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#Riesenbakterium ist mit bloßem Auge sichtbar

„Riesenbakterium ist mit bloßem Auge sichtbar

Die meisten Bakterien sind nur wenige Mikrometer groß und nur mit dem Mikroskop zu sehen. Doch jetzt haben Forscher erstmals ein Bakterium entdeckt, das mit bloßem Auge sichtbar ist. Die Zellen der im Wasser von Mangrovenwäldern auf Guadeloupe entdeckten Bakterienart bilden weißliche Fädchen, die bis zu zwei Zentimeter lang werden. Ihr Genom ist dreimal umfangreicher als das der typischen Prokaryoten und enthält mehr Genkopien als bei jeder anderen bekannten Zelle, wie das Team berichtet. Ungewöhnlich bei dem Thiomargarita magnifica getauften Bakterium ist auch, dass es sein Erbgut zusammen mit den proteinproduzierenden Ribosomen in vielen kleinen Membransäckchen verpackt hat – normalerweise liegt das Erbgut von Bakterien frei in deren Zellflüssigkeit.

Bakterien werden nicht umsonst zu den Mikroorganismen gezählt: Die meisten Bakterienzellen sind nur wenige Mikrometer groß und mit bloßem Auge nicht erkennbar. Erst in den letzten Jahren haben Wissenschaftler auch ungewöhnlich große Vertreter solcher Mikroben im Meer und im Süßwasser entdeckt. Diese Riesenbakterien können mehrere hundert Mikrometer groß werden. Die größte Bakterienart, Thiomargarita namibiensis, wurde 1997 am Meeresgrund vor der Küste Namibias entdeckt. Sie ist bis zu 750 Mikrometer groß und erreicht damit Ausmaße, die an der Grenze des für Prokaryoten Möglichen liegen – so jedenfalls dachte man. Denn anders als die Zellen von eukaryotischen Organismen besitzen Prokaryoten keinen Zellkern, kaum aktive Transportmechanismen und auch nur selten Zellkompartimente. Sie können daher Nährstoffe und zelleigene Moleküle nur durch passive Diffusion aufnehmen und in ihrer Zelle verteilen. Dies begrenzt die maximale Größe, ab der eine solche einfach strukturierte Zelle noch funktionsfähig ist.

Weiße Fädchen im Mangrovenschlamm

Doch jetzt berichtet ein Team um Jean-Marie Volland vom Lawrence Berkeley National Laboratory in Berkeley von der Entdeckung eines noch größeren Bakteriums. Gefunden hat es der Meeresbiologe Olivier Gros von der Universität der Antillen auf Guadeloupe, als er nach Schwefel-oxidierenden Lebewesen im schwefelreichen Schlamm der Mangrovenwälder suchte. Dabei fielen ihm weißliche Fäden auf, die an abgefallenen Blättern im Sediment zu haften schienen. „Diese Filamente hatten eine stielartige Form und wurden zum oberen Ende hin allmählich dünner, wo eine Art Knospen zu erkennen waren“, berichten die Forscher. Diese weißen Fäden waren im Schnitt 9,7 Millimeter lang, einige Filamente erreichten aber auch Längen von 20 Millimetern. Um herauszufinden, um was es sich handelte, sammelten die Wissenschaftler einige Proben ein und untersuchten sie anschließend im Labor mittels Elektronenmikroskopie, Fluoreszenzmikroskopen und Röntgen-Tomographie.

Zur Überraschung des Forschungsteams zeigte sich, dass es sich nicht wie zunächst angenommen um mehrzellige Gebilde handelte. Stattdessen bestand jedes Fädchen aus nur einer einzigen Bakterienzelle. „Sie ist damit 5000-mal größer als die meisten Bakterien“, sagt Volland. „Zum Vergleich: Ein entsprechend großer Mensch wäre so groß wie der Mount Everest.“ Damit liegen die Zellgröße und auch das Zytoplasmavolumen dieser Zellen deutlich über dem, was man bisher als maximale Obergrenze für prokaryotische Zellen ansah. „Diese Entdeckung wirft neue Fragen zum Morphotyp der Bakterien auf“, sagt Gros. Das Forschungsteam hat seine Neuentdeckung Thiomargarita magnifica getauft. Der Gattungsname Thiomargarita zeigt an, dass diese Art eng mit den schon zuvor bekannten schwefeloxidierenden Riesenbakterien verwandt ist.

Thiomargarita magnifica
Mikroskopaufnahme eines Zellstücks von Thiomargarita magnifica. © Tomas Tyml

Riesiges Genom, einzeln verpackt

Um herauszufinden, warum dieses Bakterium so groß werden konnte und wie sein Inneres beschaffen ist, unterzogen Volland und seine Kollegenihren Fund einer DNA-Analyse und weiteren Laboruntersuchungen. Diese enthüllten, dass das Genom von Thiomargarita magnifica ebenfalls ungewöhnlich groß ist: Es umfasst 11.788 proteinkodierende Gene – dreimal so viele wie eine durchschnittliche Bakterienzelle, so das Team. Zudem enthält das Erbgut im Schnitt 36.880 Genkopien pro Millimeter Filament-Länge. In einem zwei Zentimeter lange Fädchen können mehr als 730.000 Genkopien vorliegen. „Die Zahl der Genkopien liegt damit um eine Größenordnung höher als bei den anderen Riesenbakterien“, berichten die Forscher. „Thiomargarita magnifica hat die höchste je in einer Zelle gefundene Zahl von Genkopien.“ Besonders angereichert sind dabei Gene für die Oxidation von Schwefel und die Fixierung von Kohlenstoff, was auf ihre chemoautotrophe Ernährungsweise hindeutet. Eng mit dem Riesenwuchs der Zellen verknüpft ist zudem ein atypischer Bestand an Genen für die Zellteilung und die Zellverlängerung, wie die Analysen ergaben.

Noch ungewöhnlicher jedoch ist die Art, wie das Erbgut in den Riesenbakterien vorliegt. Typischerweise liegt die DNA von Prokaryoten frei im Zytoplasma, einen Zellkern oder ein anderes Kompartiment für die DNA gibt es nicht. Anders bei Thiomargarita magnifica: „Die große Überraschung war, dass die vielen Genomkopien in Strukturen verpackt sind, die eine Membran besitzen“, sagt Volland. „Das ist unerwartet bei einem Bakterium.“ Mikroskopaufnahmen zeigten, dass die langgestreckte Bakterienzelle einen zentralen, flüssigkeitsgefüllten Hohlraum, eine Vakuole, besitzt. Außen herum liegt das Zytoplasma, das zahlreiche kleine Membranbläschen enthält, in die jeweils ein Stück DNA und einige Ribosomen verpackt sind. „Diese Kompartimentierung von DNA und Ribosomen erinnert an den Zellkern und die Kompartimente von Eukaryoten“, schreiben Volland und seine Kollegen. Sie haben die neu entdeckten Bakterien-Organellen „Pepins“ getauft – entsprechend dem französischen Wort für die kleinen Samen von Kiwis und anderen Früchten.

Nach Ansicht des Forschungsteams könnten diese Pepin-Organellen, die extrem hohe Kopienzahl im Genom und die große Vakuole im Zellzentrum eine Erklärung dafür liefern, wie das neu entdeckte Riesenbakterium so groß werden konnte. Denn diese Anpassungen könnten das Diffusionsproblem verringern, indem sie das Erbgut über die gesamte Länge der Zelle verteilen und zudem alle Komponenten in der Nähe der Zellmembran konzentrieren. „Wenn wir die Biologie, den Energiestoffwechsel und die Bildung, Rolle und Natur der Pepins näher erforschen, könnte uns dies helfen zu verstehen, wie sich biologische Komplexität entwickelt hat“, erklären Volland und sein Team. „Die Entdeckung von Thiomargarita magnifica deutet darauf hin, dass es von uns unbemerkt sogar noch größere und komplexere Bakterien geben könnte.“

Quelle: Jean-Marie Volland (Lawrence Berkeley National Laboratory, Berkeley) et al., Science, doi: 10.1126/science.abb3634

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