Wissenschaft

#Pinguine im Sekundenschlaf

Sowohl für uns Menschen als auch für Tiere ist Schlaf lebenswichtig. Je nach Umweltbedingungen sind Phasen der Unaufmerksamkeit jedoch mit erheblichen Risiken verbunden. Bei Zügelpinguinen in der Antarktis haben Forschende nun eine erstaunliche Anpassung entdeckt: Während der Brutzeit schlafen die Tiere jeweils nur wenige Sekunden am Stück, dafür aber tausende Male am Tag. Auf diese Weise kommen sie insgesamt auf tägliche Schlafenszeiten von mehr als elf Stunden, ohne Abstriche beim Schutz ihres Geleges machen zu müssen. Der wiederholte Sekundenschlaf scheint ihnen dabei ausreichend Erholung zu bieten.

Wenn wir lange nicht schlafen, kann es uns passieren, dass wir ungewollt kurz einnicken. Dieser sogenannte Sekundenschlaf, bei dem unser Gehirn sich kurzzeitig in einen Schlafzustand schaltet, ist insbesondere beim Autofahren gefährlich. „Doch auch in Situationen, in denen der Sekundenschlaf keine direkte Gefahr darstellt, ist unklar, ob er lang genug ist, um irgendeinen Vorteil von echtem Schlaf mit sich zu bringen“, schreibt ein Team um Paul-Antoine Libourel vom Forschungszentrum für Neurowissenschaft in Lyon in Frankreich.

Wie wildlebende Pinguine schlafen

Um dieser Frage auf die Spur zu kommen, haben Libourel und sein Team wildlebende Zügelpinguine auf King George Island in der Antarktis beobachtet. „Während der Brutzeit muss ein Pinguin-Elternteil die Eier und später die kleinen Küken ständig bewachen, während das andere Elternteil teils mehrere Tage lang auf Futtersuche unterwegs ist“, beschreiben die Forschenden. „Deshalb stehen die Pinguine vor der Herausforderung, wie sie schlafen und zugleich ihren Nachwuchs schützen können.“ Bedroht sind die Gelege vor allem durch Raubmöwen, die bevorzugt die Nester an den Rändern einer Pinguinkolonie angreifen und plündern. Auch die eigenen Artgenossen können zum Problem werden, weil sie bei Gelegenheit mühsam zusammengesuchtes Nestbaumaterial klauen würden.

Für ihre Studie statteten Libourel und sein Team 14 wildlebende Pinguine mit einer Reihe von Messgeräten und Sensoren aus. Auf diese Weise konnten die Forschenden die Hirnströme der Tiere überwachen, die Muskelspannung ihrer Nackenmuskulatur messen, ihre Bewegungen aufzeichnen und ihre Position bestimmen. In einigen Fällen nahmen sie die brütenden Pinguine zudem per Video auf. „Während der Beobachtungsphase zeigten die Pinguine ein normales Brutverhalten, bei dem sie sich durchschnittlich alle 22 Stunden mit dem anderen Elternteil abwechselten“, berichtet das Team. „In manchen Fällen war das andere Elternteil aber auch mehr als 64 Stunden unterwegs.“

Tausende Nickerchen am Tag

Mithilfe der ebenfalls mobil angebrachten EEG-Elektroden konnten die Forschenden sehen, wann das Gehirn eines Pinguins die für Schlaf typischen Wellen zeigte. Bereits aus früheren Studien war bekannt, dass Pinguine teilweise nur mit einer Hirnhälfte schlafen, während die andere aktiv bleibt und das zugehörige Auge geöffnet ist. Das konnten Libourel und sein Team auch in der aktuellen Studie bestätigen. Doch egal ob mit beiden oder nur mit einer Hirnhälfte: Die Schlafphasen der Pinguine dauerten jeweils im Durchschnitt nur vier Sekunden. Nur 28 Prozent der Nickerchen waren länger als zehn Sekunden, das längste 34 Sekunden.

Dafür nickten die Pinguine tausende Male am Tag ein. „Trotz der Kürze der Schlafphasen sammelten sie auf diese Weise pro Tag insgesamt fast 15 Stunden an, in denen sie mit einer oder beiden Hirnhälften schliefen“, berichten die Forschenden. „Jede Hirnhälfte erhielt so zwischen 11,5 und zwölf Stunden Schlaf am Tag.“ Besonders fragmentiert war der Schlaf den Ergebnissen zufolge jeweils bei dem Elternteil, das beim Nest blieb. Das jagende Elternteil dagegen schlief während der Tauchgänge kaum und ruhte sich dafür danach an Land länger aus.

Gestörter Schlaf in der Mitte der Kolonie

Zusätzlich untersuchten die Forschenden, ob die Position des Nests innerhalb der Kolonie einen Einfluss auf die Schlafqualität der Pinguine hat. Der wichtigste Fressfeind des Nachwuchses, die Braune Skua-Raubmöwe, greift bevorzugt Gelege am Rande der Kolonie an. Das Team ging deshalb davon aus, dass sich die Pinguine mit Nestern in der Mitte der Kolonie längere Schlafphasen erlauben könnten. Doch das Gegenteil war der Fall: Obwohl ihr Nest besser vor Raubmöwen geschützt war, schliefen diese Pinguineltern sogar noch fragmentierter als ihre Artgenossen weiter am Rand der Kolonie.

Aus Sicht der Forschenden kommen dafür verschiedene Erklärungen in Frage. Eine könnte sein, dass die Pinguine am Rand der Kolonie während der Wachphasen aufgrund der größeren Gefahr aufmerksamer sein müssen und deshalb als Ausgleich mehr Ruhe brauchen. Denkbar wäre aber auch, dass die Artgenossen selbst eine größere Störquelle darstellen als die Fressfeinde. Zum einen ist der Lautstärkepegel im Inneren der Kolonie sehr hoch, was selbst den Sekundenschlaf stören kann. Zum anderen ist bekannt, dass sich die Pinguine, wenn sie die Möglichkeit dazu haben, gegenseitig die kleinen runden Steinchen stehlen, aus denen die Nester errichtet werden.

Implikationen für Schlaf im Allgemeinen

Doch unabhängig davon, was genau die Pinguine zu ihrem ungewöhnlichen Schlafmuster gebracht hat, lässt sich daraus eine wichtige Erkenntnis für den Schlaf im Allgemeinen gewinnen: „Die berichteten Daten könnten eines der extremsten Beispiele dafür sein, dass sich die Vorteile des Schlafs auch einstellen können, wenn der Schlaf nicht am Stück stattfindet“, schreiben Christian Harding von der University of California in San Diego und Vladyslav Vyazovskiy von der University of Oxford in einem Kommentar zur Studie, der ebenfalls in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht wurde. „Der ständige Wechsel zwischen Schlaf und Wachzustand bei Zügelpinguinen hat wichtige Implikationen für das Verständnis der Schlafregulation im Allgemeinen.“

Das bedeutet jedoch nicht, dass die Ergebnisse direkt auf den Menschen übertragbar sind. „Was bei Vögeln oder anderen Tieren völlig normal sein kann, kann beim Menschen abnormal oder krankhaft sein“, so Harding und Vyazovskiy. Beispielsweise ist bekannt, dass fragmentierter Schlaf bei Menschen in Zusammenhang mit neurodegenerativen Krankheiten steht.

Quelle: Paul-Antoine Libourel (Neuroscience Research Center of Lyon, Bron, France) et al., Science, doi: 10.1126/science.adh0771

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Wissenschaft kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!