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#Rezensiuon zu Vladimir Sorokins neuem Roman „Dr. Garin“

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Vladimir Sorokin schickt seinen Protagonisten Doktor Garin im gleichnamigen Roman dem Zerfall Russlands hinterher.

Wenn Vladimir Sorokins Bücher vor rund zwanzig Jahren öffentlich von Groupies des damaligen wie heutigen russischen Präsidenten in ein gewaltiges Klo geschleudert wurden, dann verwundert es kaum, dass der Herrscher in Sorokins neuem Roman nichts anderes ist als ein Po­backenpaar mit Augen und nur einen einzigen Satz von sich gibt: „Ich war’s nicht.“

Das funktioniert erstaunlich gut. Wladimir, wie die Romanfigur nur heißt, ist zusammen mit sieben anderen political beings Insasse einer Heilanstalt. Der titelgebende Doktor Garin kümmert sich im Sanatorium Altai-Zedern um das psychische Wohl von ihm, Angela, Boris, Donald, Emma­nuel, Justin, Silvio und Shinzo. Sie alle eint ihre burgerähnliche Körperform, bestehend aus Gesäß, Armen und ­Augen. Ihre Macken sind unterschiedlich, aber dank Doktor Garin ist der ­individuelle Zustand mittlerweile weit­gehend „stabil“. Den schönsten ersten Auftritt dürfte Boris für sich ver­buchen, der impulsiv und infantil verlangt, er wolle auf der Stelle alles: seine liebsten Bücher, Dildos, Frauen, Saurier und Rapiere. Leider stirbt Boris schon zu Beginn, denn er und Shinzo überleben einen atomaren Angriff auf das Sanatorium nicht.

Mit der Restgruppe und dem Team aus der Heilanstalt flieht Dr. Garin vor Krieg und atomarer Strahlung durch ein ehedem großes Land, das nun in viele Einzelgebilde zerfallen ist. Vladimir Sorokin schickt seinen akademisch vorgebildeten Pikaro auf eine Tour, die ihn zu einer ­anarchistischen Bastion, einem altrussischen Gut, einem Zirkus, einem von Zottelorks betriebenen Gefangenenlager und dergleichen mehr bringt. Den ersten Teil der Strecke bewältigen sie mit Hilfe von Majakowski nachgebildeten über­dimensionalen Bio­robotern. Wer sich erinnert, dass Sorokin nach dem Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine über Putin gesagt hat, dieser habe sich den Ring der Macht übergestreift, dürfte in solchen Szenen das Bild der Hobbits Meriadoc und Pippin vor Augen haben, die mit einem Ent unterwegs sind.

Zottelork greift ein

All das sagt viel über das Setting des Romans aus, in dem fehlende Internetverbindung ebenso Probleme bereitet wie ein Angriff von Zottelorks, bei dem Riesen und Zwerge auftreten, Wissenschaft und Animismus zusammen­gehen. Das lässt an einen anderen russischen Schriftsteller denken: Vor ­hundert Jahren erlebte Alexander Grin seinen literarischen Triumph. Unter dem Zaren war dieser einzelgängerische Schriftsteller wiederholt verhaftet und verbannt worden, von Mitte der Zwanzigerjahre an geriet er in Konflikt mit dem Sowjetregime, von 1941 an ­erschienen seine Werke für lange Zeit nicht mehr. In diesen Romanen und Erzählungen schuf er eine exotische, märchenhaft angehauchte Phantasiewelt, in der Naturgesetze oft genug aufgehoben sind; seine Texte bilden ein eigenes Universum, das von einem Kritiker ­bereits 1934 als „Grinland“ bezeichnet wurde.

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