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#Wie die Ukrainer auf die Taurus-Debatte blicken

In der Ukraine verstehen viele das Zögern des Kanzlers beim Taurus nicht. Sie denken: Schon wieder die Deutschen.

Taurus oder kein Taurus? Seit einem halben Jahr diskutiert Deutschland darüber, ob es den Marschflugkörper an Kiew liefern soll oder nicht – nur die Ukrainer fragt niemand. Dabei ist der Taurus für sie – mehr als für alle anderen, die Bevölkerung Russlands eingeschlossen – eine Frage von Sein oder Nichtsein.

Wer Ukrainer in diesen Tagen fragt, wie sie über den Taurus und die deutsche Politik denken, der sieht ein gemischtes Bild. Manche glauben, Berlin werde am Ende doch noch einlenken und den Taurus liefern, der die nach der Annexion der Krim gebaute Brücke von Russland zur Halbinsel und damit den schnellsten Nachschubweg der russischen Truppen in die Südukraine zerstören könnte. Andere, wie der Kiewer Militärexperte Oleksandr Musijenko, sind fatalistisch. Musijenko sagte dem Portal nv.ua: „Ich denke, solange Olaf Scholz Kanzler bleibt, werden sie der Ukraine diese Raketen nicht geben. Wir sind wahrscheinlich dazu verdammt, zu versuchen, wie wir die Krimbrücke ohne diese Raketen treffen können.“

Die Bedenken des Kanzlers gegen eine Lieferung richten sich vor allem darauf, dass die Ukrainer die Waffe mit ihrer Reichweite von 500 Kilometern auch gegen Ziele in Russland richten könnten, etwa gegen Moskau. Mychajlo Podoljak, Berater des Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, versteht diese Bedenken nicht. „Wir, auch unser Präsident, haben gesagt und sagen es heute noch einmal: Wir halten uns penibel an die Abmachungen mit unseren Partnern. Wenn vereinbart wurde, dass Waffen von unseren Partnern nicht auf russischem Gebiet eingesetzt werden sollen, dann wurde und wird das auch strikt eingehalten“, sagte Podoljak der F.A.S. „Wenn unsere Geheimdienste militärische Objekte in der Russischen Föderation angreifen, wie sie ja manchmal selbst bestätigen, verwenden sie Eigenproduktionen, nicht ausländische Waffen. Ausländische Raketen größerer Reichweite würden uns vor allem ermöglichen, die Logistik der Russen in den besetzten Gebieten zu zerstören. Russland kämpft mit Masse, deshalb brauchen wir diese Waffen.“ Zu einem Angriff auf Moskau sagt Podoljak: „Was für einen militärischen Sinn hätte es für uns, diese oder jene Stadt anzugreifen? Für uns ist entscheidend, die militärischen Ressourcen Russlands zu treffen.“

Der Taurus-Marschflugkörper


Der Taurus-Marschflugkörper
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Bild: AFP

In der Tat ist bisher nicht bekannt, dass die Ukraine wortbrüchig geworden wäre. Woher also das Misstrauen des Kanzlers? Podoljak glaubt, dass nicht mangelndes Vertrauen das Problem sei, sondern Angst vor Russland – und Unverständnis dafür, wie dieser Krieg funktioniere. „Starke Instrumente wie diese Raketen würden einer Eskalation entgegenwirken. Es gibt auch Unwillen, Verantwortung auf sich zu nehmen, weil dieser Krieg ein Wendekrieg ist. Er wird entscheiden, wer auf dem Kontinent dominiert und ob es überhaupt noch Regeln gibt.“ Podoljak glaubt auch, dass allein die Diskussion über die Entsendung von Soldaten in die Ukraine dabei helfe, die Eskalation seitens Russlands einzudämmen. „Sie ist ein starker psychologischer Schachzug, ein Signal an Russland: Ihr eskaliert ständig – wir sind bereit, darauf zu antworten.“

Viele Länder im Osten und Norden Europas teilten diese Einschätzung, sagt Podoljak – er hält Macrons Erklärung, die Entsendung von Soldaten nicht auszuschließen, für „brillant“. „Sie hebt die Diskussion auf eine neue, substanzielle Ebene. Es lassen sich Formate finden, die in der Ukraine zum Einsatz kommen könnten, zum Beispiel Missionen für Schulung, für Beratung, für Logistik.“ Das werde signalisieren, dass die beteiligten Länder die Selbstverteidigung der Ukraine würdigten und an ihrer Seite stehen wollten.

Auch Oppositionspolitiker in Kiew fordern den Taurus. Julia Timoschenko etwa, Anführerin der proeuropäischen „Orangen Revolution“ von 2004 und spätere Regierungschefin. Sie sagte der F.A.S.: „Als Russland 2014 Krim und Donbass angriff, hat Deutschland uns keine einzige Waffe gegeben. Das ist erst mit dem großen Krieg 2022 geschehen, und wir sind dafür sehr dankbar.“ Aber ein Aggressor verstehe nur die Sprache der Stärke, und Putins Stärke liege in der Schwäche des Westens. „Ich rufe Berlin dazu auf, uns endlich den Taurus zu geben und alles, was nötig ist, um einem langen Krieg vorzubeugen. Dann könnte der Kreml in der Ukraine gestoppt und ein Fundament für Stabilität und Frieden in Europa gelegt werden.“

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