“, sagte Luisa Albera, Such- und Rettungskoordinatorin an Bord der Ocean Viking: „Wir haben Hunderte von Menschen gerettet, die eher das Risiko auf sich genommen haben, auf See zu sterben, statt in Libyen zu bleiben. Wir fordern die EU auf, jetzt zumindest zu koordinieren, dass die 572 Geretteten auf unserem Schiff schnell an einem sicheren Ort an Land gehen können.“ In Brüssel sagte ein Sprecher der EU-Kommission am Dienstag, die Union verfüge nicht über die exekutive Kompetenz, einen Hafen zuzuteilen, sondern könne allenfalls politisch Einfluss auf EU-Mittelmeeranrainer zu nehmen versuchen.

Bloß eine Zeitverschiebung

Die Ocean Viking befand sich am Dienstagnachmittag westlich von Malta in internationalen Gewässern. Nach den Erfahrungen der vergangenen Monate gilt es als ausgeschlossen, dass die Regierung in Valletta dem Schiff einen Hafen auf Malta anbietet. In vergleichbaren Fällen hat in der Vergangenheit stattdessen die Regierung in Rom Rettungsschiffen einen Hafen auf der italienischen Mittelmeerinsel Sizilien zugewiesen. Die Vorsitzende der oppositionellen Partei „Brüder Italiens“, Giorgia Meloni, forderte auf ihrer Facebook-Seite am Dienstagmittag, „das Schiff der französischen Nichtregierungsorganisation mit fast 600 illegalen Migranten an Bord“ solle „Kurs auf Marseille“ nehmen. Italien sei „weder das Flüchtlingslager Europas noch eine französische oder deutsche Kolonie“.

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In den vergangenen Monaten hatten vor allem deutsche und französische Hilfsorganisationen Schiffe zu Rettungseinsätzen ins zentrale Mittelmeer entsandt. Die Ocean Viking ist derzeit das einzige private Rettungsschiff dort. Anders als während der Amtszeit von Innenminister Matteo Salvini von Juni 2018 bis August 2019 kommt es unter Salvinis parteiloser Amtsnachfolgerin Lucia Lamorgese nicht mehr zu oft wochenlangen Hafenblockaden für Schiffe mit geretteten Migranten an Bord. Der Politologe Matteo Villa von der Mailänder Denkfabrik „Istituto per gli studi di politica internazionale“ (ISPI) hat errechnet, dass es unter Lamorgese durchschnittlich nur noch zweieinhalb Tage dauert, bis einem privaten Hilfsschiff mit geretteten Migranten an Bord ein italienischer Hafen als sicherer Anlegeplatz zugewiesen wird. Danach müsste auch die Ocean Viking schon bald in einen Hafen auf Sizilien einlaufen können.

Doch zu einer Abkehr von der harten Linie des Rechtsnationalisten Salvini gegen private Hilfsorganisationen ist es gemäß den Erkenntnissen von Matteo Villa gerade nicht gekommen. In seiner Studie für ISPI kommt der Forscher zu dem Ergebnis, dass es bloß eine zeitliche Verschiebung bei der Behinderung der Rettungsschiffe gegeben hat. Während diese unter Salvini schon vor dem Einlaufen in die Häfen blockiert wurden, werden sie unter Lamorgese routinemäßig erst nach der ungehinderten Hafeneinfahrt festgesetzt. Zur Begründung der Beschlagnahme heißt es, die Schiffe erfüllten die Sicherheitsvorschriften nicht oder verfügten nicht über alle erforderlichen Zulassungspapiere und Bescheinigungen.

Schikane mit bürokratischen Winkelzügen

Zuletzt wurde Anfang Juni das Schiff Sea-Eye 4 der gleichnamigen Regensburger Hilfsorganisation im Hafen von Palermo von den italienischen Behörden festgesetzt, nachdem zuvor 408 gerettete Bootsmigranten in Pozzallo hatten an Land gehen können. Zur Begründung hieß es, das Schiff habe bei dem Rettungseinsatz zu viele Migranten an Bord genommen. Für die große Zahl von Personen an Bord habe es nicht genügend Rettungsausrüstung gegeben, der Abwassertank sei zu klein gewesen. Von dem Schiff gehe daher ein Risiko für die Umwelt und die Sicherheit aus.

Die für die Zulassung von Schiffen unter deutscher Flagge zuständige Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft mit Sitz in Hamburg beharrt dagegen auf dem Standpunkt, dass die Sea-Eye 4 alle internationalen Bestimmungen für die Zulassung als Frachtschiff erfüllt habe und kein Risiko für Umwelt und Sicherheit darstelle. Derzeit sind neben der Sea-Eye 4 vier weitere deutsche Rettungsschiffe in italienischen Häfen blockiert: die ebenfalls von der Regensburger Organisation betriebene Alan Kurdi, die Sea-Watch 3 und die Sea-Watch 4 der Berliner Organisation Sea Watch sowie die Iuventa von Jugend Rettet, ebenfalls aus Berlin.

Während Salvini die privaten Seenotretter beschimpfte und sie mit horrenden Geldstrafen abzuschrecken versuchte, werden diese unter dem schweigsamen Regime von Ministerin Lamorgese mit bürokratischen Winkelzügen schikaniert. Matteo Villa schreibt: „Zum Ende der Amtszeit Salvinis waren drei Rettungsschiffe in italienischen Häfen festgesetzt. Im vergangenen Herbst, von Oktober bis Dezember 2020, waren unter Lamorgese gleichzeitig sieben Schiffe blockiert.“ Sollte die Ocean Viking mit ihren 572 Bootsmigranten schon bald in einen sizilianischen Hafen einlaufen dürfen, könnte ihr dort anschließend wieder eine wochenlange Blockade drohen. Wie schon im Herbst 2020.

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