#Sein Paradies lag am Attersee
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„Sein Paradies lag am Attersee“
Am 1. März 2017 wechselte Gustav Klimts „Bauerngarten“ für 48 Millionen Pfund den Besitzer. Sotheby’s hatte vor der Auktion den Preis auf 35 Millionen geschätzt. Das Gemälde, das erstmals auf der berühmten Wiener Kunstschau von 1908 ausgestellt worden war, hing lange Zeit als Leihgabe in der Prager Nationalgalerie. 1970 erwarb der Schweizer Sammler Gustav Rau das Bild, der es vierundzwanzig Jahre später für 3,7 Millionen Pfund bei Christie’s an einen vermögenden Kanadier verkaufte. Es lohnt, in die Klassische Moderne zu investieren.
Der 1907 gemalte Bauerngarten ist ein Meisterwerk der Wiener Fin-de-Siècle-Kunst. In komplementären Farben hat der 1862 geborene Klimt ein leuchtendes Blumenbeet auf der Leinwand verewigt. Inspiriert hatte ihn ein Garten am Attersee im Salzkammergut, wohin er seit 1900 zur Sommerfrische fuhr, um der Hitze der Wiener Straßenschluchten zu entfliehen. Mohn und Astern, Rosen und Zinnien, Gänseblümchen und Dahlien sind vor einem grünen Hintergrund in feinen Farbabstufungen präsentiert.
Der Künstler des ewigen Blühens
In der Mitte des Gemäldes ziehen die blauen Blüten des Vergissmeinnichts die Blicke der Betrachter auf sich. Die strahlenden Blumen sind in dreieckigen Gruppen von unterschiedlicher Größe angeordnet, ohne dass diese Verdichtung die lebendige Natürlichkeit der imaginierten Gartenlandschaft gefährden könnte. Mit dem quadratischen Bildformat, das Klimt von Claude Monet übernommen hatte, distanzierte sich der Wiener Künstler von der traditionellen perspektivischen Landschaftsmalerei und öffnete dem Betrachter die Möglichkeit zu meditativer Kontemplation. Die atmosphärische Kraft der Farben verbindet sich auf eindrucksvolle Weise mit einem feinen Gefühl für die geometrische Form der Blütenarrangements.
Einladung zur meditativen Kontemplation: Klimts „Bauerngarten mit Sonnenblumen“, um 1907.
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Bild: Picture-Alliance
Nicht nur in diesem Meisterwerk hat Klimt Blumen unterschiedlicher Farbe, Größe und Leuchtkraft zusammengeführt, um in der vermeintlich zufälligen Anordnung der Blüten die makellose Perfektion der ungebändigten Natur abzubilden. Das im Garten Vergängliche wurde durch das künstlerische Schaffen der Zeitlichkeit entzogen und einer Welt, die sich ständig wandelte, dauerhaft anvertraut.
Der „Künstler des ewigen Blühens“, wie ein Zeitgenosse, der Journalist Ludwig Hevesi, Klimt nannte, schuf allein während seiner Aufenthalte am türkisblauen Attersee zwischen 1900 und 1916 mehr als vierzig Gemälde, die bunte Wiesen und blühende Obstbäume, majestätische Alleen und lichte Wälder darstellen. Klimt war auf der Suche nach einem Garten, dessen vielfältige Blütenpracht und üppige Vegetation den idealen Lebensraum repräsentierten. Ein solches Paradies, das er im Salzkammergut gefunden zu haben glaubte, erlaubte den geordneten Rückzug aus dem hektischen Getriebe der rasch wachsenden österreichischen Metropole. Kunst und Leben mussten neu zusammenfinden. Also entwarf Klimt für seine Partnerin, die Modedesignerin Emilie Flöge, die ihn regelmäßig an den Attersee begleitete, wallende Kleider, die er mit floralen Mustern verziert hatte und die seine Bilder unmittelbar nachahmten.
Gärten als Experimentierfeld
Die mit impressionistischen wie pointillistischen Techniken realisierte Dialektik von Ordnung und Unordnung, von Natürlichkeit und Gestaltung ist Teil eines Aufbruchs in die Moderne, der indes nicht nur den avantgardistischen Maler Klimt, sondern eine ganze Generation von Künstlern, Schriftstellern und Intellektuellen um 1900 erfasste. Gärten wurden zu einem Experimentierfeld sozialer und kultureller Projekte. Gesellschaft und Individuum mussten sich gleichermaßen verändern, um die als defizitär empfundene Gegenwart zu überwinden. Das Verhältnis von Mensch und Natur war neu zu definieren.
Schick im Reformkleid: Gustav Klimt und Emilie Flöge im Garten der Oleander-Villa in Kammer am Attersee, um 1910.
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Bild: Picture-Alliance
Der Wunsch, in den Garten Eden zurückzukehren, prägte auch Gärtner und Landschaftsarchitekten, die sich, wie es damals hieß, der Reform der Gartenkunst verschrieben hatten. Sie lehnten die Perspektivität des englischen Landschaftsgartens ab, rehabilitierten einzelne geometrische Gestaltungsformen und feierten die Blütenpracht in Beeten und Rabatten, die immer öfter zahlreiche Stauden zierten.
Teppichbildende Bodendecker waren jetzt verpönt. Grundsätzlich sollte auf das natürliche Vorkommen der Pflanzen geachtet und ihre charakteristischen Erscheinungen respektiert werden. Die Bauerngärten, die auch Klimt, obwohl er nie selbst gärtnerte, so sehr faszinierten, gaben der Reformbewegung wichtige Anregungen. Die neue Begeisterung für Blumen verlangte neue, architektonische Strukturen, um die Pflanzen standortgerecht und effektvoll gruppieren zu können. Farbe und Vielfalt waren gefragt. Der blühende Garten im frei stehenden Stadthaus oder im sommerlichen Landhaus verwandelte sich in einen bürgerlichen und künstlerischen Sehnsuchtsort, in dem die Herausforderungen der aufziehenden neuen Epoche bewältigt werden sollten – wie Klimt im März 1916 an Emilie Flöge schrieb: „Krokus blüht im Garten, dass der Boden einem Sternenhimmel gleicht! Und das Gemüt erhellt sich und der Mut und die Kraft!“
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