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Ohne sie ist alles anders

Jeder trauert anders, außer im deutschen Fernsehfilm. Hier trennen sich die Wege von hinterbliebenen Frauen und Männern auf stereotype Weise. Vor allem, wenn ein Paar mit dem Verlust eines Kindes fertig werden muss. Er verdrängt den Schicksalsschlag mit Berufsaktivismus und Fremdsex, sie verliert sich in Betrachtung und Depression. Vita activa und vita contemplativa erscheinen verteilt, bevor der männliche Part dramatisch Einsicht gewinnen darf und die weibliche Seite Aktionsspielraum. Filme wie „Der letzte schöne Tag“ von Johannes Fabrick und Dorothee Schön, ausgezeichnet mit etlichen Preisen, sind die große Ausnahme. Hier muss ein plötzlich alleinerziehender Witwer, gespielt von Wotan Wilke Möhring, nach dem Suizid seiner Frau mit Trauer und Schuldgefühlen, dem Argwohn der Kinder und seinen eigenen gemischten Gefühlen umgehen lernen.

Zu den wenigen Produktionen, die ihr Thema differenziert angehen, gehört auch Wolfgang Panzers „Meeresleuchten“. Ulrich Tukur und Ursina Lardi spielen ein seit langem verheiratetes Paar im materiellen Wohlstand, das seine einzige Tochter durch den Absturz einer Passagiermaschine über der Ostsee verliert. Der Auftakt ist skizzenhaft, der Ton wie ein Notat. Die Piloten im Cockpit der Maschine von Osaka nach Düsseldorf scherzen über die Verpflegung, riechen Rauch, bemerken einen Kabelbrand. Die Kamera von Ramunas Greicius zeichnet auf wie eine Bilder-Blackbox. Der Absturz bleibt ausgespart. Im Meer, in Küstennähe, schwimmen Gegenstände und eine einzelne Hand. Das größte Stück Physis, das bleibt. Thomas Wintersperger, äußerlich zurückgenommen verkörpert von Tukur, bekommt später eine Miniatururne, Modell der Fluggesellschaft. Von seiner und Sonjas vergötterter Tochter blieb ein Hautfetzen, den Rest „haben die Fische gefressen“.

Notiert werden die ersten Reaktionen des Paares. Er, am Telefon mit Bruder Florian (Bernd-Michael Lade), verhandelt ein Übernahmeangebot durch New Yorker Interessenten, als die Nachrichten den Absturz melden. Sie, von Ursina Lardi mit subtiler Einladung zur Nähe gespielt, zieht das Kissen über den Kopf: „So etwas passiert nicht.“ Wenig später eine groteske Info-Veranstaltung im Hotel in Heiligendamm. Wo sonst Weltpolitik tagt, gibt es Angehörigen-Busrundfahrten zur Küste, mit Priesterbegleitung und Kamerateams. Auf der Rückfahrt durch den lichten Wald, als eine der Hinterbliebenen im Bus penetrant Leidenskonversation in Gang bringen will und schließlich enthemmt heult, steigt Thomas einfach aus. Er findet den Weg zum Meer, ins Kaff Maalsund, mit Hilfe von Max (Hans Peter Korff), der ihn zwischen den Bäumen aufgabelt.

Weder schwer noch tieftraurig

Thomas kauft spontan einen alten Krämerladen, in dem die eigenwillige Rena (Carmen-Maja Antoni) ihr Wohnzimmer gefunden hat. Er lernt den Künstler Matti (Kostja Ullmann) kennen und dessen komplizierte Beziehung zur Balletttänzerin Nina (Sibel Kekilli). Aus dem Laden wird ein Café, bald steht die dynamische Wiebke (Marie Schöneburg) in der Küche, gehen die Ortsbewohner, von denen viele mit Verlusten leben, ein und aus. Thomas zieht sich im Nu aus dem bisherigen Lebensinhalt hinaus und findet neuen. Sonja wickelt die Baufirma ab, baut neue Häuser, findet ihre Weise des Überlebens. Sie sind getrennt.

Panzers Film ist weder schwer noch tieftraurig, sondern aufmerksam. Hier werden fernsehübliche Mann-Frau-Klischees zudem produktiv verkehrt. Thomas trauert, indem er das Leben auf sich zukommen lässt, Sonja ist die Tätige, der ihre Arbeit Halt gibt. Weder er noch sie brauchen den Seitensprung. Freundschaft wird wichtiger genommen als Sex, zumindest auf Zeit, die die Wunden nicht heilt, aber erträglich werden lässt. Abzüge gibt es für pseudophilosophische Dialoge („Ich bin eine Seifenblase, und Sentimentalitäten sind wie eine Stecknadel“) und banale Motive (den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen, die optische Wiederkehr der Tochter in Gestalt Ninas beim Tanztraining), die allzu gewollt wirken. Die offensichtliche Synchronisation stört gewaltig. Man hätte auch die Lebensgeschichten der Küstenoriginale nicht buchstabieren müssen, mehr Geheimnis hätte nicht geschadet. Unbedingt sehenswert dagegen ist die Lokation. Gedreht wurde an der Ostsee in Litauen. Die Kurische Nehrung lässt Thomas’ Wunsch, seiner Tochter unter hohem Himmel und einzigartigem Licht nahe zu sein, nur zu nachvollziehbar erscheinen.

Meeresleuchten läuft um 20.15 Uhr im Ersten.

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