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#Ob Vorfreude wirklich die schönste Freude ist

Ob Vorfreude wirklich die schönste Freude ist

Wenn man sich sehr auf etwas freut, fällt es oft besonders schwer, sich in Geduld zu üben. Wie beim Warten auf den eigenen Geburtstag oder den Beginn der Schulferien scheint gerade vor Weihnachten die Zeit so wahnsinnig lang zu sein. Wie viel Mal schlafen ist es noch bis zur Bescherung? Warum kann man die Geschenke nicht schon jetzt auspacken? Könnte man nicht einmal spingsen, was sich unter der Verpackung verbirgt? Oder das Geschenk wenigstens kurz hochheben, um durch Abtasten von Form, Gewicht und Druckwiderstand zu erforschen, was drin sein könnte? 

So oft Kinder auch fragen mögen – was es zur Bescherung gibt, verraten die Eltern zumeist nicht. Vertröstet werden ungeduldige Kinder stattdessen gerne mit dem Satz: „Vorfreude ist die schönste Freude.“ Jede Wette: Diesen Satz haben die Eltern auch selbst als Kind schon zu hören bekommen, und gemocht haben sie ihn damals nicht. Und sie würden ihn auch heute bestimmt nicht besonders mögen, wenn sie im anstrengenden Arbeitsalltag schon am Mittwoch das Wochenende herbeisehnen, und ein Kind naseweis die Antwort gibt: Vorfreude ist die schönste Freude. 

Darin gleichen sich Erwachsene und Kinder: Für sie ist das Problem der quälenden Neugier und schier endlos scheinenden Wartezeit mit diesem Satz keineswegs gelöst. Was soll schließlich so schön daran sein, so auf die Folter gespannt zu werden und eine lange Geduldsprobe bestehen zu müssen? Warum soll man auf etwas Schönes warten, wenn man es eigentlich auch sofort haben könnte? 


Bild: F.A.Z.

Doch der Satz hat seine Wahrheit, und wenn man sich nicht gerade selbst in Geduld üben muss, leuchtet schnell ein, was für eine wichtige Fähigkeit sie ist. Es ist nicht leicht, in einer Welt, in der es so viel Ablenkung und Zerstreuung gibt, auf etwas Schönes auch einmal zu warten. Dabei erfordern gerade die wertvollsten Dinge im Leben oft, dass wir uns erst einmal ins Zeug legen, ohne sofort dafür belohnt zu werden. Würden wir nur tun, was uns sofort Genuss verschafft, würden wir nie erreichen, was das Leben wirklich schön macht. Und zudem an vielen Genüssen die Freude verlieren, würden sie doch nicht mehr außergewöhnlich sein.  

Glück und Gewohnheit

Wenn Kinder schon zuvor ausspionieren, was sie geschenkt bekommen, können sie sich beim Auspacken an Heiligabend gar nicht mehr so richtig freuen. Weiß man schon genau, was man bekommt, macht man sich die schöne Überraschung kaputt. Und zum Schenken und geschenkt Bekommen gehört ja nicht nur das Geschenk selbst, das Ding, sondern auch das ganze Drumherum: dass alle zusammengekommen sind, dass der Weihnachtsbaum strahlt, dass man sich miteinander freut und aufgeregt ist. 

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Wer Vorfreude die schönste Freude nennt, könnte auch daran denken, dass der Spaß an einem Weihnachtsgeschenk oft nicht sehr lange währt. Menschen gewöhnen sich schnell an neue Dinge in ihrem Leben. Was einmal ein heiß ersehntes Objekt war, steigert oft nur für kurze Dauer das Glück, sobald man es besitzt. Der Glücksforscher Bruno Frey hat herausgefunden, dass bei Erwachsenen ein teurer Sportwagen das Wohlbefinden nur für etwa drei Wochen steigert, danach wird er schon als alltäglich empfunden. Und manche Besitzer beginnen bereits, wieder auf das nächstbessere Auto zu schielen. 

Für die Eltern könnte es stimmen

Anders als die Freude über neue Dinge kann die Vorfreude dagegen sehr lange anhalten. Dabei spielt die Phantasie eine große Rolle. Wenn man sich auf etwas freut, denkt man oft und viel daran. In Gedanken malt man sich wieder und wieder aus, was man mit seinen Geschenken Tolles machen könnte, wie schön die Geburtstagsfeier mit den Freunden sein wird oder wie viel Schönes man während all der freien Zeit in den Sommerferien unternehmen könnte.  

Dadurch hilft die Vorfreude dabei, ausgerechnet die Zeit zu verkürzen, die sie so lang erscheinen lässt. Das Schwelgen in der Phantasie, das Ausmalen einer schönen Zukunft verkürzt die Zeit und verringert die Unlust und Spannung, die das Warten erzeugt. Weil Kinder wahre Meister der Vorstellungskraft sind, macht es vielen Eltern Spaß, ihren Kindern dabei zuzuschauen. So gesehen könnte noch etwas dransein an dem alten Spruch: Für manche Eltern ist es die schönste Freude, die Vorfreude ihrer Kinder zu erleben. 

Das Geschenk der Gemeinsamkeit

Doch die Phantasie, die von der Vorfreude so stark angeregt wird, hat ihre Licht- und Schattenseiten. Manchmal kann sie dazu führen, dass man zu genaue oder zu große Erwartungen entwickelt. Wenn dann endlich gekommen ist, worauf man sich so lange und so stark gefreut hat, kann darum die Enttäuschung umso größer sein: Das Geschenk ist nicht genau, was man sich vorgestellt hat, eine Geburtstagsfeier läuft nicht immer so gut, wie man sich das erhofft hatte, und die großen Pläne für die Sommerferien erfüllen sich nicht ganz. Oft sind darum gerade die Erlebnisse die schönsten, die völlig unerwartet kommen und auf die man sich nicht schon seit langem gefreut hatte.

Ganz besonders schön wird die Phantasie aber, wenn man sie mit anderen teilen kann. Freut man sich auf etwas, das man mit anderen gemeinsam macht, einen Urlaub zum Beispiel, kann man sich miteinander ausmalen, was für schöne Sachen man unternehmen wird. Die Vorstellungskraft des anderen macht dabei die eigene Phantasie noch lebhafter und reicher. Und wenn sich nach langem Warten endlich erfüllt, was man sich vorgestellt hatte, ist es gleich umso schöner, das Erlebnis mit jemandem zu teilen, und nicht halb so schlimm, wenn nicht ganz genau das passiert, was man sich gewünscht hatte. So sind an Weihnachten vielleicht gar nicht die Geschenke das Schönste, sondern die gemeinsame Zeit, die Kinder ohne den Stress von der Schule und Eltern ohne denjenigen von der Arbeit gemeinsam verbringen können. 

Noch mehr Antworten auf neugierige Kinderfragen

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