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#Russlands langer Abstieg

„Russlands langer Abstieg“

In den Sommerferien verändert sich Moskau. Statt der üblichen Hektik, der Staus und hetzenden Menschen liegt eine gemütliche Trägheit über der Stadt. Parks und Plätze sind mit üppiger Blumenpracht auf Hochglanz getrimmt, die Moskauer, die nicht auf der Datscha oder an der Schwarzmeerküste sind, sitzen in Cafés oder auf Parkbänken und wirken zufrieden – auch in diesem Jahr. Die Regale in den Supermärkten bersten schier vor frischem Gemüse aus Zentralasien. Westliche Produkte sind noch zahlreich vorhanden, wenn auch teils deutlich teurer geworden, von Milka- und Ritter-Sport-Schokolade über Barilla-Nudeln bis zu Nivea-Produkten. Wer nicht wüsste, dass der Kreml vor einem halben Jahr seinen Krieg gegen die Ukraine begonnen hat, der in Russland „Spezialoperation“ genannt werden muss, und dafür vom Westen mit beispiellos harten Sanktionen belegt wurde, der müsste davon in der russischen Hauptstadt nichts merken. Nur einige Plakate rühmen russische Soldaten, die Orden erhalten haben, und an einem Hochhaus im Zentrum formen beleuchtete Fenster nachts das „Z“, das für den Militäreinsatz steht.

Katharina Wagner

Wirtschaftskorrespondentin für Russland und die GUS mit Sitz in Moskau.

Alexander Wulfers

Redakteur in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Passend zur Fassade des unbeschwerten Sommerglücks haben nicht nur russische Stellen, sondern auch internationale Organisationen wie der Internationale Währungsfonds (IWF) zuletzt ihre Pro­gnosen für die russische Wirtschaft in diesem Jahr verbessert: Statt des noch im Frühjahr erwarteten Einbruchs von 8 Prozent geht der IWF jetzt nur noch von einem Minus von 6 Prozent aus; Russlands Wirtschaftsministerium ist mit minus 4,2 Prozent noch optimistischer. Auch die Inflation, die im Frühjahr bei fast 18 Prozent lag, ist wieder unter 15 Prozent gefallen. Die Sanktionen, so stellen es Präsident Wladimir Putin und seine Propagandamaschinerie dar, verfehlten ihre Wirkung: Die russische Wirtschaft gehe eher noch gestärkt daraus hervor.

Dabei hinterlassen die Folgen des Krieges längst ihre Spuren. Zwar ist die Wirtschaft bisher nicht kollabiert und wird es wohl auch nicht – dafür war sie vor dem Krieg in einem zu stabilen Zustand. Doch langfristig, darin sind sich die meisten Ökonomen einig, werden die Strafmaßnahmen und die Isolation die russische Wirtschaft um Jahrzehnte zurückwerfen, auf ein viel niedrigeres, primitiveres Niveau als vor dem Krieg. Ohne Innovationen und modernste Technik, abhängig von Importen aus China, mit einer deutlich schlechteren Lebensqualität, weit abgeschlagen von den größten Volkswirtschaften der Welt.

Die Menschen spüren die Sanktionen

Die Vorboten dieser Entwicklung sind längst zu sehen. Zum Beispiel in einer Moskauer Filiale des Schnellrestaurants Wkusno i totschka, zu Deutsch „Lecker und Punkt“, so etwas wie der Nachfahre von McDonald’s in Russland, seit der amerikanische Fast-Food-Konzern seine 850 Filialen an einen russischen Geschäftsmann verkauft hat. Der Laden liegt an einer belebten Ecke im Südwesten der Hauptstadt, gegenüber von einem riesigen Einkaufszentrum und nicht weit von einem wichtigen Bahnhof. Trotzdem ist an diesem heißen Wochentag zur Mittagszeit kaum etwas los. Drinnen wartet eine Handvoll Kunden auf ihre Burger, draußen sitzen mehr Tauben auf den Tischen als Menschen daran.

Das kann an den Ferien liegen. Oder vielleicht doch an den Berichten, die kurz nach der Neueröffnung von Wkusno i totschka durchs Internet schwirrten. Da hieß es, die Qualität habe erheblich abgenommen, Brötchen seien verschimmelt und Saucen abgelaufen gewesen. Ein Moskauer im Rentenalter, der 15 Jahre lang an fast jedem Arbeitstag bei McDonald’s zu Mittag aß, hat nun aus Angst vor einer Lebensmittelvergiftung noch keinen Fuß in die Filiale gesetzt. Er habe einfach kein Vertrauen in russische Unternehmen, erklärt er entschuldigend, weil Kontrollen nicht funktionierten. Man müsse ja bloß bezahlen, um sie zu bestehen. Bei großen internationalen Konzernen wie McDonald’s sei das anders. Er geht jetzt zu KFC, das um die Ecke liegt und unter altem Namen weitermacht.

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