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#Rückkehr nach Kiew

„Rückkehr nach Kiew“

Unser Haus in Kiew steht auf dem Prospekt Peremohy. Diese achtspurige Ader ist die Ausfallstraße Richtung Westen. Am ersten Tag der russländischen Invasion ging hier nichts mehr: Alle Kiewer wollten gleichzeitig die Stadt verlassen.

Ich erwachte an jenem Morgen von der sich überschlagenden Stimme meines Mannes: „Irka! Sie bombardieren Kiew!“ Also scrollte ich durch die Nachrichten, hörte bestürzt auf die Sirenen und suchte die wichtigsten Papiere zusammen, obwohl ich eigentlich nicht die Absicht hatte, die Stadt zu verlassen. Ich kochte erst mal eine Suppe und gaukelte unserem elfjährigen Sohn Gelassenheit vor. Immer wieder lief ich zum Fenster und schaute stirnrunzelnd auf den endlosen Strom an Fahrzeugen und Menschen, der Richtung Westen zog. Fußgänger mit Koffern, Taschen und Einkaufsrollern liefen angespannt und niedergedrückt die Straße entlang. Sie regten mich schrecklich auf. „Wo wollt ihr hin, warum denn? Wenn alle weggehen, haben die Russen mit den Städten leichtes Spiel“, dachte ich irritiert. Wie töricht ich doch damals war …

Zwei Tage und eine furchtbare Nacht haben ausgereicht, um meine Haltung zur Evakuierung von Zivilisten aus umkämpften Städten grundlegend zu ändern. In unmittelbarer Nähe unseres Hauses wurde ein Munitions-Lkw von einem Geschoss getroffen, die schreckliche „Disco“ dauerte eine Ewigkeit. Angst hatte ich eigentlich nicht, aber schon als ich damals in der „roten Zone“ im Donbass meinen Film gedreht und die Vielstimmigkeit des Krieges kennengelernt habe, ist etwas in mir zerbrochen. In der ersten Kriegsnacht in Kiew musste ich mit ansehen, wie mein Sohn auf dem Fußboden im Korridor von Angst geschüttelt wurde.

Was erwartet uns in diesem grässlichen Spiel?

Gehen oder bleiben? Abwarten oder sofort aufbrechen? Welche Sachen mitnehmen? Wohin mit den Haustieren? In die Westukraine oder noch weiter nach Westen? Diese und andere Fragen haben sich sicherlich alle Ukrainer gestellt. Vor allem die mit Kindern. All diese Fragen führen zu einer grundsätzlichen Überlegung: Was erwartet uns in diesem grässlichen Spiel, und wie bringen wir unsere Familie in Sicherheit?

Zwei Monate Genozid der Russen an den Ukrainern, schockierende Ereignisse, richtige und falsche Entscheidungen, gerettete und verlorene Leben. Ich verurteile niemanden mehr, ich kann nicht sagen, wie man sich verhalten sollte. Ich habe intuitiv gehandelt. Mein Mann hat sich der Zivilverteidigung angeschlossen, also habe ich mit unserem Sohn und unserer Katze die Stadt verlassen, wir sind zwei Monate in Lwiw gewesen, die Stadt ist beinahe unberührt vom Krieg. Sirenen haben dort allerdings auch geheult, und einmal sind Raketen direkt über unser Haus hinweggeflogen: Fenster und Türen vibrierten, ein dumpfes Pfeifen, dann ein Knall, dem wir entnahmen, dass die Raketen in nächster Nähe eingeschlagen waren, unser Haus ist verschont geblieben.

Das trifft glücklicherweise auch auf unser Haus in Kiew zu. Heute sind wir zurückgekehrt. Nein, der Krieg ist noch nicht zu Ende. Vielleicht ist es auch in Kiew nicht wirklich sicher, keiner weiß, welches Opfer sich das „russische Roulette“ als Nächstes sucht. Aber immerhin ist das Kiewer Gebiet befreit, und das Veilchen auf dem Fensterbrett, das uns meine inzwischen verstorbene Großmutter geschenkt hatte, setzt Blüten an. Wie gut.

Als wir vor unserem Haus aus dem Taxi stiegen, warnte mich mein Sohn: „Du darfst nur auf der Straße gehen, Mama, in den Beeten liegen vielleicht Minen.“ Ich wehrte ab: „Ach was!“ Und im Stillen dachte ich: Der Krieg wird noch lange weitergehen, auch wenn er zu Ende ist. Wie lange wird er unsere Kinder verfolgen? Besonders jene, die es schlimm getroffen hat …

Aus dem Ukrainischen von Claudia Dathe

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