Nachrichten

#Russlands Demografieproblem: Mehr Kinder für Putin

Russlands Bevölkerung schrumpft seit Langem, der Krieg gegen die Ukraine verschärft das Problem. Nun soll die Geburtenrate steigen – auch durch weniger Abtreibungen.

Seit einiger Zeit werden in Russland wieder „Heldinnen-Mütter“ ausgezeichnet: Frauen, die zehn oder mehr russische Staatsbürger geboren haben. Wladimir Putin führte den Orden, der mit dem Ende der Sowjetunion in Vergessenheit geraten war, im Sommer 2022 wieder ein. Wenn es nach dem Präsidenten ginge, hätten russische Familien bald wieder mindestens drei, besser noch fünf, sechs oder sieben Kinder: Das Modell der Großfamilie solle wieder zur „Norm“ werden, sagte Putin im Februar in seiner Ansprache an die Nation. In seiner fünften Amtszeit, die nach der Scheinwahl von Mitte März begonnen hat, soll die Geburtenrate „nachhaltig steigen“. Ungeachtet der Tausenden Kriegstoten, die dieses Jahr vermutlich noch bringen wird, hat der Kreml 2024 zum „Jahr der Familie“ ausgerufen.

Russlands demographische Lage war schon vor dem Überfall auf die Ukraine schlecht. Eine ähnlich niedrige Geburtenrate wie in westlichen Ländern traf auf eine viel geringere Lebenserwartung. Die Pandemie, in der Russland zu den Ländern mit der weltweit höchsten Übersterblichkeit gehörte, vergrößerte den Abstand noch. Nun macht der Krieg das Problem in aller Schärfe sichtbar: Russlands Wirtschaft kämpft um viel zu wenige Arbeitskräfte, während Hunderttausende Männer an die Front geschickt werden und mindestens Zehntausende weitere – meist gut ausgebildet und im besten Alter, Kinder zu bekommen – das Land verlassen haben. Damit wird eine ohnehin schon kleine Generation ausgedünnt: die der 25- bis 30-Jährigen, die in den geburtenschwachen Neunzigerjahren geboren wurden. Wegen dieser „demographischen Senke“, aber auch wegen der Unsicherheiten des Krieges, wurden in den vergangenen zwei Jahren so wenige Kinder geboren wie seit 20 Jahren nicht mehr.

Auch für Migranten hat Russland seit dem Überfall an Attraktivität verloren. Weil der Rubel stark abgewertet hat, kommen viel weniger Zentralasiaten, die bis zum Frühjahr 2022 in russischen Städten scharenweise als Kuriere, Bauarbeiter und Straßenkehrer arbeiteten: Sie können in ihren Heimatländern nun mehr verdienen. In der Indu­strie, die wegen der Aufrüstung auf Hoch­touren läuft, fehlen schon jetzt Millionen Arbeiter; die Wirtschaft ist überhitzt, die Inflation hoch. Auf dem Arbeitsmarkt gebe es wegen des Mangels an jungen Leuten „gigantische Probleme“, sagt die in Moskau lehrende Ökonomin Natalja Subarewitsch; die Demographie werde in den nächsten Jahren eine „riesige Hürde für das Wirtschaftswachstum“ sein.

Zuerst werden Abtreibungen in Privatkliniken verboten

Als ein Mittel, die Geburtenrate zu steigern, hat Russland im vergangenen Sommer den Kampf gegen Abtreibungen auserkoren. Das passt zu Putins Ideologie der „traditionellen Werte“ im Gegensatz zum angeblich liberal-verkommenen Westen. Das kremltreue Oberhaupt der Russisch Orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill, sprach von einem „Zauberstab“, mit dem die Bevölkerung zu vermehren sei: „Wenn es uns gelingt, Frauen von Abtreibungen abzubringen, wird die Statistik sofort nach oben gehen.“ Dabei ist die Lage in Russland eigentlich gar nicht dramatisch, im Gegenteil: Seit Anfang der Achtzigerjahre, als nach und nach bessere Verhütungsmittel in die Sowjetunion kamen, sinkt die Zahl der Abtreibungen kontinuierlich. 2022 lag die Rate – ohne Fehlgeburten, die in Russland üblicherweise mitgezählt werden – Demographen zufolge mit 10,3 Abtreibungen je 1000 Frauen im Alter zwischen 15 und 44 zwar etwas über dem Niveau in Deutschland, aber deutlich unter dem in Frankreich, Schweden und den Vereinigten Staaten. Dennoch bezeichnete Putin Russlands Abtreibungszahlen im November als „akutes Problem“.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!