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#„Russland muss verlieren lernen“

„„Russland muss verlieren lernen““

Herr Minister, Lettland ist das Zentrum der baltischen Staaten. Fühlen Sie sich dadurch sicherer als ihre beiden Nachbarn, Estland und Litauen?

Wir fühlen uns weder sicherer noch unsicherer, die Situation ist zu hundert Prozent gleich. Wir alle grenzen an Russland und seinen Alliierten Belarus. Militärisch werden alle drei baltischen Staaten als ein Gebiet betrachtet. Wir planen unsere Verteidigung gemeinsam. Und unsere Zusammenarbeit geht davon aus, dass, wenn ein Land angegriffen wird, Truppen der anderen beiden Länder ohne große juristische Komplikationen die Grenzen überschreiten können.

Für wie gefährlich halten Sie aktuell die Lage an der NATO-Ostflanke?

Nach der Invasion in der Ukraine hat sich die russische Präsenz an unseren Grenzen um mehr als die Hälfte verringert. In manchen Schätzungen sehen wir, dass es vielleicht sogar nur noch knapp über dreißig Prozent sind. Die Russen sind aber in diesem Moment auch stärker in Belarus aktiv. In den letzten Tagen haben sie einiges an Gerät verlegt, und auch russische Soldaten an die Grenzen von Belarus.

Wozu könnten die Truppen eingesetzt werden?

Sie sind jedenfalls nicht dazu in der Lage, eine wie auch immer geartete Invasion in den baltischen Staaten zu beginnen. Aber natürlich haben wir uns vorbereitet. Wir haben keine Angst, wir nehmen das einfach ernst. Falls der Westen – wir – mit der Ukraine zusammen den Krieg nicht gewinnen wird, dann wird das die Russen auf jeden Fall ermutigen, einen weiteren zu beginnen.

In Deutschland existieren Sorgen, dass Russland eine zweite Front eröffnen könnte, noch während die russischen Streitkräfte in der Ukraine gebunden sind. Sie sagen, dazu sind sie trotz der Teilmobilisierung nicht fähig?

Es gibt zurzeit keine Chance für eine zweite Front. Und das sage ich nicht nur als lettischer Verteidigungsminister. Ich habe selbst im sowjetischen Militär gedient. Ich weiß, wie die Streitkräfte früher ausgesehen haben und wie sie nun aussehen. Die Mobilisierung wird nur den Dissens in Russland vergrößern. Sie zeigt, wie korrupt das Land ist. Und militärisch betrachtet sind diese Leute einfach nicht dazu in der Lage, zu kämpfen.

Aktuell laufen sowohl aufseiten der NATO als auch Russlands Nuklearmanöver . . .

. . . das sind beides geplante Übungen, auch wenn sie sich in diesem Jahr mit dem Ukrainekrieg überschneiden.

Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass Russlands Präsident Wladimir Putin im Zuge einer Eskalation des Ukrainekriegs Atomwaffen einsetzt?

Im Bereich der Verteidigung müssen wir immer die schlimmstmöglichen Szenarien in Betracht ziehen. Wenn sie nicht eintreten, dann ist es gut. Wir könnten davon ausgehen, dass die Russen eine Art taktischer Waffe in der Ukraine einsetzen. Oder sie könnten eine Art radioaktiver Bedrohung fabrizieren, indem sie etwa in einem Atomkraftwerk etwas durcheinanderbringen. Aber was wäre der Zweck? Sie können dadurch nicht gewinnen, es würde den Krieg in der Ukraine nicht einmal beeinflussen. Ich glaube, dass die Russen weder verrückt noch dumm sind. Trotz ihrer völligen Misskalkulation beim Angriff auf die Ukraine.

Welcher Weg führt aus dem Krieg heraus?

Das ist die Hundert-Euro-Frage. Wenn wir in die Geschichte Russlands schauen, wurden Regime immer nur auf zwei Wegen zu Fall gebracht: durch eine Revolution oder durch einen Staatsstreich. Momentan ist Russland nicht dazu bereit, am Verhandlungstisch Platz zu nehmen. Zumindest nicht Putin, sonst würde er es tun. Das bedeutet, wir müssen diesen Krieg vermutlich so lange fortführen, bis Russland seine Truppen aus der Ukraine zurückzieht. Sie müssen bereit sein – ich möchte nicht das Wort „kapitulieren“ verwenden –, den Krieg zu verlieren.

Die deutsche Regierung vermeidet strikt solche Aussagen.

Das habe ich schon beim NATO-Gipfel in Madrid registriert. Die Deutschen können das Wort „Kapitulation“ vermeiden, um nicht die bereits verlorene Männlichkeit der politischen Führung in Russland infrage zu stellen. Aber es geht um den Sieg. Sie müssen verlieren. Tatsächlich wäre es für die Russen psychologisch gesund, den Krieg endlich zu verlieren. Sie sind nie auf die Idee gekommen, dass sie irgendjemandem etwas Unrechtes angetan haben. Man lernt nicht aus Siegen, man lernt aus Niederlagen, so wie die deutsche Gesellschaft es auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs getan hat.

Eine Mehrheit der Deutschen lehnt laut einer Umfrage eine militärische Führungsrolle weiterhin ab. Was sind Ihre Erwartungen an unser Land?

Wir erwarten mehr Mut von der deutschen Gesellschaft und schnellere Reaktionen von der Bundesregierung. Von Deutschland hängt so gut wie alles ab. Wir befinden uns im Krieg. Und da muss das größte Land führen.

Und das tut es nicht?

Es ist nicht einfach, weil die deutsche Gesellschaft jahrzehntelang pazifistisch war. Vielleicht haben die baltischen Staaten in Kriegszeiten an Deutschland auch höhere Ansprüche, als es erfüllen kann. Aber mehr und mehr Leute fragen, ob die Deutschen verlässliche Partner sind. Wäre die deutsche Gesellschaft bereit, ihr Leben für unsere Freiheit zu geben? Wenn ich sehe, wie Deutschland, aber auch Frankreich und andere Länder die Ukraine anfangs unterstützt haben, habe ich da meine Zweifel. Die baltischen Staaten sind klein. Wir können uns kein Butscha oder Mariupol leisten. Wir brauchen deutsche Truppen und eine politische Sprache und militärische Fähigkeiten, die dem ausreichend Rechnung tragen.

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