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#Physiknobelpreisträger Chu: „Wenn die Grünen vernünftig wären, würden sie die Atomenergie vorziehen“

Die Bundesregierung hat gerade ihre Kraftwerksstrategie veröffentlicht. Der frühere amerikanische Energieminister und Physiker Steven Chu rät Deutschland dringend, seine Entscheidungen zu überdenken.

Herr Professor, Sie sind Physik-Nobelpreisträger und waren Energieminister in der Obama-Regierung. Im April haben Sie eine Petition unterzeichnet, um Deutschlands Atomkraftwerke zu erhalten. Warum?

Ich war überzeugt, dass die Deutschen die Energie, die diese Kraftwerke liefern, nicht ersetzen können. Jedenfalls nicht allein durch erneuerbare. Ich dachte, sie würden am Ende fossile Kraftwerke dafür brauchen. Und genau das ist passiert. Schauen Sie, wir hatten dasselbe Problem in Kalifornien. Sechzig Prozent unserer Stromversorgung kamen aus klimaschonenden Quellen, zehn Prozent waren nuklear. Der Gouverneur wollte die letzten zwei Atomkraftwerke abschalten. Wir konnten ihn davon überzeugen, dass Kalifornien seine Klimaziele nicht erreichen wird, wenn er diese zehn Prozent vom Netz nimmt. Also hat er seine Entscheidung revidiert. Ich wünschte, Deutschland hätte dasselbe getan.

Steven Chu ist Professor für Physik an der Universität Stanford. 1997 gewann er den  Physiknobelpreis. Von 2009 bis 2013 war er Energieminister unter Barack Obama.


Steven Chu ist Professor für Physik an der Universität Stanford. 1997 gewann er den Physiknobelpreis. Von 2009 bis 2013 war er Energieminister unter Barack Obama.
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Bild: The Royal Society

Braucht Deutschland diese Atomkraftwerke wirklich? Wir wollen ein klimaneutrales Energiesystem mit Wind- und Solarenergie aufbauen und mit Gaskraftwerken, die laufen, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint.

Das ist eine enorme Herausforderung. Denken Sie an die Schwerindustrie, insbesondere die chemische und petrochemische Industrie, BASF zum Beispiel. Die haben Fabriken, die man nicht einfach ein- und ausschaltet, nach dem Motto: Ups, wir haben gerade keinen Strom mehr, also fahren wir sie mal für einen Tag runter. Selbst eine Montagefabrik, eine Autofabrik oder eine Halbleiterfertigungsanlage benötigt extrem stabilen Strom. Die Gesellschaft muss begreifen, dass diese Industrien preisgünstigen Strom brauchen, und zwar rund um die Uhr. Und wenn sie ihn nicht bekommen, dann werden sie erheblich beeinträchtigt. Das könnte zu einer Abwanderung der Schwerindustrie aus Deutschland führen, und das wäre für die deutsche Wirtschaft katastrophal. Wenn einzelne Leute also sagen, sie wollen dies nicht, sie wollen das nicht, sie wollen keine Atomkraft, sie wollen auch keine Kohle, sie können alles mit erneuerbaren Energien hinbekommen, dann betreiben diese Menschen offenkundig keine Halbleiterfabriken, keine Chemiefabriken oder Fertigungswerke. Die Frage an die Deutschen lautet also: Wollen sie eine prosperierende Wirtschaft, wollen sie Arbeitsplätze und Wohlstand erhalten und gleichzeitig ihre Klimaziele erreichen, oder wollen sie nur ihre Klimaziele erreichen?

Man könnte Energie aus Wind und Sonne doch speichern.

Saisonale Speicherung ist sehr teuer, weil man die Speicher nur ein- oder zweimal im Jahr braucht. Das ist zu selten. Und wenn die Betreiber dann den Betrag in Rechnung stellen, den sie brauchen, um zu überleben, dann gehen die Kosten durch die Decke. Das sind die Dinge, über die Atomkraftgegner nachdenken müssen.

Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

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Atomkraftwerke sind gefährlich.

Aber wie gefährlich? Ich war vor einigen Monaten in Korea, und da demonstrierten die Leute dagegen, dass aus dem Atomkraftwerk in Fukushima radioaktives Wasser ins Meer abgelassen wird. Ich habe den Bericht der Internationalen Atomenergie-Organisation dazu gelesen. Wenn sie drei- oder viermal pro Woche Fisch essen, der aus der Drei-Kilometer-Zone stammt, in die der Atomreaktor Fukushima sein Abwasser einleitet, dann wäre ihre Strahlenbelastung geringer, als wenn sie einmal im Jahr eine Banane oder eine Schale chinesischen Blätterkohls essen, der radioaktives Kalium enthält. Viele Leute begreifen nicht, dass sie ein paar Prozent natürliche Radioaktivität essen für eine gute, ausgewogene Ernährung. Es sagt ja keine Behörde: Essen sie keine Bananen, essen sie keinen Spinat, kein Gemüse wegen der Strahlung. Es gibt keinen Beweis, dass diese sehr, sehr niedrigen Dosen der Gesundheit schaden. Aber wenn sie ihr Gemüse nicht essen, wird das ihrer Gesundheit schaden. Und das Verbrennen von Kohle und Gas schädigt ihre Gesundheit schwer. Wer Kohle verbrennt, setzt Stickoxide frei, und ganz besonders Feinstaub. Verbrennungsmotoren setzen Feinstaub frei, insbesondere Dieselmotoren, das Verbrennen von Holzpellets setzt Feinstaub frei. Schauen Sie sich die Daten der Weltgesundheitsorganisation an. Luftverschmutzung steht bei den Ursachen für frühzeitige Todesfälle an dritter Stelle.

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