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#Radikale Forderungen sind auch keine Lösung

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Radikale Forderungen sind auch keine Lösung

Krisen zeichnen sich dadurch aus, dass ein Problem von allen Beteiligten in irgendeiner Weise als existenziell und vordringlich erlebt wird. Für eine Lösung können deshalb ansonsten unverhandelbare Regeln außer Kraft gesetzt und üblicherweise unerlaubte Mittel eingesetzt werden. Im Ausnahmecharakter einer Krise steckt damit schon ein Keim der Hoffnung auf ihre Lösung. So darf man in medizinischen Notfällen auf Rettungskräfte hoffen, die nicht an jeder roten Ampel halten müssen. Bei großen gesellschaftlichen Krisen wie der Klimakrise oder der Covid-19-Pandemie scheint dies anders zu sein. Obwohl die Bedrohungen existenziell sind und obwohl es weder an breiter Unterstützung noch an Vorschlägen mangelt, lässt die Rettung auf sich warten. Unbehagen macht sich breit.

„Unbehagen“ heißt daher auch das neue Buch des Münchner Soziologen Armin Nassehi. Es handelt jedoch nicht vom menschlichen Unbehagen im Angesicht gesellschaftlicher Krisen. Wie sich dieses Unbehagen artikuliert, ob es sich um ein Gefühl, eine Atmosphäre oder gar um eine bestimmte Form der Kommunikation handelt, bleibt unbestimmt. Was auch immer es sein mag: Das Unbehagen bildet nicht den Gegenstand, sondern nur den Anlass für eine soziologische Analyse, die der Frage nachgeht, an welchen sozialen Strukturen die Lösung gesamtgesellschaftlicher Krisen scheitert.

Viele widersprüchliche Perspektiven

Die Strukturen der Gegenwartsgesellschaft hätten sich, so Nassehi in Anlehnung an die Systemtheorie des Soziologen Niklas Luhmann, seit Anbeginn der Moderne als relativ stabil erwiesen: Man fand und findet immer noch allgemeinen Rückhalt für die Erwartung, dass in der Wirtschaft Preise auf Märkten gebildet und mit Geld bezahlt werden, dass die Politik kollektiv bindende Entscheidungen in einem Wechselspiel zwischen Regierung und Opposition herstellt oder dass die Wissenschaft zu Erkenntnissen gelangt. Solche gesellschaftlichen „Funk­tionssysteme“, zu denen auch die Kunst, das Erziehungswesen, die medizinische Krankenversorgung und andere mehr gehören, hätten dank ihrer Spezialisierung zwar Erfolge erzielt, seien aber aufgrund der Fixierung auf ihre eigenen Regeln und Logiken nicht mehr zu einer zentral steuerbaren gesellschaftlichen Einheit integrierbar.

Armin Nassehi: „Unbehagen“. Theorie der überforderten Gesellschaft.


Armin Nassehi: „Unbehagen“. Theorie der überforderten Gesellschaft.
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Bild: C.H. Beck Verlag

Funktionssysteme seien insofern unfähig, Lösungen „aus einem Guss“ für gesamtgesellschaftliche Problemlagen in Gestalt der Klimakrise oder der Covid-19-Pandemie anzubieten. Die Ausrichtung wissenschaftlicher Erkenntnisse, politischer Machtkalküle, wirtschaftlicher Profitinteressen und rechtlicher Konditionierungen auf ein gemeinsames Ziel widerspreche der Struktur der modernen Gesellschaft. Nur den Krieg lässt Nassehi als Ausnahme gelten. Die Rufe nach einem kollektiven Vorgehen würden meist auf überzogenen Erwartungen beruhen, gesellschaftliche Komplexität unterschätzen und sich an „die Gesellschaft“ richten, die als Einheit gar nicht existiere, sondern stets in viele widersprüchliche Perspektiven zerfalle. Die Gesellschaft überfordere sich selbst, indem sie unerfüllbare Ansprüche generiere, und eben dies sei die Wurzel des Unbehagens in und an der Gesellschaft.

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